Deutsche Akkreditierungsstelle Wer prüft die Prüfer?

Quelle: imago images

Die Deutsche Akkreditierungsstelle GmbH (DakkS) ist das einzige deutsche Unternehmen mit der Befugnis, Prüfstellen wie TÜV und Dekra die Erlaubnis zur Hauptuntersuchung zu entziehen. Aber nicht nur Kfz-Prüfer brauchen eine Akkreditierung. Eine Annäherung an einen wichtigen Akteur der deutschen Wirtschaft.

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DIN EN ISO/IEC 17011, 17020 und 17025. Was sich wie recht konfuser Ziffernsalat liest, ist für Prüfstellen wie den TÜV und die Dekra entscheidend dafür, ob sie weiter die Hauptuntersuchung (HU) für Fahrzeuge anbieten dürfen. Es sind die Normen, nach denen die Deutsche Akkreditierungsstelle GmbH (DAkkS) arbeitet. Sie übernimmt in Deutschland anstelle des Staates alle Akkreditierungen für Inspektions- und Zertifizierungsstellen und entscheidet damit, wer weiter prüfen darf und wer nicht.

Die Akkreditierungsstelle sitzt in Berlin, Frankfurt und Braunschweig und existiert seit 2010. Sie gehört zu je einem Drittel dem Bund, den Ländern und dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Im Jahr 2018 setzte die DAkkS mehr als 30 Millionen Euro um. Weil sie hoheitliche Aufgaben übernimmt, darf sie innerhalb der EU aber nicht gewinnorientiert wirtschaften.

Die DAkkS war nicht immer das einzige deutsche Unternehmen mit der Erlaubnis, Akkreditierungen zu erteilen. Bis 2009 war der Markt stark zersplittert, es gab rund 20 private und öffentlich-rechtliche Akkreditierungsstellen. Die Länder hatten beispielsweise eine Zentralstelle für Sicherheitstechnik und die privaten Anbieter verteilten sich auf verschiedene Branchen. Die EU erließ 2008 eine Verordnung, um das Akkreditierungssystem europaweit anzugleichen und den Handel zu erleichtern. Alle Mitgliedsstaaten sollten eine nationale Akkreditierungsstelle einrichten. Der Bund setzte die EU Verordnung 2009 um und gründete die DAkkS GmbH, die mit einigen der größten privaten Anbieter verschmolz.

Viele Deutsche haben vermutlich erst vor wenigen Wochen zum ersten Mal von der DAkkS gehört: Der Bundesinnungsverband des Kraftfahrzeughandwerks sollte sich laut eines Gesetzesvorschlags bei der DakkS akkreditieren lassen, um weiter die Abgasuntersuchung durchführen zu dürfen. Die großen Prüforganisationen befürchteten, dass Kfz-Werkstätten in Zukunft auch die HU anbieten dürften und sahen ihr Geschäft in Gefahr. Dafür müsste der Verband allerdings erst den Akkreditierungsprozess der DAkkS überstehen. Das schaffen längst nicht alle: Im Jahr 2019 wurden in 18 Fällen Akkreditierungen ausgesetzt und in 101 Fällen sogar zurückgezogen. 51 überprüfte Stellen haben die Akkreditierung selbst aufgegeben.

Die Gutachter der DAkkS kontrollieren die Standorte der HU-Anbieter stichprobenartig vor Ort. Dort beobachten sie die Prüfingenieure bei der Hauptuntersuchung, führen Interviews mit den Beschäftigten und überprüfen die Kalibrierung der Bremsprüfstände, Abgasmessgeräte und Prüfplätze für die Scheinwerfereinstellung. Die Begutachtung dauert normalerweise anderthalb bis zwei Tage. Falls es Abweichungen von Normen und Vorschriften gibt, haben die überprüften Unternehmen noch zwei Monate Zeit für Korrekturen. Ein Ausschuss aus Fachexperten entscheidet dann, ob das Unternehmen die Akkreditierung erhält.

Bevor die Prüfungsanbieter ihre Akkreditierung erneuern lassen müssen, vergehen fünf Jahre. Zwischendurch gibt es jährliche, teils unangekündigte Überprüfungen. Diese haben einen geringeren Umfang. Im Lauf der fünf Jahre überprüft die DAkkS aber alle bei der Erstakkreditierung kontrollierten Aspekte noch einmal, jeweils an unterschiedlichen Standorten.

Ähnlich läuft es auch bei Akkreditierungen in anderen Branchen. Denn die Aufgaben der DAkkS beschränken sich nicht auf KfZ-Prüfstellen, die Bandbreite ist groß. Mehr als die Hälfte der über 4200 akkreditierten Unternehmen sind zum Beispiel Prüf- und Kalibrierlabore. Ein Kunde sind die kriminaltechnischen Institute der Bundes- und Landeskriminalämter. Rund 200 Verfahren akkreditiert die DAkkS dort, etwa zu Fingerabdrücken, Speichelproben oder Schmauchspurenanalysen. Auch die deutschen Laboratorien der Welt-Anti-Doping-Agentur überprüft die DAkkS auf ihre Kompetenz.

Nicht alle dieser – Achtung, Beamtendeutsch: „Konformitätsbewertungsstellen“ (KBS) sind gesetzlich dazu verpflichtet, sich von der DAkkS akkreditieren zu lassen. Viele erhoffen sich durch das Akkreditierungssiegel aber bessere Wettbewerbschancen. „Das Zusammenspiel von Konformitätsbewertung und Akkreditierung erhöht das Vertrauen der Kunden in den Markt“, sagt DAkkS-Geschäftsführer Stephan Finke. Für deutsche Hersteller seien die internationalen Vermarktungschancen deutlich besser, wenn sie ihre Produkte von akkreditierten Stellen prüfen ließen. Die Akkreditierung habe deshalb eine enorme Bedeutung für deutsche Wirtschaftsakteure.

Die Akkreditierungsstelle hat nicht für alle Branchen Experten im eigenen Haus. Deshalb verfügt sie über einen Pool aus rund 900 externen Begutachtern. Heike Manke leitet bei der DAkkS die Abteilung für Metrologie, Bauwesen, Verkehr und Erneuerbare Energien. „Es ist gar nicht so einfach, genügend Experten in den verschiedenen Einsatzgebieten mit dem nötigen Fachwissen zu finden, die gleichzeitig unabhängig und unparteiisch sind“, erklärt sie. Die DAkkS überprüfe, ob die Begutachter kommerzielle, finanzielle oder andere Interessenkonflikte haben. Alle relevanten Verbindungen zu der zu begutachtenden Stelle müssten die Experten im Fall eines beabsichtigten Einsatzes anzeigen. Sind Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gefährdet, könne der Experte nicht eingesetzt werden.

Zusätzlich gibt es Gremien, die die Unabhängigkeit der DAkkS sicherstellen sollen. Dort sind alle akkreditierungspflichtigen Branchen der Industrie mit ihren Verbänden vertreten. Zum Beispiel sitzen sie im beim Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) angesiedelten Akkreditierungsbeirat, der die Bundesregierung in Fragen der Akkreditierung berät. Dabei geht es zum Beispiel um die Anforderungen an die Prüfunternehmen. In dem Gremium sind Verbraucherschützer, Behörden und Wissenschaftler vertreten, aber auch Vertreter der KBS, beispielsweise der Verband der TÜV.

Auch der Verband Unabhängiger Prüflaboratorien (VUP) sitzt im Akkreditierungsbeirat. „Wenn ein Verband heftige Kritik äußert, kann das auch mal dazu führen, nicht in ein Gremium aufgenommen zu werden“, sagt Anton Blöth vom VUP. Das sei dem Verband bei der Besetzung des DAkkS-Beirats passiert, der die Unparteilichkeit der Akkreditierungsstelle kontrolliert und nach Meinung des VUP auch eine Art Kundenbeirat sein sollte. „Der Beirat ist ausgewogen besetzt, dort sind alle interessierten Kreise vertreten, natürlich auch Vertreter der Verbände“, erklärt ein Sprecher der DakkS. „Jeden Verband aufzunehmen wird nicht möglich sein, wenn das Gremium arbeitsfähig bleiben soll.“


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Dass es eine zentrale Akkreditierungsstelle gibt, finden eigentlich alle betroffenen Branchen richtig. An der Umsetzung gibt es aber teils Kritik. Zum Beispiel vom VUP. Prüflaboratorien hängen stark von der Akkreditierung durch die DakkS ab. Trinkwasserlabore oder Labore, die Vaterschaftstests anbieten, sind zum Beispiel gesetzlich dazu verpflichtet. „Manchmal warten unsere Mitglieder aber monatelang auf ihre Akkreditierungsurkunde, die sie brauchen, um gesetzliche Vorgaben oder Kundenausschreibungen zu erfüllen“, berichtet Blöth. Die DakkS müsse effizienter und transparenter arbeiten. Auskünfte zu erhalten könne tagelang dauern, die Begutachtungen seien zunehmend formalistisch und stellten zu wenig das Praktische in den Vordergrund. Daran seien teils aber auch andere eingebundene Behörden Schuld, betont Blöth.

Ein weiteres Problem seien die Gebühren. „Für unsere meist kleinen und mittelständischen Unternehmen ergeben sich Kosten bis in den fünfstelligen Bereich“, sagt Blöth. Diese müssten in der Regel als Vorschuss geleistet werden. „Mittelstandsfreundlich ist das nicht.“ Die Gebühren für die Akkreditierung bestimmt das Bundesministeriums für Wirtschaft (BMWi).

Das BMWi ist außerdem für die Beaufsichtigung der Akkreditierungsstelle zuständig. Regelmäßig kontrolliert auch die Europäische Akkreditierungsorganisation (EA) das Unternehmen. Nur bei erfolgreicher Evaluierung bleiben die Akkreditierungen der DakkS international anerkannt. Selbst die DakkS kann sich also nicht vor Überprüfungen drücken.

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In Deutschland sind 19 Prüforganisationen für die Hauptuntersuchung zugelassen . In Österreich kommen rund 6000 Werkstätten hinzu. Andrey Prosenz vom österreichischen Autofahrerclub ÖAMTC, erklärt, warum das nicht nur günstiger, sondern auch sicherer ist.

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