31 Millionen Euro, für die Privatgemächer eines Bischofs. Arend de Vries kann die Zahl aus Limburg immer noch nicht recht fassen. "Die gesamte Sanierung des tausendjährigen Doms in Hildesheim kostet uns 17 Millionen Euro", sagt de Vries, geistlicher Leiter des Landeskirchenamts Hannover, der mitgliederstärksten Synode in Deutschland. Auch die zweite große Investition des evangelischen Verbandes, die Sanierung des Klosters Loccum, wo ab 2018 der gesamte Nachwuchs der Landeskirche ausgebildet werden darf, kostet deutlich weniger als 20 Millionen Euro. Noch viel wichtiger aber ist de Vries die Erkenntnis: "In der Evangelischen Kirche herrscht in Finanzfragen volle Transparenz."
De Vries spricht damit den Punkt an, der Gläubige wie Steuerzahler am Skandal um die Bauprojekte des Limburger Bischofs Tebartz-van Elst am meisten schockiert: Wie kann es sein, dass eine einzelne Person über so viel anvertrautes Geld mehr oder weniger frei verfügt? Und könnte das auch an anderen Standorten und bei der evangelischen Kirche passieren? Ja, es könnte überall passieren - aber nur wenn es sich um ein katholisches Bistum handelt.
Dabei verfügen beide Kirchen im Kern über die gleichen drei Arten von Einnahmen: Kirchensteuern, zweckgebundene öffentliche Zuweisungen (z.B. für den Betrieb von Kindertagesstätten oder die Besoldung des Personals) und Einnahmen aus eigenem Vermögen. Die Einnahmen aus den beiden öffentlichen Töpfen werden in beiden Kirchen verhältnismäßig transparent gehandhabt. In den Haushalten der Gemeinden, Diözesen (katholisch) oder Landeskirchen (evangelisch) wird über die Verwendung öffentlich berichtet, Gremien aus Kirchenvertretern und Laien kontrollieren die Ausgaben. Dabei werden die Kirchensteuern je nach Mitgliederstärke auf die einzelnen Gemeinden umgelegt, die Zuweisungen sind ohnehin an die Verwendung gebunden. Hinzu kommen die Haushalte der karitativen Organisationen (Caritas und Diakonische Werke) und Stiftungen, die eigenständig wirtschaften und nur im Notfall Zuweisungen aus den Kirchenhaushalten bekommen.
Dennoch sieht Kirchenvorstand de Vries einen grundsätzlichen Unterschied zwischen den beiden Kirchen: "Auch in der evangelischen Kirche kann es und kommt es immer wieder zu Veruntreuungen. Das sind aber individuelle Fehler, das Problem liegt nicht im System." Damit spielt er auf die unterschiedliche Transparenz in Sachen Kirchenvermögen an. Denn die ist bei Katholiken und Protestanten komplett unterschiedlich organisiert. In der evangelischen Kirche verfügen die übergeordneten Stellen (Landeskirchen) kaum über eigenes Vermögen. Beispiel Hannover: Die Landeskirche besitzt die von ihr genutzten Immobilien, einen kleinen Verlag, mehr nicht. Alle Immobilien, Liegenschaften und anderen Vermögenswerte liegen bei den Kirchengemeinden. Über die Investitionen und Erträge der selbst genutzten Güter müssen sie jährlich gegenüber Kirchengremien Rechenschaft ablegen und diese Berichte zumindest innerhalb der Gemeinde veröffentlichen. Die Einnahmen aus Verpachtung der ehemaligen Pfarrpfründe – aus denen in vergangenen Jahrhunderten die Pfarrer ihrer Unterhalt erwirtschaften mussten – werden zentral verwaltet. So hat beispielsweise die Pfarreivermögensverwaltung in Hessen-Nassau Geld in Windenergieanlagen investiert, anderswo schlummert Vermögen in Aktien. Die jährlichen Erträge werden wiederum auf die Kirchengemeinden verteilt.
Wie viel Geld fließt, ist nicht nachvollziehbar
Ganz anders sieht es bei der katholischen Kirche aus. Hier verfügen die übergeordneten Stellen (Bistümer) über einen eigenen Haushalt, den sogenannten bischöflichen Stuhl. Nach Angaben des Limburger Bistums soll der drei Zwecken dienen: Der "Förderung kirchlicher Aufgaben", der "Bereitstellung von Wohn- und Arbeitsräumen" des Bischofs und der Unterhaltung „der für die Ausübung des Dienstes des Bischofs von Limburg notwendigen Immobilien“. Wie viel Geld in diesem Sonderhaushalt lagert, ist unbekannt. In Limburg heißt es vage: "Mit der Gründung des Bistums im Jahre 1827 wurde das Amt des Bischofs von Limburg durch den Herzog von Nassau mit Vermögenswerten ausgestattet." Hinzu dürfte eine ganze Reihe von Zustiftungen kommen, die in den zweihundert Jahren seit der Säkularisation angefallen sind.
Aus anekdotischen Beispielen lässt sich jedoch erahnen, wie groß diese Vermögenswerte zu sein scheinen. So hält der bischöfliche Stuhl Osnabrück 39,5 Prozent der Niels-Stensen-Kliniken, 24,3 Prozent der Wohnungsbaugesellschaft Stephanswerk und die St. Johann-Behindertenhilfe. In Würzburg hält der bischöfliche Stuhl Anteile an der "Vinzenz Druckerei und Schreinerei GmbH", Münster besitzt das Bistum Anteile an einem Studentenwohnheim und dem Altenpflegekonzern "Stift Tilbeck".
Auch die Ausgaben des bischöflichen Stuhls werden zwar von Aufsichtsgremien überwacht, wer in denen sitzt und wie dort die Entscheidungsmechanismen verlaufen, bleibt jedoch im Dunkeln. Fast noch heikler als die völlige Intransparenz der bischofseigenen Haushalte ist aber die Tatsache, dass immer wieder Geld aus dem überwiegend steuerfinanzierten Diözesanhaushalten zum bischöflichen Stuhl zu wandern scheint.
Ein Beispiel dafür findet sich im Diözesanhaushalt des Bistums Eichstätt. Von den 109 Millionen Euro jährlichen Ausgaben (2013) werden 8,1 Millionen Euro unter einem Posten verbucht, der neben den Titeln Domkapitel und Generalvikariat (die Hauptverwaltung) auch die Angabe "Bischöflicher Stuhl" enthält. Wie viel Geld hier konkret fließt, ist zwar nicht nachvollziehbar. Es ist aber ein Hinweis darauf, dass in die noblen Repräsentanzen katholischer Bischöfe zumindest ab und an gerne auch mal ein Steuereuro fließt.