DB-Güterbahn Jede Fahrt eine planerische Herausforderung

Ein Güterzug fährt auf dem Gelände der DB Cargo AG. Quelle: dpa

Seit Jahren werden vergeblich mehr Güter auf der Schiene gefordert, denn überwiegend findet der Schwerverkehr auf der Straße statt. In Frankfurt kämpft eine kleine Mannschaft mit den Tücken des Systems Bahn.

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Ihre Konkurrenz haben Wolfgang Maier und seine Leute von der Güterbahn DB Cargo ständig im Blick. Am Frankfurter Autobahnkreuz rollen die Lastwagen in engen Kolonnen und am nahen Flughafen heben die Jets im Minutentakt ab. Im „Operation Center“ schlägt das Herz der DB Cargo, die von hier täglich rund 3000 Güterzüge durch 17 europäische Länder steuert. Zuletzt mit mäßigem wirtschaftlichen Erfolg, denn trotz des Dauerwachstums verlieren die Bahnen Anteile am gesamten Güterverkehr, drei Viertel der Transportleistung findet inzwischen auf der Straße statt.

Mit einem Marktanteil von knapp 50 Prozent auf der Schiene ist die deutsche Staats-Bahn hierzulande unbestrittener Marktführer und spielt auch in Europa eine große Rolle. In 17 Ländern ist DB Cargo selbst, über Töchter oder mit Partnerbahnen aktiv. Mehr als 60 Prozent ihres Güterverkehrs überquert mindestens eine Grenze. Allerdings ist ihre Transportleistung seit Jahren rückläufig, 2018 waren es noch rund 256 Millionen Tonnen und damit sechs Prozent weniger Güter als ein Jahr zuvor – zu Beginn dieses Jahrzehnts waren mehr als 400 Millionen Tonnen üblich.

Jedes Jahr fahren die Güterzüge rote Zahlen ein, 190 Millionen Euro betrug der operative Verlust (Ebit) im vergangenen Jahr. Nach Informationen des „Handelsblatts“ hat sich die Misere im ersten Quartal mit einem Minus von 79 Millionen Euro fortgesetzt. Die internen Pläne sehen trotz Modernisierungsplänen auch für das laufende und das kommende Jahr Verluste vor.

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Ein Blick ins Operation Center am Flughafen zeigt die Wettbewerbsnachteile der Schiene deutlich auf: Überlastete Netze und unterschiedliche Spurweiten und Spannungen des Betriebsstroms machen jede Fahrt zu einer planerischen Herausforderung. Der Kombi-Güterzug 5623 von Antwerpen nach Prusków bei Warschau wird immerhin schon von einer Lok gezogen, die sämtliche Stromsysteme auf der Strecke nutzen kann. Für die rund 1200 Schienenkilometer sind im Fahrplan 33 Stunden vorgesehen, inklusive sechs Lokführerwechsel.

Cargo-Gesamtbetriebsratschef Jörg Hensel sieht auch hausgemachte Fehler im Netz. So gingen sechs wichtige Europa-Güterkorridore durch Deutschland. Trotzdem habe die Bahn Verladestellen geschlossen und Überholgleise abgebaut. „Deswegen stehen die Güterzüge sich sehr häufig in den Bahnhöfen die Beine in den Bauch, weil sie gar nicht auf die Strecke kommen.“ Der Konzern lasse zudem das Einzelwagengeschäft sterben, obwohl es im Sinne des Klimaschutzes die klassische Alternative zum Lastwagen sei, kritisiert Hensel. Man wolle mit den Einzelwagen künftig wieder Geld verdienen, hält eine Cargo-Sprecherin dagegen.

Der erfahrene Disponent Manfred Prinz muss 43 Güterzüge auf einmal im Blick behalten. Vier Bildschirme und ein Telefon reichen dem 62-Jährigen in dem Frankfurter Büro aus, in Tabellen und Grafiken kann er schnell erfassen, wenn etwas schief läuft. Und es kann eine ganze Menge schief laufen: Kinder und Tiere im Gleis, Weichenstörungen, umgeknickte Bäume oder verzweifelte Menschen, die sich vor den Zug gestürzt haben. An diesem Abend hat es einen Brandanschlag auf Leitungen am Gleis in Bottrop gegeben. Ein kleineres Problem, weil im Ruhrgebiet viele Gleise zum Ziel führen und Prinz so schnell eine Umfahrung planen kann.

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Wie bei den Personenzügen hat das Schienensystem auch beim Gütertransport ein Pünktlichkeitsproblem. Nach Angaben des Bahnbeauftragten der Bundesregierung, Enak Ferlemann, waren im vergangenen Jahr 39,3 Prozent aller Güterzüge zu spät, sind also mindestens 16 Minuten nach Plan angekommen. Mit einem Verspätungsanteil von 27,2 Prozent hat sich die DB Cargo sogar noch vergleichsweise gut geschlagen.

Den rund 200 Disponenten in Frankfurt geht die Arbeit, die sie rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr verrichten, so schnell nicht aus. Ist ein Zug erst einmal verspätet, addieren sich schnell weitere Minuten auf, denn pünktliche Züge haben im Netz Vorrang. Fahren die Züge dem Plan mehrere Stunden hinterher, muss alles neu organisiert werden: Die freien Streckenabschnitte, die Lokführer, die Übergaben an die anderen Bahnbetriebe. Hilfreich sind umfassende Sprachkenntnisse, an den Telefonen wird häufig Englisch, aber gerne auch Polnisch gesprochen. „Das macht viele Sachen einfacher, wenn man die Leute in ihrer Landessprache ansprechen kann“, sagt Maier.

Das große Ganze im Blick hat Supervisor Darren Fawcett. „Ich muss immer schauen, was macht dieser verspätete Zug oder diese Gleissperrung im Gesamtnetz kaputt“, erzählt der 48 Jahre alte Brite. Zwei mal am Tag schaltet sich der Supervisor mit den Partnerbahnen zusammen, bei ganz großen Störungen wie Streiks oder Stürmen auch häufiger und ad hoc. „Wenn alles glatt läuft, haben wir hier alle nichts zu tun“, sagt sein Chef Wolfgang Maier. „Aber dafür sind wir nicht hier. Wir kämpfen um jeden Zug.“

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