Contra Whistleblowing Prämien für Denunziation oder Zivilcourage?

Wer in den USA den Behörden Verstöße seines Arbeitgebers etwa gegen das Aktienrecht meldet, kann mit der Hilfe des Staates und hohen Belohnungen rechnen. Soll es das auch in Deutschland geben?

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Tim Wybitul, 44, ist Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Deutscher Compliance Officer (BDCO) und Leiter Compliance & Investigations bei der Kanzlei Hogan Lovells in Frankfurt. Quelle: PR

Belohnungen für Whistleblower wie in den USA– nein, danke. Dort können Hinweisgeber dreistellige Millionenbeträge bekommen, wenn sie Gesetzesverstöße melden. Einige amerikanische Gesetze sehen Belohnungen für Whistleblower vor, wenn deren Hinweise zur Verhängung von Bußgeldern führen, etwa bei Steuerhinterziehung, im Bereich der Börsenaufsicht oder anderen Wirtschaftsgesetzen. Damit schafft der Staat bewusst Anreize, das eigene Unternehmen im Falle von Verstößen bei den Behörden anzuzeigen.

Dabei geht jedoch unter: Unternehmen haben ein massives Eigeninteresse, Wirtschaftsdelikte zu verhindern. Andernfalls drohen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, Strafverfahren vor Gericht, Verbandsbußen in Millionenhöhe, Schadensersatzforderungen und vor allem Rufschäden.

Beschäftigte mit deutschen Arbeitsverträgen müssen im Rahmen ihrer gesetzlichen Treuepflicht Verstöße sogar melden, wenn der Arbeitgeber schwere Schäden befürchten muss.

Tippgeber die bereits ohne Belohnung auspackten

Belohnungen passen hier jedoch nicht hin, weil das deutsche Arbeitsrecht so nicht funktioniert. Denn dieselbe Treuepflicht sieht auch vor, dass Mitarbeiter zunächst versuchen müssen, Fehlentwicklungen intern anzusprechen, bevor sie sich an Behörden oder die Presse wenden. Informiert ein Arbeitnehmer etwa die Staatsanwaltschaft oder gar ausländische Behörden, ohne zuvor mit seinem Arbeitgeber über das Problem gesprochen zu haben, droht die fristlose Kündigung. Anders liegt der Fall, wenn eine interne Klärung dem Mitarbeiter nicht zugemutet werden kann.

Würde der deutsche Gesetzgeber Regelungen schaffen, die Belohnungen für Hinweise an Behörden vorsähen, würde er damit Mitarbeiter gegebenenfalls auffordern, gegen ihre Pflichten aus dem Arbeitsvertrag zu verstoßen.

Das Problem bei solchen Belohnungen geht noch weiter. Soll der Staat Bürger wirklich dafür bezahlen, dass sie Unternehmen oder Mitmenschen bei Behörden anzeigen? Es wäre interessant, wie sich dann die Anzahl der Anzeigen wegen Steuerhinterziehung entwickeln würden. Zwar könnten auch Unternehmen Hinweisgebern solche Belohnungen in Aussicht stellen. Fragt sich nur, wie die Stimmung dann in den Betrieben wäre. Doch ehrlich gesagt: Das will ich mir eigentlich aber gar nicht vorstellen.

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