Der Fall Tebartz-van Elst In der Kirche herrscht viel Vertrauen, aber wenig Kontrolle

Einzelfall oder Methode? Der Skandal um den Limburger Bischof hinterlässt die Frage, wie frei die Kirchen mit dem Geld ihrer Mitglieder umgehen können.

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31 Millionen Euro, für die Privatgemächer eines Bischofs? Quelle: dpa

31 Millionen Euro, für die Privatgemächer eines Bischofs. Arend de Vries kann die Zahl aus Limburg  immer noch nicht recht fassen. "Die gesamte Sanierung des tausendjährigen Doms in Hildesheim kostet uns 17 Millionen Euro", sagt de Vries, geistlicher Leiter des Landeskirchenamts Hannover, der mitgliederstärksten Synode in Deutschland.  Auch die zweite große Investition des evangelischen Verbandes, die Sanierung des Klosters Loccum, wo ab 2018 der gesamte Nachwuchs der Landeskirche ausgebildet werden darf, kostet deutlich weniger als 20 Millionen Euro. Noch viel wichtiger aber ist de Vries die Erkenntnis: "In der Evangelischen Kirche herrscht in Finanzfragen volle Transparenz."

Welchen Institutionen die Deutschen vertrauen
Platz 12: ParteienDas geringste Vertrauen haben die Deutschen mit gerade einmal 16 Prozent in ihre Parteien – mal wieder. Regelmäßig landen die Parteien im Vertrauensranking auf dem letzten Platz. Die in letzter Zeit sich häufenden Plagiatsaffären bekannter Politiker sind nicht gerade hilfreich dies zu ändern. Auch die Kredit-Affäre um die ehemaligen Bundespräsidenten hat dem Image der Politik und der Parteien geschadet.Alle Werte stammen aus einer Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung. Die vollständige Studie finden Sie hier. Quelle: dpa
Platz 11: Internationale KonzerneGerade einmal 26 Prozent vertrauen noch den größten Arbeitgebern im Land. Oft haben große Unternehmen mit Korruptions-Affären das Vertrauen vieler Anleger verspielt. In Deutschland kämpfte Siemens lange Zeit mit kompromittierenden Nachrichten bezüglich nebulöser Geldflüsse. Auch Volkswagen und Porsche gerieten in den Fokus, als Porsche Ambitionen meldete den viel größeren VW-Konzern zu übernehmen. Eon und RWE geraten immer wieder unter Verdacht die Energiewende mithilfe der Politik auf die Verbraucher abzuwälzen. Quelle: dapd
Platz 10: InternetNur etwas mehr als jeder dritte Deutsche (34 Prozent ) vertraut dem World Wide Web. Vielen ist es unbehaglich, dass sich schnell wachsenden Internetunternehmen wie Google oder Facebook in ihre Privatsphäre einnisten und ihre Nutzer zunehmend ausspähen. Sei es Google Steet View oder das soziale Netzwerk Facebook, dass persönliche Daten auch nach Löschung eines Account behält. Dass wofür das Internet eigentlich sorgen sollte, verhindern gerade die Pioniere des Internets. Die Transparenz. Denn für die Internetnutzer ist nur schwer nachvollziehbar, was die Riesenfirmen mit ihren Daten anstellen. Quelle: dpa
Platz 9: RegierungMit diesem Ergebnis wäre Angela Merkel wohl nicht Bundeskanzlerin geworden. Nur 34 Prozent der Deutschen vertrauen der derzeitigen Regierungen. Die Bundeskanzlerin leidet unter demselben Problem wie das Internet. Mangelnde Transparenz lässt viele deutsche Wähler gegenüber der Fähigkeit und Ehrlichkeit misstrauisch werden. Immerhin zeigt sich im Vergleich zum Vorjahr eine leichte Verbesserung. 2012 lag das Regierungsvertrauen bei gerade einmal 29 Prozent. Quelle: AP
Platz 8: EuroIn diesen Jahr als neue Kategorie hinzugefügt wurde der Euro. Die Gemeinschaftswährung belegt einen Platz im unteren Mittelfeld. 38 Prozent der Befragten vertrauen dem Euro. In Zeiten der Krise der europäischen Gemeinschaftswährung ein beachtlicher Wert. Quelle: dpa
Platz 7: KirchenIm letzten Jahr sorgten zahlreiche Missbrauchsfälle in kirchlich geführten Internaten für internationale Empörung. Priester und Bischöfe, die als moralische Instanz gelten, haben sich an Kindern vergriffen. Die komplette Aufklärung, die die Kirchenoberhäupter in Deutschland versprachen, folgte nicht. Im Gegenteil: In die Aufklärung eingebundene Wissenschaftler wurden entlassen, weil die Ergebnisse nicht den Vorstellungen der Kirche entsprachen. In der Folge traten viele Deutsche aus der Kirche aus, das Vertrauen in die Institution sank auf 39 Prozent. Quelle: dpa
Platz 6: MedienIm Vergleich zum Vorjahr ist das Vertrauen in die Medien mit 43 Prozent leicht gesunken. Insgesamt ist die Lage in der Medienlandschaft keine einfache. Besonders Zeitungen leiden unter dem Siegeszug des Internets. Daran sind die großen Verlage aber nicht ganz unschuldig. Unüberlegt haben sich alle Zeitungen während des Internet-Hypes auf das neue Format geworfen ohne wirklich funktionierende Strategien zu entwickeln. Die Nachwehen dieser Euphorie bekommen sie nun zu spüren. Quelle: dpa

De Vries spricht damit den Punkt an, der Gläubige wie Steuerzahler am Skandal um die Bauprojekte des Limburger Bischofs Tebartz-van Elst am meisten schockiert: Wie kann es sein, dass eine einzelne Person über so viel anvertrautes Geld mehr oder weniger frei verfügt? Und könnte das auch an anderen Standorten und bei der evangelischen Kirche passieren? Ja, es könnte überall passieren - aber nur wenn es sich um ein katholisches Bistum handelt.

Dabei verfügen beide Kirchen im Kern über die gleichen drei Arten von Einnahmen: Kirchensteuern, zweckgebundene öffentliche Zuweisungen (z.B. für den Betrieb von Kindertagesstätten oder die Besoldung des Personals) und Einnahmen aus eigenem Vermögen. Die Einnahmen aus den beiden öffentlichen Töpfen werden in beiden Kirchen verhältnismäßig transparent gehandhabt. In den Haushalten der Gemeinden, Diözesen (katholisch) oder Landeskirchen (evangelisch) wird über die Verwendung öffentlich berichtet, Gremien aus Kirchenvertretern und Laien kontrollieren die Ausgaben. Dabei werden die Kirchensteuern je nach Mitgliederstärke auf die einzelnen Gemeinden umgelegt, die Zuweisungen sind ohnehin an die Verwendung gebunden. Hinzu kommen die Haushalte der karitativen Organisationen (Caritas und Diakonische Werke) und Stiftungen, die eigenständig wirtschaften und nur im Notfall Zuweisungen aus den Kirchenhaushalten bekommen.

Dennoch sieht Kirchenvorstand de Vries einen grundsätzlichen Unterschied zwischen den beiden Kirchen: "Auch in der evangelischen Kirche kann es und kommt es immer wieder zu Veruntreuungen. Das sind aber individuelle Fehler, das Problem liegt nicht im System." Damit spielt er auf die unterschiedliche Transparenz in Sachen Kirchenvermögen an. Denn die ist bei Katholiken und Protestanten komplett unterschiedlich organisiert. In der evangelischen Kirche verfügen die übergeordneten Stellen (Landeskirchen) kaum über eigenes Vermögen. Beispiel Hannover: Die Landeskirche besitzt die von ihr genutzten Immobilien, einen kleinen Verlag, mehr nicht. Alle Immobilien, Liegenschaften und anderen Vermögenswerte liegen bei den Kirchengemeinden. Über die Investitionen und Erträge der selbst genutzten Güter müssen sie jährlich gegenüber Kirchengremien Rechenschaft ablegen und diese Berichte zumindest innerhalb der Gemeinde veröffentlichen. Die Einnahmen aus Verpachtung der ehemaligen Pfarrpfründe – aus denen in vergangenen Jahrhunderten die Pfarrer ihrer Unterhalt erwirtschaften mussten – werden zentral verwaltet. So hat beispielsweise die Pfarreivermögensverwaltung in  Hessen-Nassau Geld in Windenergieanlagen investiert, anderswo schlummert Vermögen in Aktien. Die jährlichen Erträge werden wiederum auf die Kirchengemeinden verteilt.

Wie viel Geld fließt, ist nicht nachvollziehbar

Was die Kirchen leisten
Was die Kirchen leistenEin junges katholisches Paar (beide 35 Jahre) zahlt Kirchensteuer. Sie planen ihre Hochzeit. In drei Jahren wollen sie ihr erstes Kind bekommen, zwei Jahre später das zweite. Der Mann verdient 45.000 Euro, die Frau 40.000 Euro. Ihr Gehalt steigt um zwei Prozent pro Jahr. Insgesamt zahlen sie bis an ihr Lebensende 70 861 Euro Kirchensteuer. Die Rechnung geht davon aus, dass die aktuellen Steuerregeln dauerhaft gelten und im Ruhestand keine Kirchensteuer anfällt.Gesamtkosten Steuer:70 861 Euro Quelle: AP
Als erstes planen die beiden ihre Hochzeit. Sie führen ein mehrstündiges Gespräch mit dem Pfarrer, der bei der Trauung eine persönliche Predigt hält. Der Organist spielt ihre Musik. Nach einer Umfrage der WirtschaftsWoche unter fünf freien Theologen und Festrednern aus dem ganzen Bundesgebiet hätten diese für eine alternative Hochzeit inklusive Vorbereitung im Durchschnitt 730  Euro berechnet. Mit der Miete von Kirche oder Saal und Musik hätte das Paar für die alternative Feier 1000 Euro gezahlt. Ihr Glück: Der Treueschwur hält. Die Hochzeitskosten wären also nur einmal im Leben angefallen.Leistung: 1000 Euro Quelle: dpa
Wenige Jahre später lassen die beiden ihre Kinder taufen. Auch die Taufe findet in der Ortskirche statt. Für alternative Willkommensfeiern hätten die freien Theologen und Festredner durchschnittlich 368 Euro genommen. Findet die Feier zum Beispiel im Garten statt und wird nur ein Musiker engagiert, müssten sie für eine solche Feier 500 Euro einplanen. Bei zwei Kindern sind die Taufen also 1000 Euro wert.Leistung: 1000 Euro Quelle: dapd
An Weihnachten lieben die Kinder das Krippenspiel. Zwar fragt der Pfarrer nicht nach der Mitgliedschaft, aber für die Familie ist das Ehrensache. Würden sie stattdessen in die Oper gehen, zum Beispiel in Hänsel und Gretel, würde das die Familie jedes Jahr 50 Euro kosten. In den ersten zehn Jahren mit kleinen Kindern sparen sie also 500 Euro. Leistung: 500 Euro Quelle: dpa
Dank des kurzen Drahts zum Pfarrer bekommt das Paar für die Kinder einen Platz im kirchlichen Kindergarten. Die Gebühren gleichen aber denen eines städtischen Kindergartens, das Paar hat einen Vorteil, spart aber kein Geld.Leistung: 0 Euro Quelle: dpa
Später schicken die Eltern ihre Kinder auf ein kirchliches Gymnasium, der Schulplatz ist ihnen sicher. Eine freie Privatschule würde 400 Euro im Monat kosten, bei der kirchlichen fallen nur 80 Euro an. Zwar können Eltern die Kosten zu 30 Prozent von der Steuer absetzen. Bei zwei Kindern und acht Jahren Schulzeit sparen sie netto trotzdem rund 56.947 Euro.Leistung: 56.947 Euro Quelle: dapd
Die Kinder entscheiden sich für eine Firmung oder Konfirmation. Als Fest der persönlichen Reife entscheiden sich viele nicht gläubige Jugendliche für ein alternatives Ritual. Vor allem in Ostdeutschland ist die Jugendweihe bekannt. Pro Kind fallen dafür etwa 100 Euro an, bei zwei Kindern also 200 Euro.Leistung: 200 Euro Quelle: dpa

Ganz anders sieht es bei der katholischen Kirche aus. Hier verfügen die übergeordneten Stellen (Bistümer) über einen eigenen Haushalt, den sogenannten bischöflichen Stuhl. Nach Angaben des Limburger Bistums soll der drei Zwecken dienen: Der "Förderung kirchlicher Aufgaben", der "Bereitstellung von Wohn- und Arbeitsräumen" des Bischofs und der Unterhaltung „der für die Ausübung des Dienstes des Bischofs von Limburg notwendigen Immobilien“. Wie viel Geld in diesem Sonderhaushalt lagert, ist unbekannt. In Limburg heißt es vage: "Mit der Gründung des Bistums im Jahre 1827 wurde das Amt des Bischofs von Limburg durch den Herzog von Nassau mit Vermögenswerten ausgestattet." Hinzu dürfte  eine ganze Reihe von Zustiftungen kommen, die in den zweihundert Jahren seit der Säkularisation angefallen sind.

Aus anekdotischen Beispielen lässt sich jedoch erahnen, wie groß diese Vermögenswerte zu sein scheinen. So hält der bischöfliche Stuhl Osnabrück 39,5 Prozent der Niels-Stensen-Kliniken, 24,3 Prozent der Wohnungsbaugesellschaft Stephanswerk und die St. Johann-Behindertenhilfe. In Würzburg hält der bischöfliche Stuhl Anteile an der "Vinzenz Druckerei und Schreinerei GmbH", Münster besitzt das Bistum Anteile an einem Studentenwohnheim und dem Altenpflegekonzern "Stift Tilbeck".

Auch die Ausgaben des bischöflichen Stuhls werden zwar von Aufsichtsgremien überwacht, wer in denen sitzt und wie dort die Entscheidungsmechanismen verlaufen, bleibt jedoch im Dunkeln. Fast noch heikler als die völlige Intransparenz der bischofseigenen Haushalte ist aber die Tatsache, dass immer wieder Geld aus dem überwiegend steuerfinanzierten Diözesanhaushalten zum bischöflichen Stuhl zu wandern scheint.

Ein Beispiel dafür findet sich im Diözesanhaushalt des Bistums Eichstätt. Von den 109 Millionen Euro jährlichen Ausgaben (2013) werden 8,1 Millionen Euro unter einem Posten verbucht, der neben den Titeln Domkapitel und Generalvikariat (die Hauptverwaltung) auch die Angabe "Bischöflicher Stuhl" enthält. Wie viel Geld hier konkret fließt, ist zwar nicht nachvollziehbar. Es ist aber ein Hinweis darauf, dass in die noblen Repräsentanzen katholischer Bischöfe zumindest ab und an gerne auch mal ein Steuereuro fließt.

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