Debatte über Staatshilfen Woche der Wahrheit für Lufthansa

Die Lufthansa ist durch die Corona-Pandemie in massive finanzielle Schwierigkeiten geraten. Quelle: dpa

Ein Einbruch im Passagiergeschäft um 99 Prozent, jede Stunde eine Million Euro Verlust. Die Corona-Pandemie hat die Lufthansa in die größte Krise ihrer Geschichte gestürzt. Konzernchef Spohr kämpft an vielen Fronten.

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Die Lufthansa steht vor einer Woche der Wahrheit. Eine Entscheidung über milliardenschwere Staatshilfen - und deren Bedingungen - rückt näher, der Dax-Konzern verhandelt bereits seit längerem wegen der weitreichenden Folgen der Corona-Pandemie mit der Bundesregierung. „In diesen Tagen wird über die Zukunft der Lufthansa entschieden“, will Konzernchef Carsten Spohr laut vorab veröffentlichtem Redetext bei der Hauptversammlung am 5. Mai sagen.

Die Lufthansa verhandelt über Staatshilfen in Höhe von insgesamt rund zehn Milliarden Euro. Im Gespräch ist dem Vernehmen nach, dass ein Teil davon als stille Beteiligung fließt und der Bund dafür gut 25 Prozent der Anteile erhält und auch im Aufsichtsrat vertreten ist.

Spohr hatte allerdings einen größeren Einfluss des Staates auf das Unternehmen zuletzt abgelehnt - und wird dies auch bei der Aktionärsversammlung tun, die wegen der Corona-Krise nur im Internet übertragen werden soll. „Wir sind unverschuldet in diese Krise geraten. Jetzt brauchen wir staatliche Unterstützung. Aber wir brauchen keine staatliche Geschäftsführung“, sagt er laut Manuskript.

Dafür bekommt Spohr Schützenhilfe aus der Politik. „Die Hilfen des Staates sind für die schnelle Überwindung der Krisen vorgesehen“, sagte der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger, der Deutschen Presse-Agentur. Direkte Staatsbeteiligungen kämen „nur als absolute Ausnahme infrage“. Steiger warnte, die Politik dürfe sich keinen dauerhaften Einfluss auf Unternehmen sichern. „Wenn jetzt Teile der Bundesregierung diese Anfrage nutzen wollen, um sich erheblichen Staatseinfluss auf dieses Unternehmen zu sichern, ist das ein seltsames Gebaren aus der Politik“, sagte der Chef des CDU-nahen Verbands. Ähnlich äußerten sich Vertreter der Unionsfraktion im Bundestag sowie der FDP.

Und auch die Flugbegleitergewerkschaft Ufo stellte sich hinter den Vorstand. Ufo-Geschäftsführer Nicoley Baublies, einst selbst Mitglied im Kontrollgremium und oft ein scharfer Kritiker von Spohr, sagte der „Welt am Sonntag“: „Im operativen Geschäft bieten Staatsvertreter im Aufsichtsrat keinen Mehrwert.“ Der dpa sagte Baublies, solche Posten könnten schnell zur Symbolik verkommen. „Aufsichtsräte aus der Regierung ersetzen keine Vorgaben zu Kündigungsschutz, Mitbestimmung und weiteren wichtigen Punkten unseres Positionspapiers zur Staatsbeteiligung.“

Gegenwind bekommt die Lufthansa allerdings von der SPD. „Der Staat ist nicht der dumme August, der das Geld gibt und dann nichts zu melden hat“, sagte Carsten Schneider, erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, der Zeitung „Die Welt“ (Montag). „Wer für sein Unternehmen staatliche Unterstützung beantragt, der wird auch bestimmte Bedingungen erfüllen müssen.“ Es gehe nicht um Einflussnahme auf den Flugplan, sondern etwa darum, ob ein angeschlagenes Unternehmen zum Beispiel Dividende zahle.

Das Dilemma des Konzerns ist groß: Von rund 760 Flugzeugen stehen etwa 700 am Boden, 3000 Flüge pro Tag sind gestrichen, mehr als 80.000 der insgesamt 130.000 Mitarbeiter sind in Kurzarbeit, statt 350.000 Passagieren täglich fliegen nun nur etwa 3000 mit der Lufthansa und ihren Konzerntöchtern. Derzeit verfügt die Lufthansa noch über mehr als vier Milliarden Euro Liquidität. Doch jede Stunde verliert sie aufgrund des Stillstands operativ eine Million Euro.

Aus Regierungskreisen hieß es zuletzt, die Gespräche dauerten an. „Wir sprechen mit der Bundesregierung und der KfW intensiv über Liquiditätshilfen für unser Unternehmen“, so Spohr. Doch die Bundesregierung ist nicht der einzige Ansprechpartner. Wegen der Töchter Austrian Airlines (AUA), Brussels Airlines, Swiss und Edelweiß muss Spohr auch mit den Regierung von Österreich, Belgien und der Schweiz reden.

Während es aus Bern bereits die Zusage für einen milliardenschweren Kredit gibt, dauern die Verhandlungen mit Wien an. Österreichs Finanzminister Gernot Blümel zeigte sich von den jüngsten Gesprächen, an denen auch Bundeskanzler Sebastian Kurz teilnahm, zufrieden. Er verlangt aber Zusicherungen und Garantien für das AUA-Drehkreuz Wien.

Auch die belgische Regierung fordere nicht nur solide Garantien für die Tochterfirma Brussels Airlines im Gegenzug für 290 Millionen Euro als Liquiditätshilfe, berichteten die Zeitungen „L'Echo“ und „De Tijd“ am Samstag. Ministerpräsidentin Sophie Wilmès habe in einem Brief an Spohr zudem eine detaillierte Wachstumsperspektive sowie bezifferbare Ziele zur Entwicklung des Brüsseler Flughafens als Drehkreuz angemahnt. Zur Debatte stehe auch eine Beteiligung des belgischen Staats mit einem möglichen Vetorecht bei der Unternehmenspolitik, etwa bei Reisezielen, so die Zeitungen weiter.

In Deutschland fordern die Linksfraktion im Bundestag und Umweltschützer, staatliche Hilfen an Forderungen zu koppeln. „Steuermilliarden für die Lufthansa darf es nur gegen Zusagen beim Klimaschutz geben“, sagte Greenpeace-Verkehrsexperte Benjamin Stephan am Sonntag. „Steigt die Bundesregierung jetzt bei der Lufthansa ein, muss sie auf Mitspracherecht bestehen und damit Inlandsflüge stoppen und eine Beimischungsquote für alternative Kraftstoffe durchsetzen.“

Der Linken-Haushaltspolitiker Victor Perli mahnte, eine Vereinbarung mit dem Bund müsse den Erhalt von Arbeitsplätzen sowie Klimaziele beinhalten. „Eine Umstrukturierung des Konzerns auf dem Rücken der Beschäftigten ist nicht zu akzeptieren. Die Lufthansa muss im Gegenzug zu den Staatshilfen ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden“, sagte Perli.

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