Die Deutsche Entertainment AG (Deag) hat vor ihrer Hauptversammlung kaum etwas im Angebot, was Anlegerherzen höher schlagen lässt. Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor, dass die Dividende gestrichen wird – im Vorjahr hatte es noch zwölf Cent je Aktie gegeben.
Der Aktienkurs hat schwer gelitten, von 8,08 Euro Ende Februar ist er um rund 30 Prozent abgestürzt und pendelt aktuell um 5,60 Euro. Der Nettogewinn im zurückliegenden Geschäftsjahr 2014 lag mit 1,02 Millionen Euro nur marginal über dem Vorjahresergebnis (0,98 Millionen Euro), die Nettorendite auf den Umsatz somit 2014 bei schmalen 0,59 Prozent. Vor allem aber ist da diese dramatische Warnung im Geschäftsbericht.
Mit drei neuen Rockfestivals wollte die Deag um Vorstandschef Peter Schwenkow groß expandieren, am Nürburgring, in München und Wien sollten Rockfans neue Wachstumstreiber werden. Doch der Treiber wurde zur Bürde.
„Sollten die Umsätze und die damit verbundenen tatsächlichen Zahlungsmittelzuflüsse aus den Ticketverkäufen für die Festivals deutlich von den Prognosen abweichen“, warnt der Deag-Vorstand im Geschäftsbericht, könnte eine Liquiditätsunterdeckung eintreten und die Deag auf die Erschließung neuer Finanzierungsquellen wie Fremdkapital (zum Beispiel Kredite) oder Eigenkapital (etwa eine Kapitalerhöhung) angewiesen sein. „Sollte dies dann nicht in ausreichendem Maße gelingen, wären die Gesellschaft und der Konzern im Bestand gefährdet.“
Die zehn größten Musikfestivals nach Umsatz 2014
Das Bravalla Festival in Schweden zog im vergangenen Jahr fast 60.000 Besucher an. Die spülten 16,3 Millionen US-Dollar in die Kassen der Betreiber.
Quelle: Pollstar
70.000 Besucher lockten die Betreiber von Rock im Park im vergangenen Jahr nach Nürnberg. Damit machten sie einen Umsatz von 16,7 Millionen US-Dollar.
Das Lollapalooza Chile spielte einen Umsatz von 16,8 Millionen US-Dollar ein. Verkauft wurden dafür 110.000 Tickets.
Zum Stagecoach in den USA kamen 190.000 Besucher. Die Betreiber machten damit im vergangenen Jahr einen Umsatz von 18,6 Millionen US-Dollar.
Das Outside Lands Music & Arts Festival in San Francisco lockte mehr als 200.000 Besucher. Der Umsatz betrug 19 Millionen US-Dollar.
Rock am Ring ist das größte deutsche Festival. Im vergangenen Jahr kamen 82.000 Besucher zum Nürnburgring und sorgten für einen Umsatz von mehr als 20 Millionen US-Dollar.
Das Lollapalooza in den USA lockte vergangenes Jahr 300.000 Festival-Besucher. Die Betreiber machten einen Umsatz von 28,8 Millionen US-Dollar.
Zehn Millionen US-Dollar mehr spielte Austin City Limits Music in den USA ein. 450.000 Tickets verkauften die Veranstalter.
Das zweit-umsatzstärkste Festival der Welt ist das Mysteryland – ein Festival das ebenfalls in den USA stattfindet. 48 Millionen US-Dollar betrug der Umsatz 2014. Verkauft werden mussten dafür nur 40.374 Tickets.
Das umsatzstärkste Festival der Welt ist das Coachelle Valley Music & Arts Festival. 579.000 Besucher generierten vergangenes Jahr einen Umsatz von 78 Millionen US-Dollar.
Ein Absatz, lauter und dramatischer als manches Gitarrensolo auf einem Hardrock-Konzert. Die Wirtschaftsprüfer schränkten aufgrund der aus ihrer Sicht unkalkulierbaren Risiken das Testat für den Jahresabschluss ein und nahmen die Warnung in ihren Bestätigungsvermerk auf. Der Satz hallt bis morgen nach, wenn sich die Aktionäre der Deag in Berlin zur Hauptversammlung treffen. Es dürfte turbulent werden, schließlich sind einige Punkte von Brisanz zu diskutieren.
Deag will keine Journalisten dabei haben
Die Bilder von den Festivals zeigen große Lücken auf den Tribünen, selbst in München, wo es verhältnismäßig noch am besten lief, insbesondere aber in der Arena Auf Schalke, wohin das Nürburgring-Festival nach einem Zerwürfnis mit dem Rennstreckenbetreiber kurzfristig verlegt wurde. Wegen des geplatzten Nürburgring-Festivals hat die Deag beim Landgericht Koblenz Schadenersatzklage gegen die Nürburgring-Betreiber eingereicht, es geht um rund zwei Millionen Euro, die Deag wirft dem einstigen Partner Vertragsbruch vor. Die Gegenseite hält den Anspruch für unbegründet und sieht sich ihrerseits von der Deag getäuscht.
Wie viele Tickets für die drei Festivals jeweils verkauft worden sind, welchen Gewinn oder Verlust es jeweils gab, ob nach Durchführung der Festivals das Risiko einer möglichen Bestandsgefährdung weiterhin besteht – all das sind spannende Fragen, auf die die Deag auf Anfrage aber keine Antworten geben will.
„Zu den von Ihnen gewünschten Auskünften darf ich anmerken, dass die DEAG in dem von Ihnen gewünschten Detailgrad bezogen auf einzelne Veranstaltungen bisher keine Informationen veröffentlicht hat und dies auch weiterhin so handhaben wird“, teilt ein Sprecher mit. Er fügt noch hinzu: „Bitte beachten Sie, dass die DEAG jedes Jahr rund 2.000 Veranstaltungen durchführt.“
Die Auskunftsbereitschaft hält sich in engen Grenzen, und überhaupt hat die Deag mit kritischem Journalismus so ihre Schwierigkeiten. Der WirtschaftsWoche, die mehrfach über die Probleme der Deag mit ihren neuen Festivals berichtet hatte, will die Deag keine Akkreditierung für die Hauptversammlung geben. Auch die Süddeutsche Zeitung, die ebenfalls kritisch über die Festivals geschrieben hatte, soll draußen bleiben.
Aktionärsvereinigung DSW kritisiert Vorstand
Auf eine entsprechende Anfrage der WirtschaftsWoche teilt der Sprecher mit: „Leider ist eine Akkreditierung für die Hauptversammlung der DEAG am 25. Juni nicht möglich. Die Hauptversammlung soll den Aktionären des Unternehmens unbeeinflusst durch die Präsenz Dritter einen offenen Meinungsaustausch ermöglichen.“
Auf Nachfrage, ob dies bei der Deag üblich sei und auch in den vorangegangenen Jahren so gehandhabt wurde, antwortet er: „Der von mir skizzierte Charakter der Hauptversammlung gilt stets für die Hauptversammlung der DEAG, entsprechend unterscheidet sich 2015 nicht von den Vorjahren.“
Nicht ausweichen kann Vorstandschef Schwenkow allerdings seinen Aktionären. Für die Debatten mangelt es nicht an Brisanz. Über den Jahresabschluss 2014 mit seinem teilweise verweigerten Testat wird es sicherlich Diskussionen geben, auch wenn die Tagesordnung nur eine Erläuterung vorsieht, keine Beschlussfassung. Anlegerschützer üben Kritik an der Arbeit des Vorstands.
„Durch die Probleme bei den Festivals ist es zweifelhaft, ob die Deag 2015 ein gutes Ergebnis erzielen kann“, sagt Rechtsanwalt Malte Diesselhorst, der Vorsitzende des Landesverbands Berlin-Brandenburg bei der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. „Es gibt zur Situation der Deag eine Reihe offener Fragen, auf die der Vorstand klare und nachvollziehbare Antworten geben muss."
Der Vorstand hat zwar bereits angekündigt, die Festivals auch im kommenden Jahr wieder zu veranstalten, Diesselhorst gefällt das allerdings nicht. „Im Festivalmarkt kann man gutes Geld verdienen, wenn die Strategie aufgeht. Wenn sie das nicht tut, kann es gefährlich werden. Uns stellt sich die Frage, ob die Deag überhaupt in der Lage ist, Risiken dieser Größenordnung zu tragen. Vielleicht ist sie dafür auch zu klein.“
Die längerfristige Ergebnisentwicklung sieht er ebenfalls kritisch. „In den Vorjahren waren die Resultate auch nicht berauschend“, sagt Diesselhorst, „die Deag schafft es nicht, langfristig stabile Eigenkapitalrenditen zu erwirtschaften. Immer wieder sind Probleme aufgetaucht, die das Ergebnis verhagelt haben.“
Peter Maffay springt offenbar bei Deag ab
Kurz vor der Hauptversammlung platzt derweil noch eine andere Nachricht in die angespannte Lage: Peter Maffay, einer der prominentesten Musiker im Deag-Aufgebot und mit „Tabaluga“ auch Erfinder einer erfolgreichen Kindershow, wird die Deag wohl verlassen. Eine Mitarbeiterin der Kölner Roland Temme Konzertveranstaltungsgesellschaft mbH & Co. KG (RTK) bestätigte der WirtschaftsWoche auf Anfrage, dass RTK 2016 Veranstalter der Konzerte von Peter Maffay sein wird. Maffays Management wie auch die Deag äußerten sich auf Anfrage nicht dazu.
Die Deag setzte zuletzt stark auf Altstar Maffay. Anfang des Jahres spielte Maffay gut einen Monat lang eine Hallen-Tournee, aktuell tourt Maffay unter dem Slogan „Niemals war es besser“ mit der Deag, hat Open-Air-Auftritte in ganz Deutschland. Zum Ende der Hallen-Tour im Februar sagte Schwenkow: „Peter Maffay und seine Band sind so ziemlich das Beste, was man als Veranstalter in Deutschland auf die Bühne bringen kann und wir freuen uns jetzt schon auf einen heißen Rock-Sommer!“ Der dürfte nun allerdings auch eine heiße Hauptversammlung mit sich bringen.