
Irgendwo zwischen Dortmund und Bochum bahnt sich der korpulente Mann seinen Weg durch den vollgestopften Mittelgang im Wagen 26. Es ist Sonntagnacht, 23.45 Uhr, der ICE 842 hat auf seinem Weg von Berlin nach Köln inzwischen eine Verspätung von 40 Minuten angesammelt. Der Mann quetscht sich auf den letzten freien Platz am Fenster, sein Koffer passt nirgends mehr dazwischen. Solidarisch schiebt da der Nebensitzer das Gepäckstück zwischen seine Füße. „Sie sind aber sozial“, staunt der Korpulente und fragt den Nachbarn nach seinem Sternzeichen. Er sei Astrologe und glaube daran, dass der Einfluss des Himmels schon alles richten werde.
Defekte Klimaanlagen in 30 Zügen
Realistischer sieht der Sprecher des DB-Personenverkehrs, Jürgen Kornmann, die Situation. Dass in den vergangenen zwei Tagen etliche Züge verspätet am Ziel eingetroffen sind, führt er sowohl auf die Hitze zurück, als auch auf das hohe Passagieraufkommen zum Ferienende in Nordrhein-Westfalen. „Zu Spitzenreisezeiten schicken wir alle Züge auf die Schiene, die wir haben, auch Ersatzzüge“, sagt er.
Zwar seien laut Bahnangaben am Sonntag und am Montag rund dreißig Züge ganz oder auf Teilstrecken ausgefallen, weil die Klimaanlage streikte. Fahrgäste mussten auf andere Verbindungen umsteigen. Doch das eigentlich Problem sei ein anderes. "Die Infrastruktur ist hoch belastet", sagt Kornmann. Neben dem DB-Personenfernverkehr würde auch der gesamte Nah- und Güterverkehr über das Streckennetz abgewickelt. „Rechnet man die privaten Anbieter hinzu, nutzen 370 Unternehmen das Netz“. Laut einer Studie der Bahn zur Pünktlichkeit fahren pro Tag über 30.000 Züge, die sich gegenseitig im Fahrbetrieb beeinflussen.
Bis zu 800 Tagesbaustellen
Ein hochvertaktetes Angebot also, das nur funktioniert, wenn nichts dazwischenkommt. Langfristige Baustellen würden gewöhnlich für den Halbjahres-Fahrplan berücksichtigt, so Kornmann. Bei 600 bis 800 Tagesbaustellen aber müssten im Zweifel Umwege gefahren werden. Diese zögen dann sukzessive Verspätungen nach sich. Die einfachste Lösung, die Taktung schlicht zu reduzieren, komme aber auch nicht in Frage. „Wir wollen die Nachfrage bedienen“, sagt Kornmann. Es sei auch genügend Personal vorhanden. Der Vorwurf, dass Züge später abführen, weil sich das Team der Zugbegleiter verspäte, sei so nicht richtig. „Wenn ein Zug wartet, dann nicht, um Personal aufzunehmen, sondern um den Passagieren ihren Anschluss zu sichern“, sagt Kornmann.
Welche Ausmaße die Verspätungen der Bahn tatsächlich annehmen, kann nun dank des sogenannten Zugmonitors im Internet nachverfolgt werden. Die Berliner Firma OpenDataCity lässt auf einer interaktiven Karte Züge kreuz und quer durchs Land fahren. Von Abfahrts- bis Ankunftsbahnhof wird detailgenau die Verspätung protokolliert. Es genügt, am rechten Bildschirmrand den Zugtyp, den Tag und den Abfahrtsbahnhof einzugeben. Rund 4000 Klicks am Tag registriert die Seite, sagt OpenDataCity-Mitgründer Marco Maas. Ein konstantes Interesse habe sich eingependelt.