Corporate Governance Digitale Kompetenz? In deutschen Aufsichtsräten weitgehend Fehlanzeige

Als Treiber aus dem Otto-Aufsichtsrat heraus wirkt About-You-Gründer Benjamin Otto, Sohn des Chefaufsehers Michael Otto. Quelle: imago images

Trotz Corona ist die Digitalisierung in den Kontrollgremien deutscher Familienunternehmen nicht angekommen. 83 Prozent der Aufsichtsräte haben nicht genug Digitalerfahrung. Dabei gibt es Vorbilder: Otto, zum Beispiel.

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Nicht viele Traditionsunternehmen haben sich auch im Digitalgeschäft so mit an die Spitze gesetzt wie der Hamburger Handelskonzern Otto. Längst wird der größte Teil der Umsätze online erzielt. Seit über einem Jahrzehnt investiert Otto in Venture Capital. Und 2021 ging die Ausgründung About You an die Börse, wo sie allerdings – wie die meisten Online-Modehändler – zuletzt ziemlich unter die Räder geriet. Ab 2023 will Otto seinen kompletten Umsatz über seinen hausinternen Zahlungsdienstleister abwickeln. Die Lizenz erhielt Otto Payments im Juni von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zugeteilt.

Als Treiber aus dem Otto-Aufsichtsrat heraus wirkt About-You-Gründer Benjamin Otto, Sohn des Chefaufsehers Michael Otto. Vater und Sohn haben für ihren Aufbruch in die vernetzte Welt das oberste Kontrollgremium mit digitaler Expertise ausgestattet wie nur wenige andere Familienunternehmen.

Vier der 19 Mitglieder sind ausweislich ihrer Lebensläufe Digital-Fachleute, neben Benjamin Otto noch Ex-Vorstand Rainer Hillebrand, der viele Jahre für E-Commerce und Venture Capital zuständig war, Mehrfachgründer Marius Marschall von Bieberstein sowie – seit 2021 – Benjamin Schaper. Schaper ist Geschäftsführer des von Benjamin Otto gegründeten Venture-Capital-Unternehmens BPO. Gemeinsam haben die vier fast 40 Jahre relevante Digitalerfahrung.

von Sonja Álvarez, Annina Reimann, Volker ter Haseborg, Christian Schlesiger

Damit zählt Otto zu den absoluten Ausnahmen. Eine der WirtschaftsWoche vorliegende Analyse der 150 größten familienkontrollierten Unternehmen in Deutschland durch die Münchener Digitalberatung OMMAX ergab: 83 Prozent der Aufsichtsräte haben keinerlei Führungserfahrung in einem Digitalgeschäft oder Technologieunternehmen. Nur 17 Prozent besitzen digitale Expertise; das sei nur ein Prozentpunkt mehr als vor der Pandemie, so OMMAX-Partner Stefan Sambol. „Trotz Corona hat sich nicht viel getan.“

Auch bei Neubesetzungen werde das Thema nur beschränkt berücksichtigt. 24 Prozent der 2021 neu bestellten Räte sind Digital-Fachleute, 76 Prozent nicht. „Die Denke, die ,Best Buddies‘ aus dem Golfclub ins Aufsichtsgremium zu holen, ist immer noch stark vertreten“, glaubt Sambol. Bevor der promovierte Betriebswirt zu OMMAX stieß, arbeitete er vier Jahre für den Berliner Inkubator Rocket Internet und gründete das 2016 insolvente Bezahldienst-Start-up Paymill mit.

OMMAX ist seit Gründung 2011 zu einer Beratung mit über 250 Consultants gewachsen und arbeitet vor allem für Finanzinvestoren. Für die Studie analysierten die Berater die 150 größten deutschen Unternehmen, die ganz oder – wie etwa BMW oder Sixt – zu einem maßgeblichen Teil in Familienhand sind. Bei 106 der Firmen waren Angaben zu ihren Aufsichtsrätinnen oder Beiräten – insgesamt 919 Personen – öffentlich verfügbar. Nur über 577 dieser Räte waren Informationen zum beruflichen Werdegang im Netz zu finden.

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Die digitale Transformation, sagt Sambol, müsse „von den Eigentümerfamilien getrieben werden, am besten von der nächsten Generation“.

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