Der Anfang von Eurowings Alle falschen Lösungen ausprobiert

Der Aufbau der neuen Eurowings ist der wohl größte Strategiewechsel der Lufthansa. Noch vor drei Jahren war er undenkbar. Er ist aber nur das neueste Kapitel in einer bewegten Geschichte.

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Stewardessen vor einem Flugzeug von Eurowings. Quelle: dpa

Lufthansa gründete ihren Billigableger Germanwings im Jahr 2002. „Low Cost“ war damals zumindest den Chefs von Traditionslinien fremd wie das Internet. Als das Kölner Stiefkind dann wider Erwarten florierte, drangen viele Mitarbeiter und Analysten darauf, Germanwings alle Flüge abseits der Drehkreuze Frankfurt und München zu übergeben. Denn der dezentrale Verkehr der Lufthansa war der Billigkonkurrenz hoffnungslos unterlegen, weil die Kosten pro Kilometer bis zu dreimal so hoch waren wie beim Billigmarktführer Ryanair.

Die Konzernspitze entschied anders. Sie drehte Germanwings mehr oder weniger das Geld für Wachstum und neue Flugzeuge ab. Weil die Rheinländer mit der Firmenzentrale im Bürocontainer weiter Erfolg hatten, sorgte Carsten Spohrs Vor-Vorgänger im Amt des Lufthansa-Chefs, Wolfgang Mayrhuber, sogar für Ballast.

Germanwings musste neben dem eigenen Vielfliegerprogramm Boomerang Club das teure Miles & More übernehmen und weite Teile des Personals in die ebenso überholten wie teuren Konzerntarifverträge holen. Als auch das Germanwings nicht klein bekam, versuchte Spohr – damals noch Chef der Marke Lufthansa – ihr durch interne Konkurrenzmodellen mit Leiharbeitern zuzusetzen. Ein Schritt, den Spohr inzwischen als Fehler eingesteht.

Erst als Verluste in der dezentralen Fliegerei auf bis zu eine Viertelmilliarde Euro pro Jahr wuchsen, durfte Germanwings billig sein und dezentral fliegen. Es ist das gleiche Prinzip, mit dem der britischen Ex-Premierminister Winston Churchill mal die US-Außenpolitik beschrieben hatte, lästert ein Lufthansa-Aufsichtsrat. „Sie findet immer die richtige Lösung, nachdem sie zuvor fast alle falschen ausprobiert hat.“

Nachdem Germanwings im Jahr 2014 den dezentralen Verkehr bekommen hatte, durfte die Linie, soweit es ging, Konzernstrukturen abwerfen. Sie konnte sich von teuren Buchungssystemen und den komplizierten Flugplänen verabschieden, die wegen der übertriebenen Rücksicht auf Umsteigepassagiere den Jets lange, kostspielige Bodenzeiten verpassten. Schließlich startete Spohr mit den Gewerkschaften den zu lange verschobenen Kampf um teure Arbeitsbedingungen oder Pensionsregelungen.

Als das zunächst keinen Erfolg hatte, gab er – anders als seine Vorgänger – nicht nach, sondern schaltete auf Konfrontation. Wichtigster Schritt dabei war die Gründung einer Tochter in Österreich, die als ein Druckmittel dienen sollte, um die deutschen Gewerkschaften in den Tarifverhandlungen gefügiger zu machen. „Künftig vergeben wir die Flugaufträge an die günstigste Fluglinie Tochter“, so Spohrs Vorgabe.

Das hat gewirkt. Am Dienstag wird Matthias Platzeck seinen Vorschlag zur Lösung des Tarifkonflikts für das Kabinenpersonal vorstellen. Bereits jetzt ist aus der Lufthansa wie aus Gewerkschaftskreisen zu hören, dass das Paket aus Löhnen und Arbeitszeitregelungen bei Eurowings für ähnliche Kosten wie bei Billigfliegern sorgen wird. „Da braucht es in der Hinsicht eine Eurowings Österreich eigentlich nicht mehr“, heißt es aus Gewerkschaftskreisen.

Kein Problem haben die Gewerkschaften im Moment mit den neuen Partnern, auch wenn diese aus Ländern mit niedrigeren Löhnen kommen. Solange es nur um niedrige Gehälter geht und nicht darum, Standards wie Kündigungsschutz oder Krankengeld auszuhebeln, so die Gewerkschaftskreise, sei das akzeptabel.

So bleibt am Ende für Spohr nur noch ein Schönheitsfehler: Auch den Tarifkonflikt mit den Piloten für den ganzen Konzern zu beenden. Doch das Hindernis sieht die Lufthansa nicht als entscheidend an. „Für Eurowings haben wir Verträge, mit denen wir arbeiten können“, heißt es im Konzern.

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