Dating-Portale Mit dem Smartphone auf Partnersuche

Die Kontaktsuche per Smartphone boomt, die etablierten Partnervermittlungen im Internet spüren den Atem der Konkurrenz - und greifen zu Verzweiflungstaten.

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So funkt es auch im Netz
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Der Radar läuft, das Smartphone tastet die nähere Umgebung ab. Auf dem Bildschirm erscheint Anja, 26, braunes Haar, die Lippen rot und zum Kuss geformt – Entfernung: 150 Meter Richtung Westen. 300 Meter nördlich weilt offenbar Jacqueline, 24, blondes Haar, kurzes Oberteil. Ein paar Worte ins Handy getippt und abgeschickt, mal schauen, welche der beiden zuerst zurückschreibt.

Flirten mit dem Smartphone, das „Mobile Dating“, ist der große Trend im Geschäft mit der Partnersuche im Internet. Von null auf 25 Millionen Euro explodiert der Umsatz der blutjungen Branche in Deutschland in nur drei Jahren. Start-ups wie Lovoo in Dresden oder Tinder (zu Deutsch: Zunder) in den USA haben sich neue Funktionen wie einen Live-Radar einfallen lassen, um Kundschaft anzuziehen.

Benjamin Bak Quelle: Presse

Mit der Kontaktsuche per App in Echtzeit machen die Anbieter klassischen Kupplern im Internet gehörig Konkurrenz. „Für die etablierten Singlebörsen und Partnervermittlungen sind die neuen Apps der blanke Horror“, sagt Henning Wiechers, Betreiber des Branchendienstes Singlebörsen-Vergleich.de. Vor allem für Kontaktanzeigen-Portale wie neu.de oder FriendScout24 sei die Entwicklung zum mobilen spielerischen Flirten ein „Riesenproblem“.

Wiechers schätzt, dass die beiden Unternehmen zusammen bereits bis zu zehn Millionen Euro Umsatz an die neuen Wettbewerber verloren haben, weil deren Apps bei ähnlicher Leistung preisgünstiger sind. Auf den Web-Seiten von neu.de und FriendScout24 können Kunden zwar Single-Profile kostenlos durchforsten. Die Kontaktaufnahme aber kostet ab 35 Euro pro Monat – ein Mehrfaches von Lovoo.

„Natürlich spüren wir neue Anbieter wie Lovoo“, räumt Joachim Rabe ein, Geschäftsführer von neu.de. Dies sei „keine kurzfristige Mode, sondern eine langfristige Entwicklung“, die mit „dramatischen Veränderungen“ einhergehe. „Die Konsolidierung ist mitten im Gange.“

Das Potenzial für Kontakt- und Partnervermittler ist groß. Rund zwölf Millionen Erwachsene leben in Deutschland ohne feste Beziehung, Tendenz steigend. Vor allem auf die jüngeren, digital affinen Jahrgänge haben es die Mobile-Dating-Portale abgesehen. Denn von den 18- bis 30-Jährigen hierzulande hat nach einer repräsentativen Studie der Internet-Plattform ElitePartner jeder zweite keinen festen Lebensgefährten – je jünger, desto single.

Die Offenheit dieser Altersklasse sowohl für mobile Dienste als auch für die Balz war für Benjamin Bak vor drei Jahren der Grund, Lovoo zu gründen. Der Dresdner, damals 24 Jahre jung, hatte mit seinem Unternehmen dampfer.net – einer Art Facebook für Ostdeutschland – schon Erfahrung mit sozialen Netzwerken gesammelt. Dann hörte er von einer App, die es Schwulen ermöglicht, mit dem Smartphone über die Funktion der Standortbestimmung Gleichgesinnte in der Nähe zu finden.

„Ich war fasziniert von dieser neuen Möglichkeit des digitalen Flirtens, aber für Heteros gab es so was noch nicht“, sagt Bak. Also entwickelte er mit sieben anderen Gründern ein Portal, auf dem sich Singles per Smartphone finden können. Lovoo war geboren. Auf den Namen kamen die Dresdner durch ein YouTube-Video, in dem ein Husky die Worte „I love you“ jault.

Heute flirten mit Baks App weltweit mehr als 11,3 Millionen junge Leute, davon die Hälfte in Deutschland. Die Nutzer sind im Schnitt 24 Jahre alt und zu zwei Dritteln männlich. Das Unternehmen mit 65 Mitarbeitern erlöst eine siebenstellige Summe im Monat, ist nach eigenen Angaben profitabel und gehört Bak und seinen sieben Kompagnons komplett, ohne dass sie fremde Geldgeber benötigen.

Laut Bak kommt der Umsatz von Lovoo je zur Hälfte aus Werbung und aus Einnahmen von den Nutzern. Wer den vollen Umfang des Liebeslotsen in Anspruch nehmen will, muss als Premium-Mitglied acht Euro im Monat überweisen. Rund 15 Prozent der Lovoo-Kunden tun das.

Wie in der Schießbude


Einer der großen Wettbewerbsvorteile der Mobile-Dating-Apps gegenüber den stationären Dating-Portalen ist das Angebot an neuen Funktionen. Neben dem Live-Radar ist bei den Nutzern das sogenannte Matchgame besonders beliebt. Hierbei sieht der Teilnehmer das Foto eines Flirtkandidaten und darüber drei verschiedene Entscheidungsmöglichkeiten: ja, nein, vielleicht. Interessiert sich der Handybesitzer für sein Gegenüber in der Nähe, drückt er auf „Ja“. Beruht das auf Gegenseitigkeit, jubiliert das Handy wie in einer Schießbude: „Volltreffer.“

Der spielerische Ansatz spricht ein Publikum an, das im digitalen Dating bisher eher einen Akt der Verzweiflung sah. Die amerikanische App Tinder etwa basiert auf dem Prinzip, Fotos von Fremden zu bewerten. Mehr als 800 000 Deutsche spielen mit.

Die drei großen Vermittler im stationären Internet, ElitePartner, Parship und eDarling, reden die Gefahr durch die mobilen Wettbewerber klein. Sie glauben, dass ihnen ihre Kundschaft – 35 Lenze aufwärts, am liebsten „mit Niveau“ – nicht auf Dating-Apps fremdgeht. „Unsere Nutzer haben wenig Zeit und klare Vorstellungen von ihrem Partner. Die wollen nicht lange suchen und viele Leute treffen, sondern eine langfristige Beziehung beginnen“, sagt eDarling-Gründer Lukas Brosseder. Lovoo oder Tinder seien für ihn keine ernst zu nehmenden Konkurrenten.

Dem widerspricht Branchenexperte Wiechers: „Die etablierten Flirtportale merken den Angriff des ‚Mobile Dating‘ bereits, nämlich durch weniger Registrierungen, weniger Seitenzugriffe und kürzere Nutzungszeiten“, sagt er. Nur wegen der langfristigen Abos der Nutzer seien noch keine Umsatzrückgänge zu verzeichnen.

Liebesgrüße aus Dresden

Als eine „Verzweiflungstat“ gegen die neue Konkurrenz wertet Wiechers etwa die Vertriebsoffensive der Internet-Kontaktböurse FriendScout24. Die Münchner verlangen von PC-Nutzern 40 Euro, in der neuen App dagegen gibt es alle Funktionen kostenlos. FriendScout24 ist zum Erfolg verdammt. Die Vermittlungsbörse ist Teil der Scout24-Holding, die der Telekom gehörte und 2013 zu 70 Prozent von dem US-Finanzinvestor Hellman&Friedman übernommen wurde. Der neue Scout24-Chef Greg Ellis hat wenig Interesse am Flirtgeschäft und will die Sparte verkaufen. Bislang hat sich aber noch kein Investor gemeldet.

Lovoo-Gründer Bak betrachtet den Wettbewerb mit anderen mobilen Vermittlern gelassen. „Wir sehen uns als Technologie-Unternehmen, das unterscheidet uns von anderen Dating-Anbietern“, sagt er. Während Parship oder eDarling künftige Paare mithilfe von Persönlichkeitstests zu finden versuchen, arbeitet Lovoo mit einem selbstlernenden Algorithmus. Dieser analysiert jeden Klick des Nutzers und speichert dessen Vorlieben. Auf diese Weise checkt das Handy, ob Anja Richtung Westen und Jacqueline im Norden überhaupt zu den Neigungen seines Besitzers passen.

Die Folge: Lovoo wird einem Single, der im Matchgame immer wieder 20-jährige Blondinen bevorzugt, keine brünetten Frauen reiferen Alters anbieten. Für Bak sind solche Flirtvorschläge „ehrlicher als Verkupplungsangebote, die auf selbst ausgefüllten Fragebögen beruhen“. Allerdings müssen die Nutzer ihr vollständiges Balzverhalten preisgeben.

Vorbild für derlei Big Data im Handtaschenformat ist US-Anbieter Zoosk, der es mit Algorithmen auf Basis von Massendaten zur weltweiten Marktführerschaft beim Mobile Dating gebracht hat. Das Start-up erfasst rund 200 Merkmale pro Nutzer.

Lovoo wird künftig mehr ältere Nutzer gewinnen und gleichzeitig die Alternden behalten müssen, sagen Experten. Dating-Spezialist Wiechers ist optimistisch, dass sich auch reifere Herren für die App aus Dresden interessieren. Der Live-Radar sei gerade für Geschäftsleute eine praktische Sache, um sich auf Reisen in Abenteuer zu stürzen. Denn die beliebteste Online-Lüge laute immer noch: „Ich bin Single.“

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