Es ist ein sonniger Mittwoch in Mainz, doch die finstere Miene von Kurt Beck teilt schon vor seinen ersten Worten mit, welch düstere Nachricht er an diesem Sommertag zu verkünden hat. Mit drei Ministern im Schlepptau erscheint der rheinland-pfälzische Ministerpräsident am 18. Juli 2012 zur Pressekonferenz in der Staatskanzlei und bekennt: Die weitgehend landeseigene Nürburgring GmbH ist pleite und meldet Insolvenz an.
Becks plumper Versuch, die Schuld für den eigenen politischen Bankrott der EU-Kommission in die Schuhe zu schieben – weil diese nicht schnell genug über die Genehmigung der vom Land geplanten Rettungsbeihilfen für den Ring entschieden habe – ist nur noch eine Anekdote, ein anderer Satz des damaligen Ministerpräsidenten aber hat bis heute Brisanz. „Alles, was normale Rechnungen sind, wird beglichen“, sagt der SPD-Mann, „es wird also kein Dritter einen Schaden haben.“ Eine Ansage an die vielen Handwerker, die am Nürburgring gearbeitet haben und zu diesem Zeitpunkt noch auf Geld warten.
Das Nürburgring-Desaster
Die Rennstrecke in der Eifel ist seit Jahren ein Millionengrab. Die Nürburgring GmbH ist seit 2006 bilanziell überschuldet, kann sich nur dank immer neuer Landes-Millionen bis zur Insolvenz im Juli 2012 über Wasser halten. Zum Zeitpunkt des Bankrotts ist das Land Rheinland-Pfalz mit 90 Prozent Haupteigentümer, zehn Prozent gehören dem Landkreis Ahrweiler. Größtes Problem der Nürburgring GmbH ist ein kostspieliger Formel-1-Vertrag, den der frühere Geschäftsführer Walter Kafitz (SPD) mit Bernie Ecclestone ausgehandelt hat. Alleine die Formel 1 reißt von 2003 bis 2011 ein Loch von rund 70 Millionen Euro in die Kasse. Auch mit Experimenten wie einem Offroad Park oder einer Motorradwelt versenkt Kafitz viel Geld. Dabei ist der Kernbereich – die legendäre Nordschleife von 1927 sowie der moderne, 1984 erbaute Grand-Prix-Kurs – durchaus profitabel zu betreiben.
Um aus den Miesen zu kommen wollen Geschäftsführer Kafitz und die damalige SPD-Alleinregierung von Kurt Beck mit dem riesigen Freizeit- und Businesszentrum „Nürburgring 2009“ zusätzliche Besucher anlocken. Die Einnahmen sollen die Verluste aus der Formel 1 decken und den Nürburgring unabhängiger vom Motorsportgeschäft machen. Der Park besteht aus zwei Bauabschnitten: Die Nürburgring GmbH baut ein Erlebniszentrum mit Rennsportmuseum (Ringwerk), einer Achterbahn, überdachter Shoppingmeile (Boulevard) sowie zwei Veranstaltungshallen. Der zweite Abschnitt, entwickelt von der Düsseldorfer Firma Mediinvest, umfasst zwei Hotels mit Personalwohnhaus, einen Ferienpark und das Eifeldorf „Grüne Hölle“, in dem sich eine Disco und diverse Restaurants befinden. Kritiker wie der gemeinnützige Verein „Ja zum Nürburgring“ (in dem unter anderem die Automobilclubs ADAC und AvD organisiert sind) oder die Bürgerinitiative „Wir sind Nürburgring“ verspotten die Neubauten als „Kirmes“.
Die Kosten für die 2009 eröffneten Neubauten steigen von ursprünglich geplanten 215 auf 330 Millionen Euro. Der erste Bauabschnitt soll zur Hälfte, der zweite komplett privat finanziert werden. Bei der Suche nach Investoren für den ersten Bauabschnitt fallen Land und Nürburgring GmbH aber auf dubiose Finanzvermittler herein, die ihnen Interesse schwer reicher amerikanischer und arabischer Investoren vorgaukeln, aber nicht mehr liefern können als ungedeckte Schecks. Die für den zweiten Bauabschnitt zuständige Firma Mediinvest von Kai Richter erhält 85,5 Millionen Euro an stillen Beteiligungen von der Rheinland-Pfälzischen Gesellschaft für Immobilien und Projektmanagement mbH (RIM), einer Tochter der landeseigenen Investitions- und Strukturbank (ISB). Wegen der Investitionen des Landes leitet die EU-Kommission im März 2012 ein Beihilfeverfahren ein.
Finanzminister und Nürburgring-Aufsichtsratschef Ingolf Deubel (SPD) tritt nach dem Platzen der Schecks im Juli 2009 zurück. Wirtschaftsminister Hendrik Hering und Deubels Nachfolger Carsten Kühl (beide SPD) erarbeiten vor der Landtagswahl 2011 ein „Zukunftskonzept“. Die landeseigene ISB vergibt auf Anweisung des Landes einen Kredit über 330 Millionen Euro; den Betrieb des kompletten Parks inklusive der Rennstrecken verpachtet die Nürburgring GmbH an die private Nürburgring Automotive GmbH (NAG), je zur Hälfte im Besitz von Kai Richters Mediinvest und der Düsseldorfer Lindner-Hotelgruppe. Im Februar 2012 kündigt das Land den Betreibern wegen ausstehender Pachtzahlungen. Die Pächter wiederum werfen dem Land vor, vertraglich vereinbarte Zuschüsse des Landes nicht erhalten zu haben.
Die erhofften Besuchermassen bleiben aus und die Pachtzahlungen reichen bei Weitem nicht aus, um die Kosten der Nürburgring GmbH zu decken. Am 18. Juli 2012 trifft das Kabinett die Entscheidung, die landeseigene Nürburgring GmbH in die Insolvenz zu schicken. Dafür wählt das Land eine Insolvenz in Eigenverwaltung: Es bestellt den Trierer Rechtsanwalt Thomas Schmidt zum Sanierungsgeschäftsführer, als Überwachungsinstanz wird mit dem Koblenzer Juristen Jens Lieser ein Sachwalter installiert. Diese legen den Streit mit den Pächtern später in einem Vergleich bei, der Pachtvertrag wird Ende 2012 aufgehoben. Für den weiteren Betrieb gründen die Insolvenzverwalter die Nürburgring Betriebsgesellschaft mbH, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Nürburgring GmbH, und verpachten das Geschäft an diese weiter. Das Land als größter Gläubiger hat insgesamt mehr als 600 Millionen Euro an offenen Forderungen zur Insolvenztabelle angemeldet.
Nach der Insolvenz beantragt die CDU-Opposition im Landtag ein Misstrauensvotum gegen Kurt Beck. Der hatte bei der Landtagswahl 2011 die absolute Mehrheit verloren und regiert inzwischen mit den Grünen. Die hatten das Nürburgring-Projekt im Wahlkampf scharf kritisiert, besonders ihre Spitzenkandidatin Eveline Lemke. Bei der Abstimmung im Landtag aber stehen die Grünen fest an Becks Seite, er übersteht das Misstrauensvotum. Rund zwei Monate später kündigt er seinen Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen an. Seine Nachfolgerin Malu Dreyer hält lange an Finanzminister Kühl sowie Hering fest, letzterer war nach der Landtagswahl 2011 aus dem Wirtschaftsministerium an die Spitze der SPD-Fraktion gewechselt. Nach einem vernichtenden Sondergutachten des Landesrechnungshofs, wonach das Zukunftskonzept von Vornherein zum Scheitern verurteilt war, verliert im November 2014 auch Kühl im Zuge einer großen Kabinettsumbildung seinen Posten als Finanzminister, Hering tritt als Fraktionschef zurück. Der seit der Wahl 2011 für den Nürburgring zuständige Innenminister Roger Lewentz (SPD) darf bleiben.
Die Staatsanwaltschaft Koblenz klagt den zurückgetretenen Finanzminister Deubel 2012 wegen Untreue an, mit ihm müssen sich Ex-Geschäftsführer Kafitz sowie weitere Manager des Nürburgrings und der landeseigenen Förderbank ISB vor dem Landgericht Koblenz verantworten. Deubel erhält im April 2014 eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren, Kafitz wird zu einem Jahr und sieben Monaten verurteilt. Gegen das Urteil hat Deubel Revision eingelegt, diese liegt derzeit beim Bundesgerichtshof. Gegen Mediinvest-Chef Kai Richter ermittelt die Staatsanwaltschaft jahrelang mit teils hohem Aufwand wegen verschiedener Vorwürfe, kann ihm aber nicht einen einzigen davon nachweisen. Ende 2014 muss die Behörde die Ermittlungen gegen Richter ergebnislos einstellen.
Im Mai 2013 starten die Insolvenzverwalter mit Unterstützung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG den Verkaufsprozess für den Nürburgring. Am 11. März 2014 gibt der Gläubigerausschuss der Nürburgring GmbH auf Empfehlung der Insolvenzverwalter und KPMG den Zuschlag an ein Bietergespann aus dem Düsseldorfer Automobilzulieferer Capricorn und der Motorsportfirma Getspeed aus Meuspath am Nürburgring. Das Gespann hatte ein Angebot über 77 Millionen Euro vorgelegt, von denen 15 Millionen Eigenkapitalanteil bis Ende 2014 in drei Raten zu je fünf Millionen Euro zu zahlen sind. 45 Millionen Euro sollen als Fremdkapital von der Deutschen Bank kommen; dieser Anteil ist fällig, sobald ein bestandskräftiger Bescheid der EU-Kommission vorliegt, dass der Verkauf europarechtskonform ablief. Elf Millionen des Kaufpreises sind gestundet und in Raten abzustottern, sechs Millionen werden pauschal als Jahresüberschuss 2014 angerechnet.
Der europarechtskonforme Verkauf ist wegen des Beihilfeverfahrens erforderlich, der Verkauf muss somit transparent und diskriminierungsfrei ablaufen. Nur wenn die europarechtlichen Vorgaben eingehalten werden, gehen die Beihilfen nicht auf den Käufer über. Andernfalls müsste der Käufer für die Beihilferückforderung haften, für diesen Fall ist im Kaufvertrag jedoch ein Rücktrittsrecht zugunsten des Käufers vereinbart. Am 1. Oktober 2014 stellt die EU-Kommission fest, dass rund eine halbe Milliarde Euro an unzulässigen Landesbeihilfen in den Nürburgring geflossen sind. Den Verkauf an Capricorn und Getspeed stuft die Kommission dagegen als europarechtskonform ein. Unterlegene Bieter wie der US-Finanzinvestor H.I.G. Capital oder das amerikanische Technologieunternehmen Nexovation sehen sich dagegen rechtswidrig benachteiligt.
Capricorn kann schon die zweite Eigenkapitalrate über fünf Millionen Euro Ende Juli 2014 nicht zahlen. Capricorn-Chef Robertino Wild muss deshalb im August 2014 alle Ansprüche aus dem Kaufvertrag und im Oktober 2014 auch noch die Geschäftsanteile an der Käufergesellschaft Capricorn Nürburgring Besitzgesellschaft mbH (CNBG) selbst auf einen Treuhänder übertragen. Bis dahin hatte Capricorn zwei Drittel der CNBG-Anteile gehalten, Getspeed ein Drittel. Bei dem eingesetzten, angeblich unabhängigen Treuhänder handelt es sich jedoch um eine Firma, die vier Anwälten der Kanzlei Weil, Gotshal & Manges gehört – just der Kanzlei, die auch die Insolvenzverwalter berät. Der Treuhänder verkauft den zuvor von Capricorn gehaltenen CNBG-Anteil Ende Oktober 2014 an ein Konsortium um den russischen Pharmamagnaten Viktor Charitonin. Dahinter steht laut eigenen Angaben eine Holding aus „internationalen Investoren“, die aber mit Ausnahme von Charitonin bisher nicht bekannt sind.
Nexovation reicht Ende Juni 2015 Klage gegen den Kommissionsbeschluss vom 1. Oktober 2014 beim Europäischen Gericht in Luxemburg ein, Anfang Juli klagt auch Ja zum Nürburgring e.V. Beide Kläger kritisieren unter anderem, dass Capricorn den Zuschlag ohne eine gesicherte Finanzierung bekam – obwohl die Finanzierungssicherheit zentrales Auswahlkriterium war. Nicht nur die Eigenkapitalraten fielen früh aus, auch die vermeintliche Zusage der Deutschen Bank für die Fremdkapitalrate war völlig unverbindlich und brach kurz nach dem Zuschlag weg. Zudem sei der Verkaufsprozess unzulässig fortgeführt worden. Hinter dem angeblich unabhängigen Treuhänder standen nämlich Anwälte der Kanzlei, die die Insolvenzverwalter beriet. Der Verkäufer habe somit die Kontrolle über die Vermögenswerte zurückgeholt und diese unter der Hand weiterverkauft. Das Europäische Gericht ist die Vorinstanz des Europäischen Gerichtshofs. So lange keine Entscheidung vorliegt, ist der vorgesehene Käufer zunächst nur Pächter.
Nun zittern die Handwerker, ob sie ihre offenen Rechnungen jemals annähernd beglichen bekommen. Denn die Landesregierung fordert vehement, dass ihre Forderungen im selben Rang wie die der anderen Gläubiger eingestuft werden. Da das Land mit großem Abstand der größte Gläubiger ist, würde für die kleineren Gläubiger somit kaum noch etwas übrig bleiben. Dann nämlich bekäme jeder Gläubiger einen Teil der Insolvenzmasse entsprechend der Quote seiner Forderungen zu den Gesamtforderungen – das Land mit den größten Forderungen also den Löwenanteil. Sollten die Forderungen des Landes dagegen nachrangig sein, würden die anderen Gläubiger zuerst bedient und das Land bekäme den Rest, der danach noch übrig bleibt.
Lange Liste von Brennpunkten
Insolvenz-Sachwalter Jens Lieser aus Koblenz, der 2012 gemeinsam mit Sanierungsgeschäftsführer Thomas Schmidt aus Trier die Verantwortung übernommen hat, weist das Ansinnen der Regierung zurück. Er hat die im höchstmöglichen Rang angemeldeten Forderungen des Landes von insgesamt 612,6 Millionen Euro größtenteils bestritten und weitgehend nur nachrangige Forderungen festgestellt.
Lediglich 22,5 Millionen Euro hat er im höheren Rang anerkannt. Es gebe noch keine „abschließende Entscheidung“ über den Rang der Landesforderungen, sagt ein Sprecher der Insolvenzverwalter auf Nachfrage, der Sachverhalt sei teilweise strittig, man befinde sich „in Gesprächen“.
Wie dieser Streit ausgeht, ist offen, Vertreter der Landesregierung haben schon eine Klage gegen die Verwalter ins Spiel gebracht. Die Regierung sieht sich aus beihilferechtlichen Gründen verpflichtet, die Forderungen im höchsten Rang durchzusetzen. Doch das ist längst nicht der einzige Brennpunkt am Nürburgring. Unterlegene Bieter klagen gegen die EU-Kommission, die den vemurksten Verkaufsprozess der Insolvenzverwalter als europarechtskonform abgesegnet hat. Die unterlegenen Bieter sehen dagegen gravierende Verstöße gegen Europarecht. Der Verkauf muss im Einklang mit dem Europarecht erfolgen, weil die Kommission rechtswidrige Beihilfen des Landes für den Nürburgring in Höhe von rund einer halben Milliarde Euro festgestellt hat.
Neue Partner, schlechte Partner
Den Zuschlag erhielt dann im März vergangenen Jahres zunächst ein Gespann aus dem Düsseldorfer Automobilzulieferer Capricorn und der Motorsportfirma Getspeed aus Meuspath am Nürburgring, offiziell ausgewiesener Kaufpreis: 77 Millionen Euro. Weil jedoch Capricorn schon im Juli bei der zweiten Kaufpreisrate nicht zahlen konnte, wurden die Capricorn-Anteile inzwischen an ein Konsortium um den russischen Pharmamagnaten Viktor Charitonin weiterverkauft. Der Vorgang selbst weckt bereits den Argwohn der unterlegenen Bieter, es gibt aber noch weitaus mehr Probleme: Die neuen Partner Charitonin und Getspeed verstehen sich überhaupt nicht, überziehen sich gegenseitig mit Klagen.
Zudem ist das Musikfestival Rock am Ring weggezogen und der Nachfolger Grüne Hölle Rock geplatzt, das für dieses Wochenende geplante Formel-1-Rennen auf dem Ring fällt aus, weil sich die Betreiber nicht auf einen Vertrag mit F1-Promoter Bernie Ecclestone einigen konnten. Ein tödlicher Unfall mit folgenden Tempolimits auf der Nordschleife sorgt für hitzige Debatten.
Während nicht einmal mehr auf der Strecke selbst uneingeschränkt Gas gegeben werden darf, ist die Lage neben der Piste schon völlig verfahren: Der Nürburgring steckt in lähmender Starre. Die Landesregierung geht bei diesem Thema wann immer möglich auf Tauchstation: Zum Ärger der CDU-Opposition teilte sie Anfang dieses Jahres schon mit, dem Landtag angeblich nicht mehr berichtspflichtig zu sein. Die WirtschaftsWoche gibt einen Überblick, was seit der Insolvenz passiert ist, wie die aktuelle Situation ist – und was das für die Zukunft bedeutet.
Die Rolle der Insolvenzverwalter
Sachwalter Lieser und Sanierungsgeschäftsführer Schmidt haben offenkundig wenig Hemmungen, sich selbst zu beweihräuchern. Im Juli 2014 hielten sie in Frankfurt vor Sanierungsexperten einen Vortrag, der Titel macht sie nicht zu Anwärtern auf einen Bescheidenheitspreis: „Die Rettung des Nürburgrings“. Nur vier Wochen später kam der Zahlungsausfall von Capricorn schon bei der zweiten Kaufpreisrate, es folgte erst monatelanges Chaos und dann der Rauswurf von Capricorn.
Die Insolvenzverwalter in ihrem Eigenlob ficht das jedoch nicht an. In einem gemeinsamen Interview der beiden mit der Koblenzer Rhein-Zeitung erklärte Schmidt im Oktober vergangenen Jahres zum Flop mit Capricorn-Chef Robertino Wild: „Von einem Fiasko kann überhaupt keine Rede sein! Diese Unterstellung weisen wir entschieden zurück! Tatsache ist: Wir haben objektive Erfolge vorzuweisen. Ein Staatsbetrieb ist in ein profitables Unternehmen umgewandelt worden.“
Das ist mehr als nur ein bisschen zu dick aufgetragen. Als die Insolvenzverwalter im Juli 2012 ihren Job antraten, war das operative Geschäft noch an die Nürburgring Automotive GmbH (NAG) verpachtet, hinter der die Lindner-Hotelkette aus Düsseldorf und die Firma Mediinvest des Düsseldorfer Projektentwicklers Kai Richter standen. In einem Vergleich wurde der Pachtvertrag Ende 2012 aufgehoben. Geschäftsführer Jörg Lindner und Generaldirektor Richter ernteten zuvor reichlich Kritik, die NAG würde die Preise hochtreiben und kleine Unternehmen, die sich rund um den Nürburgring als Dienstleister etabliert hatten, aus dem Geschäft drängen.
Das Salär der Pleite-Profis
Eines aber können sich die beiden trotz aller Kritik auf die Fahnen schreiben: Sie haben wirtschaftlich die bislang besten Ergebnisse am Nürburgring erzielt. Im letzten vollständigen Geschäftsjahr 2011/12 erwirtschafteten sie einen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von 8,5 Millionen Euro.
Die Sanierungsleistung der Pleite-Profis bestand darin, dass das Ebitda unter ihrer Führung im Jahr 2013 erst einmal drastisch einbrach und auch 2014 mit selbst prognostizierten 6,5 Millionen Euro noch deutlich unter dem lag, was Lindner und Richter vorzuweisen hatten. Ein konkretes finales Ebitda wollte ein Sprecher der Insolvenzverwalter im März auf Anfrage der WirtschaftsWoche nicht nennen, und auch die Frage nach dem Jahresergebnis 2014 – was also nach Zinsen, Steuern und Abschreibungen netto noch übrig blieb – beantwortete er nicht.
Ein besseres Ergebnis als die Insolvenzverwalter erwirtschaftet zu haben ist insbesondere für Kai Richter eine Genugtuung, wie aus seinem Umfeld zu hören ist. Richter stand besonders heftig in der Kritik. Der Landesrechnungshof zeigte mehrfach auf, wie Richter am Nürburgring dank Landesmitteln prächtig verdiente, mit Steuerzahler-Sponsoring Millionen einstrich – auch dank raffinierter Firmengeflechte, über die er die Geschäfte abwickelte.
Eine Förderbank des Landes pumpte alleine 85 Millionen Euro in Richters Firmen. Richter war dabei allerdings nur clever, nicht jedoch kriminell: Die Staatsanwaltschaft Koblenz musste Ende des vergangenen Jahres ihre aufwändigen Ermittlungen gegen den Unternehmer ergebnislos einstellen. Es bestehe „kein hinreichender Tatverdacht“, dass Richter die von Landesgesellschaften zur Verfügung gestellten Mittel in strafbarer Weise verwendet haben oder die Landesfirmen über die Verwendung getäuscht haben könnte, teilten die Ermittler mit.
Während die Handwerker nun um ihr Geld zittern, gönnen sich die selbst ernannten Sanierer Lieser und Schmidt veritable Honorare. An Sanierungsgeschäftsführer Schmidt überwies die insolvente Nürburgring GmbH 2014 monatlich 17.850 Euro. So steht es in den Kassenprüfungsberichten des Wirtschaftsprüfers, die der WirtschaftsWoche vorliegen, also fast 215.000 Euro im Jahr.
Auf Nachfragen hierzu ist von Schmidts Sprecher nur zu hören: „Kein Kommentar“. Obwohl die Summe für einen Geschäftsführer nicht obszön hoch ist, ist sie bei Schmidt durchaus erstaunlich. Mögliche Boni aus dem Ergebnis des Verkaufsprozesses sind noch nicht enthalten, zudem besetzt Schmidt zwar die Stelle des Sanierungsgeschäftsführers, allerdings verfügte die insolvente Nürburgring GmbH nie über ein operatives Geschäft, das hätte saniert werden können. Es stellt sich die Frage, wozu sie überhaupt einen Sanierungsgeschäftsführer braucht.
Nürburgring GmbH ist nur noch eine entkernte Hülle
Nach der Aufhebung des Betriebspachtvertrags mit der Nürburgring Automotive GmbH gründete die insolvente Nürburgring GmbH mit der Nürburgring Betriebsgesellschaft mbH direkt eine neue Tochterfirma, an die sie den Betrieb weiterverpachtete. Diese hatte jedoch einen eigenen Geschäftsführer, Schmidt übernahm hier als Sanierungsgeschäftsführer keine Verantwortung. Die Betriebsgesellschaft wurde inzwischen aufgelöst und das operative Geschäft wiederum weiterverpachtet an die Capricorn Nürburgring GmbH (CNG). Diese Zwischenlösung sieht der Kaufvertrag mit Capricorn vor für den Zeitraum, bis eine bestandskräftige Entscheidung vorliegt, ob der Verkaufsprozess europarechtskonform war.
Selbst betrieben hat die Nürburgring GmbH das operative Geschäft jedenfalls nie. Schmidts Sprecher teilt nur vage mit, da es sich um ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung handele, bedürfe es auch eines Sanierungsgeschäftsführers. „Im Übrigen haben Sanierungsgeschäftsführer und Sachwalter umfangreiche Maßnahmen zur Stabilisierung und Restrukturierung des Geschäftsbetriebs eingeleitet und umgesetzt.“ Welche das sind, lässt der Sprecher offen, konkrete Details: Fehlanzeige.
Dabei wird die Notwendigkeit eines Sanierungsgeschäftsführers immer fragwürdiger. Seit Beginn des Pachtvertrags mit der CNG im Februar dieses Jahres tritt die Nürburgring GmbH nicht einmal mehr selbst als Verpächter auf, auch das hat europarechtliche Gründe. Weil ein Beihilfenempfänger nach dem Willen der EU-Kommission keinerlei Zugriff mehr auf die Vermögenswerte haben soll, nimmt nun ein Treuhänder die Eigentumsrechte wahr und ist als Verpächter der Hüter des Kaufvertrags. Die Nürburgring GmbH ist dagegen nur noch eine entkernte Hülle. Dennoch bezog Schmidt laut den Kassenprüfungsberichten auch im Februar und März dieses Jahres weiterhin 17.850 Euro monatlich.
Wie lange Schmidt diese die Vergütung voraussichtlich noch beziehen wird, will sein Sprecher auf Anfrage nicht sagen. Nur so viel: Auch nach dem Verkauf seien „im Rahmen der Abwicklung des Insolvenzverfahrens noch zahlreiche Aufgaben zu erledigen.“ Welche das sind, sagt er auch hier nicht dazu. Für Schmidt könnte jedenfalls noch ein schöner Batzen Geld anfallen, denn der Sprecher lässt immerhin wissen: „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist nicht abzusehen, wann die Insolvenzverfahren abgeschlossen sein werden.“
Sachwalter Lieser dürfte nach Einschätzung von Gläubigern sowie Insolvenzexperten sogar auf eine Vergütung in Millionenhöhe kommen. Lieser lässt mitteilen, dass bisher noch keine Vergütungsanträge gestellt worden seien. Zur Höhe der voraussichtlichen Vergütung will sein Sprecher nichts sagen: Zu Verfahrensinterna des nicht-öffentlichen Insolvenzverfahrens äußere der Sachwalter sich nicht.
Wie viel Geld für die Gläubiger bleibt
Den weitaus größten Teil der Insolvenzmasse wird der Erlös aus dem Verkauf ausmachen. Doch die als Kaufpreis ausgewiesenen 77 Millionen Euro stehen nicht vollständig für die Gläubiger zur Verfügung. Sechs Millionen werden ohnehin pauschal verrechnet, unabhängig davon, wie viel Geld der Nürburgring 2014 noch erwirtschaftet hat.
Nach Abzug aller Nebenkosten wird die Summe nochmals geringer ausfallen. Wie viel schätzungsweise übrig bleiben dürfte, auch dazu wollen Lieser und Schmidt auf Nachfrage nichts sagen. Ihr Sprecher teilt mit: „Die Verwalter machen keine Angabe über die zu verteilende Insolvenzmasse, da das Verfahren noch nicht abgeschlossen ist.“
Für die Mehrheit der Gläubiger noch relevanter als die Summe an sich ist ohnehin die Frage, in welchem Rang die Forderungen des Landes als Hauptgläubiger am Ende eingestuft werden. Sollten diese in den gleichen Rang aufrücken und nicht im Nachrang bleiben, würde für die kleinen Gläubiger so oder so kaum etwas abfallen. Für das Land wiederum, das 612,6 Millionen Euro an erstrangigen Forderungen angemeldet hat, wird das Ergebnis in jedem Fall eine steile Geldvernichtung bedeuten. Die Rückzahlung hängt ebenfalls an der Rangeinstufung, wird aber höchstwahrscheinlich nicht viel höher sein als 50 Millionen Euro – sollte es beim Nachrang bleiben, noch erheblich darunter.
Neben den unmittelbaren Schäden durch die Insolvenz hat das Land aber auch ein indirektes Problem: Der Nürburgring ist einer der wichtigsten Wirtschaftsmotoren in der strukturschwachen Eifelregion. Dieser jedoch stottert gewaltig, jetzt zeigen sich die negativen Folgen des verkorksten Verkaufsprozesses. Den hatten die Insolvenzverwalter und die von ihnen beauftragten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG 2013 angestoßen.
Der ausgewählte Käufer Capricorn ging allerdings nur vier Monate nach dem Zuschlag im März 2014 die Luft aus, schon bei der zweiten Kaufpreisrate gab es im Juli den ersten Zahlungsausfall. Nicht nur an Eigenkapital mangelte es. Wie sich ebenfalls herausstellte, hatten Capricorn und Getspeed nie eine verbindliche Zusage der Deutschen Bank für den größten Batzen des Kaufpreises: den Fremdkapitalanteil von 45 Millionen Euro. Dabei war ein gesicherter Finanzierungsnachweis eines der zentralen Kriterien bei der Auswahl des Käufers.
Stellungskrieg zwischen den Gesellschaftern
Nach dem Zahlungsausfall musste Wild erst alle Ansprüche aus dem Kaufvertrag und später auch noch seine Mehrheitsanteile an der Käuferfirma Capricorn Nürburgring Besitzgesellschaft (CNBG) abtreten. Sie gingen an einen vorgeblich unabhängigen Treuhänder, die eingeschaltete Treuhandfirma jedoch gehört ausgerechnet vier Anwälten der Kanzlei Weil, Gotshal & Manges – der Kanzlei, die zu dieser Zeit die Insolvenzverwalter beriet.
Zudem fielen die Insolvenzverwalter und KPMG auf einen flunkernden Fantasiebieter aus Hongkong rein. La Tene Capital hatte mit 275 Millionen Euro zwar das höchste der indikativen Angebote abgegeben, außer großen Versprechungen allerdings nur leere Taschen vorzuweisen. Drei Tage nach einem Bericht der WirtschaftsWoche zu dem Fall schlossen die Insolvenzverwalter und KPMG La Tene Capital aus dem Bietverfahren aus.
Diese und einige weitere Ungereimtheiten muss nun das Europäische Gericht in Luxemburg aufarbeiten. Dort haben das US-Technlogieunternehmen Nexovation und der Verein Ja zum Nürburgring e.V. Klage eingereicht gegen den Beschluss der Kommission, der den Verkaufsprozess als europarechtskonform einstuft. Bis zu einer Entscheidung wird es wohl mindestens eineinhalb Jahre dauern. Wenn die Sache bis in die Folgeinstanz zum Europäischen Gerichtshof geht, können es auch rund fünf Jahre oder noch mehr werden. So lange kann zugleich der Kaufvertrag mit der CNBG nicht vollständig umgesetzt werden.
Die CNBG-Tochtergesellschaft Capricorn Nürburgring GmbH (CNG) ist deshalb für die Zwischenzeit zunächst als Pächter Betreiber des Nürburgrings. Das Wort Capricorn tragen CNBG und CNG inzwischen nur noch im Namen. Der Düsseldorfer Zulieferer, der anfangs mit zwei Dritteln die Mehrheit an der CNBG hielt, ist komplett raus aus dem Geschäft. Seine früheren Anteile liegen inzwischen bei der NR Holding AG um den russischen Pharmaunternehmer Charitonin. Die Holding hält nun nach einer Kapitalerhöhung sogar 80 Prozent, Getspeed kommt noch auf 20 Prozent.
Doch Getspeed hat im Gesellschaftsvertrag eine Reihe von Vetorechten – und treibt damit die NR Holding zur Weißglut. Diese würde viel lieber ohne störenden Minderheitsgesellschafter durchregieren. Mit dem Weiterverkauf der Capricorn-Anteile wurden zwei Gesellschafter zusammengebracht, die sich mittlerweile spinnefeind sind. Etwa zehn Prozesse führen sie aktuell gegeneinander, wie beide Seiten bestätigen.
Es geht vor allem um die Auslegung des Gesellschaftsvertrags, die Kompetenzen der Geschäftsführer (von denen jeder Gesellschafter einen stellen darf). Den Getspeed-Geschäftsführer wollten die Russen abberufen, Getspeed wehrte sich mit einer einstweiligen Verfügung. Mittlerweile finden laufend Gesellschafterversammlungen statt, weil das Unternehmen anders in diversen Punkten anders kaum mehr handlungsfähig ist – und selbst um die Auslegung der Beschlüsse der Gesellschafterversammlungen wird danach mitunter gerichtlich gestritten. Von einem „Stellungskrieg“ spricht ein Insider.
Investitionen im Schwebezustand unattraktiv
Der Streit zwischen den Gesellschaftern ist nur ein Grund, warum größere Investitionen zur Weiterentwicklung des Geschäftsmodells derzeit unwahrscheinlich sind. Die europarechtlichen Klagen und die Zwischenlösung mit der Pacht sind der andere – so lange unklar ist, ob der Verkauf nicht am Ende rückabgewickelt wird, wird der Pächter kaum größere Summen in den Ring stecken. Weder weiß er, ob er den Ring auf Dauer behalten darf, noch, ob er im Falle einer Rückabwicklung des Kaufvertrags das in der Zwischenzeit investierte Geld zurückbekommt.
CNG-Geschäftsführer Carsten Schumacher ist zudem bisher blass geblieben, mit neuen Veranstaltungen und Formaten ist er noch nicht aufgefallen. „Man muss leider feststellen, dass sich das Unternehmen strategisch bisher überhaupt nicht weiterentwickelt hat“, heißt es in Gesellschafterkreisen. Eher hat sich der Nürburgring sogar noch zurückentwickelt.
Die prestigeträchtige Formel 1, auf die dem Vernehmen nach insbesondere Charitonin viel Wert legt, macht nicht mehr in der Eifel Station. Für den kommenden Sonntag stand das Rennen zwar schon im Kalender des Automobil-Weltverbands FIA, allerdings konnte sich die CNG nicht auf einen Vertrag mit F1-Promoter Bernie Ecclestone einigen – der PS-Zirkus war zu teuer. Der Nürburgring wurde aus dem FIA-Kalender wieder gestrichen.
Eine weitere Prestigeveranstaltung, das Musikfestival „Rock am Ring“, ist ebenfalls weg. Nachdem sich Schumacher in den Verhandlungen mit Veranstalter Marek Lieberberg verzockt hatte, zog der mit Rock am Ring an einen neuen Standort im nahegelegenen Mendig. Der Versuch, Lieberberg die Weiternutzung der Marke Rock am Ring gerichtlich untersagen zu lassen, scheiterte genauso wie das Vorhaben, mit dem Berliner Konzertveranstalter Deag ein neues Festival aufzubauen.
Nach einem Streit wegen schlechter Ticketverkäufe und niedriger Vorverkaufserlöse verlegte die Deag das Festival nach Gelsenkirchen, jetzt streiten sich Deag und CNG vor dem Landgericht Koblenz um Schadenersatz. Dort hat die Deag eine entsprechende Klage eingereicht, weil sie der CNG Vertragsbruch vorwirft. Diese weist den Vorwurf zurück und sieht sich selbst von der Deag über die Verkaufszahlen getäuscht.
Unklarheit über die Hintermänner der Holding
Nürburgring-Kenner finden bei der Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten, dass Charitonin mit seiner Mannschaft zu sehr juristisch und zu wenig unternehmerisch denkt und handelt. Wer hinter der Holding steht, ist bis heute nicht bekannt. Ein Sprecher teilte auf eine frühere Anfrage der WirtschaftsWoche mit, dass es eine internationale – nicht rein russische – Gruppe von Investoren sei, die mit Ausnahme von Charitonin aber nicht in die Öffentlichkeit treten wollten.
Einen Hinweis bietet jedoch ein Personalwechsel im Aufsichtsrat der NR Holding. Dort zog Ende des vergangenen Jahres der frühere RWE-Chef Jürgen Großmann ein, in seinem Schatten bekam allerdings auch kaum beachtet Andrej Osipov einen Platz im Kontrollgremium. Die Vita des Russen ist gespickt mit Namen diverser Oligarchen.
In führender Position arbeitete Osipov zuletzt etwa als Managing Director für ein Unternehmen des russischen Alfa-Konzerns, hinter dem Michail Fridman steht; dieser gilt als einer der einflussreichsten russischen Oligarchen. Fridmann trat in Deutschland zuletzt in Erscheinung, weil er an der Luxemburger LetterOneGroup beteiligt ist – die kaufte im vergangenen Jahr begleitet von öffentlichen Debatten und langwierigen Prüfungen der zuständigen Aufsichtsbehörden in Deutschland und Großbritannien dem Energiekonzern RWE für rund fünf Milliarden Euro seine Öl- und Gastochter RWE Dea ab.
Zuvor war Osipov unter anderem stellvertretender Investmentchef und Direktor der Mergers&Acquisitions-Sparte (Unternehmenskäufe und -verkäufe) bei der Renova Management AG von Viktor Wekselberg, auch er ist in Deutschland kein Unbekannter. Renova ist am deutsch-schweizerischen Stahlhändler Schmolz+Bickenbach beteiligt, in der Schweiz am Maschinenbauer Sulzer und dem Technologiekonzern Oerlikon.
Bei Millhouse Capital, der Vermögensverwaltungsgesellschaft von Roman Abramowitsch, war Osipov ebenfalls Direktor des M&A-Sektors. Das bedeutet natürlich nicht, dass die genannten russischen Superreichen selbst an der NR Holding beteiligt sind. Es lässt aber zumindest darauf schließen, dass neben Charitonin noch weitere Spieler vergleichbaren Kalibers im Hintergrund stehen dürften, die Osipov als Aufpasser in den Nürburgring-Aufsichtsrat geschickt haben. „Jemand wie Osipov fällt nicht einfach so in der Eifel vom Himmel“, sagt ein Nürburgring-Kenner. Wer auch immer sich neben Charitonin noch an der Holding beteiligt hat: Viel Freude brachte das Investment bislang nicht.
Debatten über die Sicherheit
Zu allem Überfluss tobt aktuell um den Nürburgring auch noch eine Sicherheitsdebatte, seit Ende März beim Auftaktrennen der Langstreckenserie VLN ein Auto abhob und über die Fangzäune hinweg in den Publikumsbereich flog. Ein Zuschauer wurde getötet. Seither gelten Tempolimits auf besonders gefährdeten Abschnitten der Nordschleife, beim Deutschen Motorsport-Bund tagen Arbeitsgruppen und beraten über die Frage, wie die Sicherheit verbessert werden kann.
Dabei stehen zwei konträre Ansätze im Raum: Änderungen an der Rennstrecke, wie neue Schikanen, durch die die Autos vor brisanten Stellen herunterbremsen müssen, oder Änderungen der Autos selbst, damit diese weniger schnell sind.
Viele Fans, Veranstalter und auch die CNG selbst lehnen Umbauten der historischen Strecke ab, manche Autohersteller wollen dagegen lieber keine kostspieligen Änderungen an den Rennwagen. Selbst wenn die Strecke unangetastet bleiben sollte, werden aber zumindest Investitionen in Sicherheitsmaßnahmen wie Leitplanken oder Schutzzäune auf den Nürburgring zukommen.
Nach Schätzungen werden dafür zwei bis vier Millionen Euro anfallen, sollte die Strecke doch umgebaut werden müssen, könnten es laut Experten auch schnell zehn Millionen Euro oder mehr werden. Unabhängig davon, wie hoch die Kosten am Ende sind, dürfte das der nächste Streitpunkt werden: Ob der Pächter oder der Verpächter sie zu bezahlen hat.
Sollte der Verpächter für die Sicherheitsinvestitionen aufkommen müssen, also der von den Insolvenzverwaltern eingesetzte Treuhänder, würde das zulasten der Insolvenzmasse gehen – wieder ein paar Millionen weniger, die für die Handwerker zur Verfügung stünden. Und für das Land. Auch drei Jahre nach seiner Pressekonferenz in Mainz sorgen Becks Erbe und die Fehler seiner Nachfolger für Probleme. Den Nürburgring werden sie noch eine Weile beschäftigen.