Detthold Aden „Wir müssen unsere Infrastruktur intelligenter nutzen“

Nach der Hauptversammlung der BLG in Bremerhaven tritt nach fast 50 Jahren Detthold Aden in den Ruhestand. Der scheidende BLG-Vorstandschef über die nächsten Herausforderungen für die Logistikbranche.

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Detthold Aden Quelle: Logistik Hall of Fame

Fast 50 Jahre war er in der Logistikbranche tätig, führte in der Zeit viele namhafte Unternehmen. Doch nun ist erst einmal Schluss: Nach der Hauptversammlung der BLG in Bremerhaven tritt der langjährige Vorstandschef Detthold Aden, 65, in den Ruhestand. Der gelernte Speditionskaufmann ist ein Urgestein der Branche. Der Urgroßvater war Fuhrunternehmer mit Pferdegespann auf der Wilhelmshavener Werft, der Vater baute nach dem Krieg eine Spedition mit ein paar Lkw auf. Er selbst lernte das Geschäft von der Pike auf. Nach der Mittleren Reife begann er in seiner Heimatstadt Wilhelmshaven eine Lehre zum Speditionskaufmann, leitete schon mit 22 Jahren und nach einer Zusatzausbildung zum Programmierer ein Rechenzentrum und war 1976 einer der Gründer von UPS Deutschland, dem damals ersten privaten Paketdienst des Landes. Es folgten Stationen bei Bertelsmann, der Union Transport-Gruppe, Thyssen Haniel Logistik und schließlich die Bremer Lagerhaus-Gesellschaft BLG, wo er 1999 Vorstandsvorsitzender wurde. Aden sitzt im Präsidium des Deutschen Verkehrsforums, ist Honorarkonsul von Finnland  und wurde im vergangenen Jahr in die Logistik Hall of Fame aufgenommen.

WirtschaftsWoche Online: Herr Aden, mit der Hauptversammlung der BLG-Aktionäre in Bremen endet heute nach fast 50 Jahren ihre aktive Zeit in der Speditionsbranche….

Detthold Aden: Offiziell endet meine Zeit am 31. Mai. Aber ich habe noch ein paar Tage Resturlaub.

Womit verabschieden Sie sich?

Vor allem mit guten Zahlen. Die Aktionäre werden sich freuen. Die BLG hat im abgelaufenen Geschäftsjahr 2012 bei einem Umsatz von 1,15 Milliarden Euro ein Vorsteuerergebnis von 49,1 Millionen Euro erreicht und liegt damit über den Erwartungen und leicht über dem Vorjahr.

Lösen wir uns einmal von den aktuellen Zahlen, blicken wir zurück: Was waren die größten Veränderungen in Ihrer Branche in den zurückliegenden knapp 50 Jahren?

Die letzte große Erfindung in der Logistik war 1956 der Stahlcontainer. Der hat die Globalisierung ermöglicht. Ähnlich bahnbrechende Veränderungen hat es seitdem nicht mehr gegeben. Der nächste Trend war sicherlich der Einzug der Telematik in die weltumspannende Logistik. Und das Thema Infrastruktur hat an Bedeutung gewonnen.

Inwiefern? Ohne Infrastruktur konnten auch schon im Altertum keine Transporte stattfinden.

Wir müssen lernen, die vorhandene Intelligenz der Infrastruktur, und die hat sich seit dem Altertum schon ein wenig weiter entwickelt, besser zu nutzen und sie effizienter zu machen.

Haben sich nicht auch die Transportströme verändert?

Unbedingt. Die Blickrichtung der  Politik ging  früher immer nur nach Süden oder – nach der deutschen Wiedervereinigung – nach Osten. Die deutsche Küste hingegen interessierte kaum einen. Heute muss man mit deutschen Politikern über die Bedeutung der Seehäfen nicht mehr lange diskutieren. Da haben wir eine Menge erreicht.

Aber Ihre persönliche Blickrichtung dürfte sich im Laufe der Jahrzehnte geändert haben – Sie waren lange dem straßengebundenen Güterverkehr verbunden.

Das stimmt. Deshalb fiel mir die Entscheidung, zur BLG zu wechseln, zunächst auch sehr schwer. Die BLG war Ende der 90er Jahre ein zwar altehrwürdiges Unternehmen, aber auch eines ohne große Fantasie. Das Geschäft war gerade restrukturiert und ein Drittel der Belegschaft abgebaut worden. Meine Aufgabe war: Machen Sie etwas draus. Heute haben wir 16.000 Beschäftigte weltweit, davon 8500 an den Heimatstandorten. Das zeigt, dass unsere Globalisierungsstrategie den deutschen Standorten am meisten zu Gute gekommen ist.

"Wir machen in Wilhelmshaven Kurzarbeit"

Geschäft in der Nische
Platz 16: Bremen181 Unternehmen der Erneuerbare-Energie-Branche (0,9 % Anteil der Unternehmen an der Gesamtzahl) (auf dem Bild: Der Offshore-Windpark "Alpha Ventus" in der Nordsee, an dessen Ausbau sich das Bundesland Bremen beteiligt) Quelle: dpa
Platz 15: Saarland203 Unternehmen der Erneuerbare-Energie-Branche (0,9 % Anteil der Unternehmen an der Gesamtzahl) (im Bild: Eine Solaranlage auf dem Gelände der ehemaligen Grube Göttelborn in der Nähe von Saarbrücken) Quelle: dpa
Platz 14: Hamburg670 Unternehmen der Erneuerbare-Energie-Branche (0,9 % Anteil der Unternehmen an der Gesamtzahl) (im Bild: Das Unternehmen Nordex mit Sitz in Hamburg und Rostock, Mitarbeiter montieren das Maschinenhaus für eine Offshore-Windkraftanlage) Quelle: dpa
Platz 13: Sachsen-Anhalt727 Unternehmen der Erneuerbare-Energie-Branche (1,6 % Anteil der Unternehmen an der Gesamtzahl) (im Bild: Das Hauptgebäude des Solarzellen-Herstellers Q-Cells in Bitterfeld-Wolfen) Quelle: dpa
Platz 12: Mecklenburg-Vorpommern814 Unternehmen der Erneuerbare-Energie-Branche (2,0 % Anteil der Unternehmen an der Gesamtzahl) (im Bild: Ein Kühlturm vom ersten deutschen Erdwärmekraftwerk in Neustadt-Glewe)
Platz 11: Thüringen884 Unternehmen der Erneuerbare-Energie-Branche (1,7 % Anteil der Unternehmen an der Gesamtzahl) (im Bild: Der Aufbau des Solarparks in Erfurt) Quelle: dpa
Platz 10: Berlin991 Unternehmen der Erneuerbare-Energie-Branche (1,0 % Anteil der Unternehmen an der Gesamtzahl) (im Bild: Die drehbare Fläche einer Photovoltaikanlage der Firma Solon in Berlin) Quelle: dpa

Die Frage Wachsen oder Weichen stellt sich heute also nicht mehr?

Nein, die BLG konnte auch nicht auf der Kaimauer in Bremerhaven sitzen bleiben und auf einfahrende Schiffe warten. Die BLG musste in die Logistikketten hinein um eine höhere Wertschöpfung zu erzielen und Warenströme beeinflussen zu können. Das ist gelungen.

Was sind die großen Herausforderungen für Ihren Nachfolger Frank Dreeke, der aus der Containerlogistik kommt und am 1. Juni den Stab übernimmt?

Er wird vor allem damit fertig werden müssen, dass wir in der Automobillogistik mit einer anhaltenden Marktschwäche in Europa konfrontiert sind und die Wachstumsmärkte in Osteuropa liegen. Die Automärkte in Deutschland, Italien, Frankreich werden nach meiner Einschätzung noch eine ganze Weile schwach bleiben. Der russische Automarkt hingegen wächst weiter kräftig – 2012 wurden dort erstmals genauso viel Autos zugelassen wie in Deutschland. Die Netze der BLG – Schiene, Straße, Wasser – müssen deshalb zügig Richtung Osteuropa erweitert werden. Die Vorbereitungen dafür sind getätigt.

Und im Containerbereich?

Auch da haben wir  gerade mal wieder eine latente Marktschwäche. Wir werden deshalb dieses Jahr hier wahrscheinlich nur auf ein einstelliges Wachstum kommen und nicht wie früher auf 20 Prozent. Es gilt auch, den Jade-Weser-Port Wilhelmshaven erfolgreich an den Start zu bringen. Das gilt auch für die Containerterminals in Tanger und im russischen Ust-Luga, an denen wir führend beteiligt sind.

An Jade-Weser-Port ist die BLG über Eurogate beteiligt…

Und wir sind der Betreiber. Wir haben eine 40-jährige Betriebslizenz.

Mit dem Betrieb dürften Sie aber noch nicht viel verdienen, oder?

Wir sind seit September letzten Jahres einsatzfähig. Aufgrund großer Baumängel gab es bekanntermaßen große Verzögerungen. Das hat dazu geführt, dass dort im Augenblick noch nicht viel läuft. Denn ein Reeder plant langfristig. Und wenn er nicht weiß, wann ein Terminal in Betrieb geht, dann plant er ihn auch noch nicht ein. Eurogate wird frühestens Ende des Jahres in der Lage sein, erste maßgebliche Güterbewegungen in Wilhelmshaven zu realisieren. So lange ist das für uns natürlich ein Problem, denn wir haben 450 Mitarbeiter.

Wie beschäftigen Sie die derzeit?

Wir machen dort Kurzarbeit. Wir haben ja durchaus ein paar Schiffe, aber nicht in dem Maße, wie wir uns das vorgestellt haben. Wilhelmshaven ist nach wie vor die richtige Antwort auf die neuen tiefgehenden Schiffe der 18.000er Klasse, die jetzt in Fahrt kommen. Beladen können die Hamburg und Bremerhaven nicht mehr anlaufen, selbst nicht nach einer nochmaligen Vertiefung von Elbe und Weser. Die Schiffe würden also Rotterdam anlaufen, wenn wir nicht Wilhelmshaven hätten.

Aber der volle Betrieb des Hafens ist frühestens 2014 darstellbar. In der Zwischenzeit fahren Sie Verluste ein?

Man hat immer Anlaufverluste, wenn man einen neuen Hafen in Betrieb nimmt. Damit muss man immer rechnen. Wenn dann noch Baumängel hinzukommen und Verzögerungen, dann haben Sie einiges zu tragen. Aber das ist unternehmerisches Risiko. Aber Wilhelmshaven ist ja auch nicht riesengroß: Bei voller Auslastung werden hier etwa 2,5 Millionen Container umgeschlagen – Bremerhaven macht sieben Millionen Container im Jahr, Hamburg neun Millionen.

"Wir haben weiter steigende Exportzahlen"

Die Luftaufnahme zeigt das North Sea Terminal (NTB) in Bremerhaven im Hafen. Quelle: dapd

Wie hoch sind die Belastungen durch Wilhelmshaven?

Eurogate hat durch die Belastungen in Wilhelmshaven, Ust-Luga und Tanger  eine Ergebnisreduzierung  von 20 Millionen Euro hinnehmen müssen. Deshalb also hat Eurogate , unser stärkster und ertragreichster Geschäftsbereich, im Geschäftsjahr 2012 auf Grund der Anlaufverluste 20 Millionen Euro weniger Ergebnis gemacht als im Vorjahr.  In der BLG-Bilanz schlug sich dies mit rund  10 Millionen Euro nieder. Aber das haben die Geschäftsbereiche Auto- und Kontraktlogistik überkompensiert.

Im letzten Jahr. Und dieses Jahr?

Wir rechnen für dieses Jahr noch einmal mit einer Belastung in gleicher Größe  einschließlich der Anlaufverluste von Tanger und Ust-Luga dabei.

Werden Sie wegen der Verzögerungen in Wilhelmshaven Schadenersatz fordern?

Das befindet sich derzeit in Verhandlungen.

Wird die Autologistik in diesem Jahr diese Belastung wieder kompensieren können? Wie Sie sagten, schwächelt der europäische Markt ja derzeit heftig. Und die deutschen Hersteller bauen ja kräftig neue Autowerke in Übersee.

Im Moment haben wir weiter steigende Exportzahlen der deutschen Hersteller von Premiumfahrzeugen. Die werden auch in Zukunft in Deutschland gebaut. Die ausländischen Produktionsstätten werden in der Tat immer größer und zahlreicher. Aber auch daran partizipieren wir. Denn wir sind auch ein große Autoteile-Logistiker, der alle Werke von Mercedes und viele von BMW in Übersee mit Komponenten beliefert und dafür sorgt, dass die Teile ans Band kommen.

Der Import von Komplettfahrzeugen dürfte dafür zurückgehen, oder?

Das ist so. wir haben heute nur noch 20 Prozent Import – früher waren es 50 Prozent des Gesamtvolumens in den Häfen. Kia und Hyundai produzieren aber inzwischen in der Slowakei. Und diese Autos werden mit unseren Zügen, mit Lastern und Binnenschiffen über die Donau nach Deutschland gebracht. Wir haben die Autos – sie landen nur nicht mehr im Seehafen an. Daran sieht man sehr schön die Entwicklung der BLG: Früher war sie allein im Hafen und in Bremerhaven. Heute sind wir an vielen Orten weltweit und mit ganz unterschiedlichen Transportmitteln aktiv.

Und Sie haben mit der Offshore-Logistik ein komplett neues Geschäftsfeld aufgebaut.

Das war ursprünglich ein Instrument zur Bewältigung der Wirtschaftskrise. Damals hatten wir Überkapazitäten in den Terminals, die wir nach der Energiewende und dem Boom der Windkraftanlagen auf See umgewidmet haben.

In den Häfen zeigt sich immer sehr früh, wie sich die Konjunktur entwickelt. Was melden diese Sensoren für 2013 und 2014?

In diesem Jahr wird die Wirtschaft weiter wachsen, aber ganz verhalten. Das ist noch kein Grund zur Sorge – immerhin gibt es noch so etwas wie Wachstum. 

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