Dating-Portale Mit dem Smartphone auf Partnersuche

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Wie in der Schießbude


Einer der großen Wettbewerbsvorteile der Mobile-Dating-Apps gegenüber den stationären Dating-Portalen ist das Angebot an neuen Funktionen. Neben dem Live-Radar ist bei den Nutzern das sogenannte Matchgame besonders beliebt. Hierbei sieht der Teilnehmer das Foto eines Flirtkandidaten und darüber drei verschiedene Entscheidungsmöglichkeiten: ja, nein, vielleicht. Interessiert sich der Handybesitzer für sein Gegenüber in der Nähe, drückt er auf „Ja“. Beruht das auf Gegenseitigkeit, jubiliert das Handy wie in einer Schießbude: „Volltreffer.“

Der spielerische Ansatz spricht ein Publikum an, das im digitalen Dating bisher eher einen Akt der Verzweiflung sah. Die amerikanische App Tinder etwa basiert auf dem Prinzip, Fotos von Fremden zu bewerten. Mehr als 800 000 Deutsche spielen mit.

Die drei großen Vermittler im stationären Internet, ElitePartner, Parship und eDarling, reden die Gefahr durch die mobilen Wettbewerber klein. Sie glauben, dass ihnen ihre Kundschaft – 35 Lenze aufwärts, am liebsten „mit Niveau“ – nicht auf Dating-Apps fremdgeht. „Unsere Nutzer haben wenig Zeit und klare Vorstellungen von ihrem Partner. Die wollen nicht lange suchen und viele Leute treffen, sondern eine langfristige Beziehung beginnen“, sagt eDarling-Gründer Lukas Brosseder. Lovoo oder Tinder seien für ihn keine ernst zu nehmenden Konkurrenten.

Dem widerspricht Branchenexperte Wiechers: „Die etablierten Flirtportale merken den Angriff des ‚Mobile Dating‘ bereits, nämlich durch weniger Registrierungen, weniger Seitenzugriffe und kürzere Nutzungszeiten“, sagt er. Nur wegen der langfristigen Abos der Nutzer seien noch keine Umsatzrückgänge zu verzeichnen.

Liebesgrüße aus Dresden

Als eine „Verzweiflungstat“ gegen die neue Konkurrenz wertet Wiechers etwa die Vertriebsoffensive der Internet-Kontaktböurse FriendScout24. Die Münchner verlangen von PC-Nutzern 40 Euro, in der neuen App dagegen gibt es alle Funktionen kostenlos. FriendScout24 ist zum Erfolg verdammt. Die Vermittlungsbörse ist Teil der Scout24-Holding, die der Telekom gehörte und 2013 zu 70 Prozent von dem US-Finanzinvestor Hellman&Friedman übernommen wurde. Der neue Scout24-Chef Greg Ellis hat wenig Interesse am Flirtgeschäft und will die Sparte verkaufen. Bislang hat sich aber noch kein Investor gemeldet.

Lovoo-Gründer Bak betrachtet den Wettbewerb mit anderen mobilen Vermittlern gelassen. „Wir sehen uns als Technologie-Unternehmen, das unterscheidet uns von anderen Dating-Anbietern“, sagt er. Während Parship oder eDarling künftige Paare mithilfe von Persönlichkeitstests zu finden versuchen, arbeitet Lovoo mit einem selbstlernenden Algorithmus. Dieser analysiert jeden Klick des Nutzers und speichert dessen Vorlieben. Auf diese Weise checkt das Handy, ob Anja Richtung Westen und Jacqueline im Norden überhaupt zu den Neigungen seines Besitzers passen.

Die Folge: Lovoo wird einem Single, der im Matchgame immer wieder 20-jährige Blondinen bevorzugt, keine brünetten Frauen reiferen Alters anbieten. Für Bak sind solche Flirtvorschläge „ehrlicher als Verkupplungsangebote, die auf selbst ausgefüllten Fragebögen beruhen“. Allerdings müssen die Nutzer ihr vollständiges Balzverhalten preisgeben.

Vorbild für derlei Big Data im Handtaschenformat ist US-Anbieter Zoosk, der es mit Algorithmen auf Basis von Massendaten zur weltweiten Marktführerschaft beim Mobile Dating gebracht hat. Das Start-up erfasst rund 200 Merkmale pro Nutzer.

Lovoo wird künftig mehr ältere Nutzer gewinnen und gleichzeitig die Alternden behalten müssen, sagen Experten. Dating-Spezialist Wiechers ist optimistisch, dass sich auch reifere Herren für die App aus Dresden interessieren. Der Live-Radar sei gerade für Geschäftsleute eine praktische Sache, um sich auf Reisen in Abenteuer zu stürzen. Denn die beliebteste Online-Lüge laute immer noch: „Ich bin Single.“

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