DB Cargo Das Sorgenkind der Deutschen Bahn

Die Güterbahn verliert an Wettbewerbsfähigkeit. Quelle: Deutsche Bank

Die wirtschaftliche Lage bei der Güterbahn bleibt dramatisch. Das Unternehmen verlor erneut Umsatz. Ein Problem sind die Arbeitszeiten der Lokführer.

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Für viele Menschen ist der Job des Lokführers ein Traum, für andere ein Alptraum. Es ist nicht jedermanns Sache, stundenlang vorne im Führerstand zu sitzen und in stoischer Ruhe Güter durch die Republik zu fahren. Die Bezahlung ist auch nicht gerade üppig. Ein Lokführer verdient im Schnitt knapp 2700 Euro brutto pro Monat.

Doch zumindest in einem Punkt genießen Lokführer ein Privileg, das seinesgleichen sucht. Mitarbeiter im Führerstand bei DB Cargo haben das Recht, 36 Stunden nach Fahrtantritt wieder zu Hause zu sein. So regelt es ein Tarifvertrag zwischen der Deutschen Bahn und den Gewerkschaften.

Man mag dies sozialen Fortschritt nennen oder ökonomische Unvernunft. Fakt ist: Für die Güterbahntochter der Deutschen Bahn ist die Arbeitszeitregelung ein echtes Problem. Lokführer, die anderthalb Tage nach Fahrtantritt wieder zu Hause sein müssen, lassen sich kaum für längere Touren durch Deutschland einplanen. Eine Einsatzwoche mit mehreren Hotelübernachtungen hintereinander, wie in der Cargo-Fliegerei oder bei Lkw-Fahrern üblich, ist bei der Deutschen Bahn quasi undenkbar.

Eine Folge dieser unflexiblen Strukturen: Die Güterbahn verliert an Wettbewerbsfähigkeit. Die Geschäftszahlen von DB Cargo lassen jedenfalls keinen anderen Schluss zu. Der Umsatz sank im vergangenen Jahr um rund ein Prozent auf 4,5 Milliarden Euro. Das erfuhr die WirtschaftsWoche aus Aufsichtsratskreisen. Erneut verbuchte die Konzerntochter der Deutschen Bahn einen operativen Verlust, der dritte in Folge. Die wirtschaftliche Situation ist dramatisch. Zur Erinnerung: Deutschland erlebt gerade eine der längsten Boomphasen der Nachkriegszeit. Doch der Aufschwung kommt bei DB Cargo nicht an. Die Bahn-Sparte verliert seit Jahren Umsatz und Marktanteile. Das Unternehmen leidet zum einen, weil Großkunden etwa wegen der Energiewende unter Druck geraten. Kohletransporte, die traditionell über die Schiene laufen, nehmen ab. Ähnlich angespannt ist die Lage bei deutschen Stahlunternehmen, die wegen der weltweiten Überproduktion unter Druck geraten und immer weniger Stahl über die Schiene transportieren.

Außerdem hatte der Tunneleinsturz in Rastatt im August 2017 eine Vollsperrung der Güterstrecke vom Rheinland in die Schweiz zur Folge. Wochenlang konnte DB Cargo keine Güter über Deutschlands wichtigsten Güterkorridor transportieren. Umwege über Frankreich waren keine Lösung, da Lokführer dort französisch sprechen müssen. Lokführer von der französischen Staatsbahn SNCF standen kaum zur Verfügung.

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Doch das alleine erklärt die jahrelange Schwäche von DB Cargo nur zum Teil. Ein Großteil der Probleme ist hausgemacht. Die Loks und Waggons sind vergleichsweise alt. Innovationen wie automatische Kupplungsanlagen gibt es kaum. Digitalisierung ist in der Arbeitswelt von DB Cargo noch weitestgehend ein Fremdwort. Der Konzern müsste eigentlich Hunderte von Millionen Euro in die Erneuerung des Fuhrparks investieren.

Hinzu kommen die Arbeitszeitregelungen, die aus der Zeit gefallen scheinen. So gilt beispielsweise auch die Anreisezeit zum Einsatzort teilweise als Arbeitszeit. Die meisten Lokführer von DB Cargo legen einen Großteil ihrer Arbeitszeit daher in einem Personenzug als Fahrgast in einem Regionalexpress oder einem ICE zurück. Die Statistiken sprechen eine eindeutige Sprache: Nach Information der WirtschaftsWoche fahren Lokführer bei DB Cargo de facto nur ein Drittel ihrer Arbeitszeit tatsächlich Zug. Zählt man die Stunden dazu, in denen sie Züge vor- und nachbereiten, kommen sie auf etwa 50 Prozent effektive Arbeitszeit. Den Rest vertrödeln sie als Fahrgast auf dem Weg zur Arbeit. Nicht, weil Lokführer faul sind, sondern weil die Regelungen so sind wie sie sind.

Manager der Güterbahn fordern seit Jahren mehr Flexibilität vom fahrenden Personal. „Es gibt genügend junge Lokführer, die bereit wären, in einer Tour durch Deutschland zu fahren und in verschiedenen Städten zu übernachten“, sagt ein Manager. DB Cargo wäre bereit, ihnen auch mehr Geld zu bezahlen. So könnte DB Cargo deutlich wettbewerbsfähigere Umläufe planen. Doch bislang hätten sich die Gewerkschaften erfolgreich gegen Veränderungen bei den Arbeitszeiten gewährt. Die Gewerkschaften argumentieren dagegen, dass nicht die Arbeitsprivilegien der Mitarbeiter das Problem von DB Cargo seien. Stattdessen hätte es das Management versäumt, für eine Wachstumsstrategie zu sorgen. Tatsächlich sahen die Pläne bei DB Cargo lange Zeit vor, überflüssige Gleisanschlüsse zu kappen und die Kosten zu senken, um wettbewerbsfähiger zu werden. Hinzu kommt, dass DB Cargo unter gesetzlichen Vorgaben leidet, die eigentlich ins vergangene Jahrhundert gehören. Ein Lokführer darf nur auf jenen Strecken fahren, die er etwa ein halbes Dutzend mal vorab unter Anleitung gefahren ist. Streckenkenntnis nennt sich dieser Wettbewerbsnachteil gegenüber dem Straßentransport. Lkw-Fahrer dürfen durch ganz Europa fahren. Für diesen Umstand sind weder Management noch Arbeitnehmervertreter verantwortlich. Die Politik müsste reagieren.

Die Bundesregierung hat dagegen vor einem halben Jahr nur den Masterplan Schienengüterverkehr beschlossen. Güterbahnen sollen bald nur noch die Hälfte der Schienen-Maut zahlen. Das mag die Not bei DB Cargo lindern, aber kein dauerhafter Ausweg aus der Misere sein. Experten sind nämlich überzeugt, dass damit nur der Druck sinkt, die eigenen Strukturen wettbewerbsfähiger zu machen.

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