Desaster am Nürburgring Der Nürburgring in lähmender Starre

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Stellungskrieg zwischen den Gesellschaftern



Nach dem Zahlungsausfall musste Wild erst alle Ansprüche aus dem Kaufvertrag und später auch noch seine Mehrheitsanteile an der Käuferfirma Capricorn Nürburgring Besitzgesellschaft (CNBG) abtreten. Sie gingen an einen vorgeblich unabhängigen Treuhänder, die eingeschaltete Treuhandfirma jedoch gehört ausgerechnet vier Anwälten der Kanzlei Weil, Gotshal & Manges – der Kanzlei, die zu dieser Zeit die Insolvenzverwalter beriet.

Zudem fielen die Insolvenzverwalter und KPMG auf einen flunkernden Fantasiebieter aus Hongkong rein. La Tene Capital hatte mit 275 Millionen Euro zwar das höchste der indikativen Angebote abgegeben, außer großen Versprechungen allerdings nur leere Taschen vorzuweisen. Drei Tage nach einem Bericht der WirtschaftsWoche zu dem Fall schlossen die Insolvenzverwalter und KPMG La Tene Capital aus dem Bietverfahren aus.

Diese und einige weitere Ungereimtheiten muss nun das Europäische Gericht in Luxemburg aufarbeiten. Dort haben das US-Technlogieunternehmen Nexovation und der Verein Ja zum Nürburgring e.V. Klage eingereicht gegen den Beschluss der Kommission, der den Verkaufsprozess als europarechtskonform einstuft. Bis zu einer Entscheidung wird es wohl mindestens eineinhalb Jahre dauern. Wenn die Sache bis in die Folgeinstanz zum Europäischen Gerichtshof geht, können es auch rund fünf Jahre oder noch mehr werden. So lange kann zugleich der Kaufvertrag mit der CNBG nicht vollständig umgesetzt werden.

Die CNBG-Tochtergesellschaft Capricorn Nürburgring GmbH (CNG) ist deshalb für die Zwischenzeit zunächst als Pächter Betreiber des Nürburgrings. Das Wort Capricorn tragen CNBG und CNG inzwischen nur noch im Namen. Der Düsseldorfer Zulieferer, der anfangs mit zwei Dritteln die Mehrheit an der CNBG hielt, ist komplett raus aus dem Geschäft. Seine früheren Anteile liegen inzwischen bei der NR Holding AG um den russischen Pharmaunternehmer Charitonin. Die Holding hält nun nach einer Kapitalerhöhung sogar 80 Prozent, Getspeed kommt noch auf 20 Prozent.

Doch Getspeed hat im Gesellschaftsvertrag eine Reihe von Vetorechten – und treibt damit die NR Holding zur Weißglut. Diese würde viel lieber ohne störenden Minderheitsgesellschafter durchregieren. Mit dem Weiterverkauf der Capricorn-Anteile wurden zwei Gesellschafter zusammengebracht, die sich mittlerweile spinnefeind sind. Etwa zehn Prozesse führen sie aktuell gegeneinander, wie beide Seiten bestätigen.

Es geht vor allem um die Auslegung des Gesellschaftsvertrags, die Kompetenzen der Geschäftsführer (von denen jeder Gesellschafter einen stellen darf). Den Getspeed-Geschäftsführer wollten die Russen abberufen, Getspeed wehrte sich mit einer einstweiligen Verfügung. Mittlerweile finden laufend Gesellschafterversammlungen statt, weil das Unternehmen anders in diversen Punkten anders kaum mehr handlungsfähig ist – und selbst um die Auslegung der Beschlüsse der Gesellschafterversammlungen wird danach mitunter gerichtlich gestritten. Von einem „Stellungskrieg“ spricht ein Insider.

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