Deag-Festival "Rock im Revier" könnte schon wieder umziehen

"Rock im Revier" könnte erneut verlegt werden. Im Gespräch soll etwa die Dortmunder Westfalenhalle sein. Dabei war das Festival erst 2015 kurzfristig nach Gelsenkirchen verlegt worden – der Ärger dauert bis heute an.

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Rockfestival

Ein kurzes Dementi ist alles, was Peter Schwenkow und seine PR-Leute derzeit zur Zukunft des Festivals „Rock im Revier“ preisgeben wollen, zu allen Detailfragen hüllt sich der Chef des Berliner Konzertveranstalters Deutsche Entertainment AG (Deag) lieber in Schweigen. Nein, das Festival Rock im Revier wird nicht auf mehrere Standorte im Ruhrgebiet verteilt, so viel teilt ein Sprecher von Schwenkow mit.

Auf die Frage, ob das Festival an einen anderen Standort verlegt wird oder – wie bislang geplant – sicher auf der Trabrennbahn in Gelsenkirchen stattfinden wird, antworten Schwenkow und seine Kommunikationsprofis trotz mehrfacher Nachfrage nicht mehr. Ein Sprecher bittet um Verständnis, dass „das Unternehmen keine Veranlassung sieht, seine detaillierten Veranstaltungsplanungen vertiefend und exklusiv mit der WirtschaftsWoche zu diskutieren.“

Auf der offiziellen Facebook-Seite des Festivals sehen sich die Macher schon heftiger Kritik von Fans ausgesetzt. Sie kündigen an, ihre Tickets zu verkaufen. Beklagen sich, dass es seit Wochen kaum Informationen gibt. Fragen sich, ob Rock im Revier überhaupt stattfinden wird. „Es gibt spätestens Anfang Februar ein Update von uns. Hab noch ein klein wenig Geduld!“, versuchten die Veranstalter am Donnerstag einen Kritiker zu besänftigen.

Doch die Sorgen der Fans sind wohl begründet: Nach Informationen der WirtschaftsWoche lotet die Deag Möglichkeiten für einen erneuten Umzug des Festivals aus. Mehrere Quellen bestätigen, dass der Berliner Veranstalter mit diversen Hallenbetreibern im Ruhrgebiet Gespräche geführt hat, ob sie für eine Ausrichtung zur Verfügung stehen. Die Westfalenhalle in Dortmund käme als neuer Ausrichtungsort in Frage, aber auch in Essen oder Oberhausen soll sich die Deag erkundigt haben.

Von Gelsenkirchen nach Dortmund?

Ein weiterer Umzug wäre ein harter Schlag für die Deag. Denn Rock im Revier, das im vergangenen Jahr erstmals stattfand, hat in seiner kurzen Existenz schon eine dramatische Entwicklung hinter sich. Geplant wurde das Festival als Nachfolgeveranstaltung des abgewanderten „Rock am Ring“ auf dem Nürburgring. Nach einem Zerwürfnis über die finanzielle Beteiligung der Nürburgring-Betreibergesellschaft an den Vorlaufkosten verlegte die Deag das Festival „Der Ring – Grüne Hölle Rock“ kurzfristig von der Rennstrecke in die Veltins-Arena nach Gelsenkirchen, mitsamt kostspieliger Bands wie Metallica.

Für das anstehende Festival vom 26. bis 28. Mai 2016 wechselte die Deag innerhalb Gelsenkirchens vom Stadion in den Gelsentrabpark. Als Top-Acts hat der Veranstalter bislang Bands wie Iron Maiden, Nightwish oder Slayer bekanntgeben. Nun aber steht vor der zweiten Auflage offenbar schon der dritte Umzug im Raum – und damit jede Menge zusätzliche Ungewissheit.

Das sind die beliebtesten Festivals
Platz 5: Nature One (64.000 Besucher)300 DJs legen alljährlich bei Nature One im Hunsrück auf. 64.000 Raver tanzten bei der letztjährigen Ausgabe des Electrofestivals unter anderem zu den Klängen von Paul van Dyk, Sebastian Ingrosso und Tom Novy. Quelle: Jochen Herrmann, Wikimedia Commons, CC BY SA 3.0
Platz 4: Hurricane Festival (73.000 Besucher)In der Lüneburger Heide wird es jeden Sommer laut: Beim Hurricane Festival traten letztes Jahr unter anderem Rammstein, die Arctic Monkeys und Paul Kalkbrenner auf. Dazu versammelten sich 73.000 Feiernde auf der Motorrad-Sandrennbahn Eichenring. Quelle: ASK, Wikimedia Commons, CC BY SA 3.0
Platz 3: Rock im Park (76.000 Besucher)Es ist der kleine Bruder vom Rock am Ring: Acht Jahre später gegründet, fand es 1993 zunächst unter dem Namen Rock in Vienna in Wien statt. Erst seit dem 1995 in München heißt es Rock im Park und findet seit 1997 in Nürnberg statt. Vergangenes Jahr zogen unter anderem The Killers, Green Day und 30 Seconds to Mars 72.000 Besucher an. Quelle: Heini Samuelsen, Wikimedia Commons, CC BY SA 2.0
Platz 2: Wacken Open Air (84.500 Besucher)Das Mekka der Heavy-Metal-Jünger liegt in Schleswig-Holstein. Das Örtchen Wacken zog allein vergangenes Jahr 84.500 Menschen an. Diese feierten bei „Wacken Open Air“ unter anderem zu den Auftritten von Anthrax, Motörhead und Rage against the Machine. Quelle: dpa
Platz 1: Rock am Ring (87.000 Besucher)U2, Chris de Burgh und Marius Müller-Westernhagen sorgten vor 29 Jahren bei der Erstauflage von „Rock am Ring“ für Stimmung. Seitdem entwickelte sich das Ereignis zu Deutschlands größtem Festival: 85.000 Menschen feierte vergangenes Jahr am Nürburgring zu Fettes Brot, Limp Bizkit, Moonbootica und Papa Roach. Das Foto zeigt den Auftritt der Sportfreunde Stiller. Dieses Jahr soll die Festivallegende ihr Ende finden: Der neue Nürburgring-Betreiber hat den Vertrag mit Veranstalter Marek Lieberberg gekündigt, der letzte Rock am Ring findet vom 5. Bis zum 8. Juni statt. Quelle: dpa

Der Ticketverkauf für Rock im Revier scheint nicht besonders gut zu laufen. Auf der offiziellen Webseite bietet die Deag auch dreieinhalb Monate nach dem Start des Ticketvorverkaufs noch das „limitierte Kontingent“ von Frühbuchertickets an. Wie groß das limitierte Kontingent ist, hat die Deag nicht mitgeteilt. Auf Anfrage zu den bisher verkauften Tickets wollte Vorstandschef Schwenkow der WirtschaftsWoche kürzlich keine Auskunft geben. Auf die Frage nach Gründen für mögliche Konzeptänderungen beim Festival gab Schwenkow nun auf erneute Nachfrage ebenfalls keine Antwort.

Ohrfeige vom Landgericht Koblenz

Massive Verluste in der Premierensaison der neuen Festivals haben in der Deag-Bilanz bereits tiefe Spuren hinterlassen. Der Ärger darüber dauert bis heute an, denn die Deag würde die Kosten am liebsten von der Nürburgring-Betreibergesellschaft sowie der Gothaer Versicherung zurückholen. Beide weisen die Forderungen der Deag jedoch zurück.

Eine Klage gegen die Nürburgring-Betreiber hat die Deag vorletzte Woche erstinstanzlich verloren und will nun weiter klagen. Doch die Niederlage in Koblenz ist kein gutes Zeichen – auch nicht für die weitere Klage gegen die Versicherung, die beim Landgericht Hamburg eingereicht wurde, aber bisher noch nicht einmal terminiert ist. Kern beider Klagen der Deag ist nämlich, dass der Nürburgring den Kooperationsvertrag gebrochen habe.

Die Koblenzer Richter erteilten der Deag bei ihrer ersten Teil-Forderung von 1,892 Millionen Euro gegen die Nürburgring-Betreibergesellschaft CNG jedoch eine klare Absage (Aktenzeichen: 9 O 113/15). „Die Klage wird abgewiesen“, so der Tenor ihres Urteils, „die Klägerinnen haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.“ Die Klägerinnen, das sind die Deutsche Entertainment AG (Deag) und ihre Tochter Wizard Promotion.

Liquiditätsklausel spielt eine zentrale Rolle

Die Deag müht sich, die Niederlage in einen Sieg umzudeuten. An Fachmedien wie „musikmarkt“ oder „MusikWoche“ verschickte der Konzertveranstalter eine Mitteilung und kündigte an, nun statt 1,892 Millionen Euro sogar 5,39 Millionen zu verlangen. Nachdem das Landgericht Koblenz den Anspruch auf Basis der Liquiditätsklausel abgelehnt hat, heißt es da, macht die Deag „nunmehr im Rahmen einer Endabrechnung den hälftigen Gesamtverlust der Veranstaltung gegenüber CNG geltend.“

Die Liquiditätsklausel spielt eine zentrale Rolle in der Auseinandersetzung. In der Kooperationsvereinbarung zwischen der Deag und der Nürburgring-Betreibergesellschaft ist geregelt, dass beide Seiten jeweils die Hälfte der erforderlichen Liquidität bereitstellen müssen, wenn die Erlöse aus dem Kartenvorverkauf nicht ausreichen, um anstehende Kosten zu decken. An anderer Stelle ist geregelt, dass Gewinn oder Verlust von Deag und Nürburgring ebenfalls hälftig geteilt werden.

Weil die CNG auf Anforderung keine Liquidität bereitgestellt habe, so die Argumentation der Deag vor dem Landgericht Koblenz, habe sie den Vertrag gebrochen. Dabei hatte die Deag aber nicht nur Liquidität für künftig anstehende Zahlungen gefordert, sondern auch einen Ausgleich für Kosten, die sie bereits vorgestreckt hatte. Das, so das Urteil des Landgerichts Koblenz, geht so allerdings nicht.

Gericht: Deag interpretierte Klausel falsch

In dem Urteil, das der WirtschaftsWoche inzwischen vorliegt, halten die Koblenzer Richter stattdessen der Deag vor, die Liquiditätsklausel falsch interpretiert zu haben. Diese sollte nämlich laut dem Gericht sicherstellen, dass zukünftig anfallende Ausgaben beglichen werden können. Eine Ausgleichsforderung für bereits gezahlte Vorleistungen ist für das Gericht nicht begründet.

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„Sinn der vertraglich vorgesehenen Anforderung von Liquidität ist es demgegenüber nicht, einen Ausgleich der bereits angefallenen Ausgaben zwischen den Parteien […] zu gewährleisten“, schreiben die Richter im Urteil. Die Klägerinnen könnten daher gestützt auf die Liquiditätsklausel „nicht den Ausgleich solcher Gagenzahlungen und anderer Ausgaben verlangen, hinsichtlich derer sie aus eigenen finanziellen Mitteln in Vorleistung getreten sind.“ Ein Vertragsbruch der CNG ergibt sich daraus nicht.

Die neue Forderung nach nun 5,39 Millionen Euro stützt die Deag auf die andere Klausel, nach der das Gesamtergebnis hälftig aufzuteilen ist. „Der Anspruch der Deag ergibt sich dabei nicht nur aus den vertraglichen Abrechnungsregelungen, sondern auch unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes“, heißt es in ihrer Mitteilung. Nun würden statt einer Teilforderung alle entstandenen Kosten geltend gemacht. „Diese belaufen sich bei einer hälftigen Verlustbeteiligung auf insgesamt 5,39 Mio. EUR, die von der CNG zu tragen sind.“

Streit um Festivalkosten wird Hardrock

Die CNG will sich offiziell nicht zu der neuen Forderung der Deag äußern, mit der Angelegenheit vertraute Personen lassen aber durchklingen, dass die Nürburgring-Betreiber auch dieses Ansinnen zurückweisen und sich dagegen verteidigen werden. Der Streit um die Kosten wird Hardrock: Es zeichnet sich ein langer und heftiger Rechtsstreit ab – mit höchst ungewissem Ausgang.

Das Landgericht Koblenz jedenfalls lässt in seinem Urteil offen, ob die Deag und ihre Tochter Wizard nun einen solchen Anspruch haben oder nicht. Es schreibt zur vorgesehenen hälftigen Verteilung von Gewinn und Verlust nur im Konjunktiv – und lässt legt sich nicht fest, ob der Anspruch der Deag besteht, da sie keine Gesamtabrechnung vorgelegt hatte: „Soweit die Klägerinnen einen Anspruch […] auf Beteiligung der Beklagten an einem entstandenen Verlust haben könnten, wird dieser mit der vorliegenden Klage nicht geltend gemacht.“

Heißt im Klartext: Die Deag muss erst noch darlegen, dass ihre Ansprüche tatsächlich gerechtfertigt sind. Nach der Erwiderung der CNG auf die erste Klage der Deag ist allerdings schon klar, dass das alles andere als ein Selbstläufer wird. CNG-Anwältin Sophia Habbe von der Kanzlei Noerr setzt sich auf knapp 100 Seiten jede einzelne Position der bislang vorgelegten Kosten dezidiert auseinander.

Nürburgring-Betreiber sehen Schuld bei der Deag

Habbe rügt etwa, dass die Deag selbst zahlreiche ihrer vertraglichen Pflichten verletzt habe. Die Nürburgring-Betreiber lasten der Deag einen verspätet gestarteten und nicht hinreichenden Kartenvorverkauf an, ein unzureichendes Marketingkonzept, verspätete Sponsorenakquise, eine verspätete Zusammenstellung des Bandprogramms. Die Deag wollte auf Fragen der WirtschaftsWoche zu den Vorwürfen der CNG nicht Stellung nehmen.

Weil auch die CNG Vorbereitungskosten hatte, heißt es in ihrem Umfeld, ziehe sie sogar in Erwägung, ihrerseits Schadenersatz von der Deag zu verlangen. CNG-Anwältin Habbe kritisiert in ihrer Erwiderung zudem unsortierte Rechnungen und diverse Rechenfehler in der Deag-Klage. Eine Position erscheine ihr als „wahllos zusammengesuchte Blättersammlung an Rechnungen“, an anderer stelle bemängelt sie, dass Zahlungsnachweise völlig fehlen würden. „Handschriftliche Notizen“ auf vorgelegten Rechnungen und Kostenaufstellungen, die „auf angebliche Zahlungen hinweisen sollen“, seien „jedenfalls nicht zum Nachweis geeignet, dass tatsächlich entsprechende Zahlungen bewirkt wurden.“ Im Ergebnis weist die CNG praktisch alle von der Deag geforderten Beträge zurück.

Das bedeutet für die weiteren Rechtsstreitigkeiten nun nicht, dass die Auffassung der CNG auch in allen Punkten vor Gericht standhalten wird. Die dezidierte Abarbeitung in der Erwiderung lässt allerdings darauf schließen, dass es zwischen Deag und CNG noch zünftige Auseinandersetzungen um jede einzelne Position geben wird.

In CNG-Kreisen heißt es, dass man sich über eine Gesamtabrechnung trefflich streiten könne. „So was kann gerne mal ein paar Jahre dauern“, sagt eine mit der Angelegenheit vertraute Person. Nicht nur deshalb dürfte der Ärger mit den Rockfestivals die Deag noch lange verfolgen.

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