Das Geschäft mit der Sicherheit Wer überwacht die Wächter?

Sieben Milliarden Euro Jahresumsatz, 235.000 Mitarbeiter, 15.000 unbesetzte Stellen - das Geschäft mit der Sicherheit in Deutschland boomt. Der attraktive Markt lockt jedoch auch schwarze Schafe an.

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Sicherheitspersonal in einer Landeserstaufnahmeeinrichtung. Quelle: dpa

Der einzige Arbeitgeber- und Wirtschaftsverband privater Sicherheitsdienstleister, der Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW), fordert darum einen Wechsel der staatlichen Aufsicht und eine spürbare Erhöhung der Zugangsbarrieren zum Gewerbe. Gewalttätige Neonazis als Wachmänner, terrorverdächtige Islamisten als Ordner im Fußballstadion, Sicherheitsdienste aus Familienclans mit Migrationshintergrund, die zu dubiosen Zwecken Nachwuchs in Flüchtlingsheimen rekrutieren - immer wieder stehen private Sicherheitsfirmen im Verdacht zweifelhafter Leistungen und fragwürdig agierender Mitarbeiter. „Wer kontrolliert diese Unternehmen in NRW?“, wollte der CDU-Landtagsabgeordnete Gregor Golland jüngst in einer Kleinen Anfrage von der Landesregierung in Düsseldorf wissen. Dabei stellte sich unter anderem heraus, dass gar nicht bekannt ist, wie viele Sicherheitsdienstleister für die Überwachung von Flüchtlingsunterkünften des Landes aktuell tätig sind. 

Kriminalstatistik

Nur auf den ersten Blick ist es anlässlich dieses Wildwuchses verwunderlich, dass der Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW) zur eigenen Sicherheit mehr und effektiver kontrolliert werden möchte. Die Kernforderung: Das Innenministerium muss die Überwachung der Wächter übernehmen. Denn nur in Deutschland und Österreich fallen in Europa private Sicherheitsdienstleister nicht unter die Aufsicht der Innenbehörden.

„Mit dem Verband streben wir diesen Zuständigkeitswechsel weg von den Wirtschaftsbehörden an. Damit erhoffen wir uns einen Qualitätssprung“, betont Ernst Steuger, Geschäftsführer der Nürnberger Wach- und Schließgesellschaft und Vorsitzender des BDSW-Arbeitskreises „Schutz von Flüchtlingsunterkünften“, im Gespräch mit „Wirtschaftswoche Online“. Die vom Bundeswirtschaftsministerium eingeleiteten Gesetzesänderungen reichten eindeutig nicht aus.

„Mit einem 40-stündigen Unterrichtungsverfahren an der Industrie- und Handelskammer und einem einfachen Unbedenklichkeitsauszug aus dem Bundeszentralregister darf man im Sicherheitsgewerbe arbeiten. Das ist nicht mehr zeitgemäß und muss um eine mögliche Abfrage durch die Verfassungsschutzbehörden ergänzt werden“, betont Steuger. Der BDSW fordere, den Zugang zum Bewachungsgewerbe erheblich zu verschärfen, um die ungesteuerte Flut von Neugründungen und die spürbar vermehrten Billigstanbieter einzudämmen.

Asylanträge nach Bundesländern 2017

Es bestehe dringender Handlungsbedarf, warnt der Experte, weil private Sicherheitsdienste immer bedeutsamere Aufgaben für die Sicherheit und Ordnung übernähmen - insbesondere in den spezialgesetzlich geregelten Bereichen wie bei der Luftsicherheit, der Bundeswehr, bei kerntechnischen Anlagen sowie im Öffentlichen Personennahverkehr. Einige Zahlen verdeutlichen das: Nach BDSW-Schätzung waren 2014 bundesweit 4000 Unternehmen im Sicherheitsgewerbe gemeldet; im selben Jahr erwirtschafteten deren 214.284 Mitarbeiter einen Jahresumsatz von rund 5,43 Milliarden Euro.

Nur ein Jahr später wurden 235.000 Mitarbeiter und ein Jahresumsatz von sieben Milliarden Euro gezählt. Nur wenige Mittelstandsunternehmen sind bundesweit präsent. „Wir gehen davon aus, dass die durchschnittliche Unternehmensgröße bei 100 bis 150 Beschäftigten liegt“, berichtet Ernst Steuger, der seit über 25 Jahren in leitenden Funktionen in der privaten Sicherheitswirtschaft tätig ist. 

Handlungsbedarf bei der Ausbildung erkannt

Der BDSW ist grundsätzlich optimistisch, dass der Wechsel der ministeriellen Zuständigkeiten umgesetzt werden kann. Denn auf den 8. gemeinsamen Luftsicherheitstagen der Bundespolizei und des Fachverbandes Aviation im BDSW im Februar deutete der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Stephan Mayer, an, dass auf der politischen Ebene fraktionsübergreifend ein Handlungsbedarf erkannt worden sei. Doch vermutlich werde das Problem nicht mehr in der laufenden Legislaturperiode angegangen werden können – sprich: Vor der nächsten Bundestagswahl bewegt sich wohl noch nichts.

Dabei drängt die Zeit: „Mit Blick auf die Ereignisse rund um die Flüchtlingsunterkünfte, bei denen zum Teil sogar die Polizei einschreiten musste, um Konflikte zu beruhigen, ist es aus Sicht eines Unternehmers schon fast peinlich zu wissen, dass die Ausbildung von Mitarbeitern in Flüchtlingsunterkünften nicht auf mindestens auf eine Sachkundeprüfung aufgestockt wird. Das gilt nur für die Führungskräfte. Somit bleibt es in diesem Bereich lediglich bei der 40-stündigen Unterrichtung und in der Regel beim Mindestlohn“, stellt der BDSW-Experte beunruhigt fest.

Eine Verbesserung sei auch mit Blick auf „die Anforderungen an unsere Mitarbeiter im Rahmen von Deeskalation in zum Teil sensiblen Bereichen und dem Umgang mit moderner Technik bedeutsam. Hier sind andere Qualifikationen und eine ganz andere behördliche Kontrolle erforderlich“, sagt Steuger. „Dabei muss eines klar bleiben: Wir beabsichtigen nicht, im Bereich hoheitlichen Handelns tätig zu werden. Aber wir wollen unsere Position als verlässlicher und vertrauenswürdiger Partner für mehr subjektive und objektive Sicherheit verstärken, wie es das Programm der Inneren Sicherheit in seiner dritten Fortschreibung seit 2009 vorsieht.“ Sicherheit sei ein bedeutender Wirtschafts- und Standortfaktor, es gehe um Vertrauen. „Daher müssen die Zulassungsbehörden dafür sorgen, dass Mitarbeiter und Unternehmer hinreichend qualifiziert und kontrolliert sind, bevor sie im Gewerbe tätig werden dürfen.“

Kaum eine Branche wächst so schnell wie das Sicherheitsgewerbe. Nirgendwo sind auch die Gefahren des Missbrauchs höher. Einblicke in die fragwürdigste Ausbildung des Landes.
von Konrad Fischer

„Brandanschläge auf geplante Einrichtungen sowie Ausschreitungen vor Flüchtlingsunterkünften häufen sich, in den Unterkünften gibt es fast täglich Auseinandersetzungen. Und immer häufiger wird auch das private Sicherheitspersonal Opfer von Gewalt oder auch zum Akteur“, stellt Steuger fest und setzt besorgt hinzu: „Dabei stehen die kurzfristigen und oftmals ausschließlich preisorientierten Vergaben der Sicherheitsaufgaben durch die öffentlichen Auftraggeber im Widerspruch zu den steigenden Risiken und Qualifikationen im Gewerbe.“ Häufig sei nur eine Handvoll Mitarbeiter für die Sicherheit zu vieler Flüchtlinge verantwortlich, kritisiert der Nürnberger Unternehmer. „Sicherheit kann es nicht zum Nulltarif geben. Eine qualifizierte Auswahl von Unternehmen und Beschäftigten im Rahmen der Vergabe ist zwingend notwendig. Wer aus Prinzip den billigsten Anbieter wählt, geht ein unkalkulierbares Risiko ein.“

Besonders verärgert es Steuger, dass in Berlin zurzeit diskutiert wird, als angeblich kostengünstige Alternative zu den privaten Sicherheitsdiensten Angestellte im Polizeidienst mit dreimonatiger Ausbildung zum Schutz von Flüchtlingsunterkünften einzusetzen. „Das ist grober Unfug.“ Eine solche festangestellte „Wachpolizei“ werde bei ausbleibenden Aufträgen die Kommunen finanziell unnötig belasten. „Gerade in der Flexibilität liegt der Vorteil der privaten Sicherheitswirtschaft. Wir hätten im Gegensatz zu den Kommunen weiteren Bedarf an qualifizierten Sicherheitsmitarbeitern und könnte diese weiter beschäftigen.“

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