Deutsche Bahn Die größten Baustellen des Konzerns

Die Deutsche Bahn hat Probleme. Nicht nur mit ständigen Verspätungen. Oder kaputten Zügen. Oder maroden Schienen. Doch der Niedergang lässt sich stoppen. Die größten Baustellen und Lösungen.

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Wo Kunden zufrieden sind – und wo nicht
Pünktlichkeit: Jeder fünfte ICE kam 2015 mindestens sechs Minuten zu spät an. Die Leistungen entsprechen nicht annähernd den Zielen der Deutschen Bahn. Sie will in diesem Jahr eine Pünktlichkeitsquote von 80 Prozent erreichen, langfristig sogar auf 85 Prozent hoch kommen. Die Tendenz 2016 bleibt jedoch weiter schwach. Im Januar lag die Pünktlichkeitsquote bei 77 Prozent. Quelle: AP
Preise: Die Zeiten der jährlichen Preiserhöhung wegen „gestiegener Energie- und Personalkosten“ sind vorbei. Zumindest im Fernverkehr blieben die Preise seit zwei Jahren stabil - den Fernbussen sei Dank. 19-Euro-Sparpreise locken inzwischen selbst Schüler und Studenten. Die neue Devise des Vorstands: lieber volle Züge statt leerer Kassen. Preislich ist die Bahn inzwischen wettbewerbsfähig. Quelle: dpa
ICE-Restaurant: Leider ist die Küche zu oft kaputt. Mal bleiben die Getränke warm oder der Kaffee kalt. Mitunter fehlen die angepriesenen Snacks wegen schlechter Logistik. Dennoch: Wenn es läuft, dann ist ein Sitz im ICE-Restaurant der schönste Platz im Zug – gerne auch bei einem der guten Weine.Urheber: Volker Emersleben // Deutsche Bahn AG
WLAN: In der zweiten Klasse eines ICE ist WLAN noch immer nicht kostenlos und in der ersten Klasse funktioniert der Download alles andere als einwandfrei. Als 2010 zahlreiche ICE grundsaniert wurden, verzichtete das Unternehmen sogar auf den Einbau der WLAN-Technik. So viel Behäbigkeit wird nun bestraft. Die Fernbusse machen der Bahn in Sachen WLAN was vor. Erst Ende 2016 soll es auch im ICE besser werden. Viel zu spät. Quelle: dpa
Information: Schon mal in Bielefeld am Bahnhof gewesen? Seit Jahren fallen die Anzeigentafeln immer wieder aus. Bielefeld gibt es leider auch anderswo. Und wenn die Anzeigen am Bahnsteig funktionieren, dann korrespondieren sie oft nicht mit den Informationen der Bahn-Apps. In den Zügen sollte die Bahn mal ihre Durchsagen auf Relevanz überprüfen. Immerhin am Bahnsteig soll es bald Entwirrung geben. Die Bahn will Multi-Zug-Anzeigen einsetzen: mit drei Zügen auf dem Display. Das klingt gut. 40 von insgesamt 120 Fernbahnhöfen sind bereits umgerüstet. Quelle: dpa
Apps: Nicht jede Frage an @DB_Bahn beantwortet das Twitter-Team zwar zu voller Zufriedenheit. Dennoch zeigen die Twitterer der Deutschen Bahn, wie schnell und effektiv ein Konzern mit seinen Kunden kommunizieren kann. Eine starke Leistung. Auch der DB Navigator bietet echten Mehrwert. Die Deutsche Bahn beweist mit ihren Apps, dass auch traditionelle Konzerne digitale Maßstände setzen können.   Quelle: dpa
Lounges: Ein großzügiger Service für Vielfahrer: kostenloser Kaffee, Tee, Wasser und Softdrinks. In der ersten Klasse erhalten Fahrgäste auch Bier, Wein und Snacks. Leider ist die zweite Klasse oft zu voll. Die Deutsche Bahn prüft den Aufbau zusätzlicher Lounges in ein bis zwei Städten. Quelle: dpa

Sebastian Striebel ist Chef eines Familienbetriebs, wie es ihn 1000-fach gibt in Deutschland.
Doch für die Deutsche Bahn ist die Wilhelm Bohnert GmbH & Co. KG (Wibo) in Ottenhöfen im Schwarzwald etwas Besonderes. Seit 1926 liefert das Unternehmen Gleisschotter für das Schienennetz, den es in einem nahe gelegenen Steinbruch gewinnt. Dazu lädt Wibo den Schotter in Waggons, die die Bahn dann zu den Gleisbaustellen in ganz Deutschland fährt – eine vorbildhafte Entlastung der Straßen und der Umwelt von schweren Lkws.

Ottenhöfen und 214 weitere Verladestellen aber wollte die Deutsche Bahn nicht mehr anfahren. „Zu wenig Umsatz“, so die Begründung. Dass dies so ist, daran ist der Staatskonzern zu einem Gutteil selbst schuld. Nur noch 30 000 Tonnen Schotter transportierte Wibo-Chef Striebel 2015 über die Schiene ab, vor einigen Jahren war es viermal so viel. Dass er nun mehr auf Lkws setze, liege auch am häufigen Ausbleiben zugesagter Waggons. „Wir bekommen immer wieder Stornos rein“, beschwert sich Striebel über die Güterverkehrssparte der Bahn. Die sei schlicht „nicht zuverlässig“.

Wie die Deutsche Bahn 6,3 Milliarden Euro vergeudet

Das kleine Ottenhöfen steht für das große Scheitern, das Scheitern des Managements der Bahn und letztlich der deutschen Eisenbahnpolitik. 22 Jahre nach ihrer Umwandlung in eine Aktiengesellschaft steht die Deutsche Bahn wieder am Anfang. Sie fuhr 2015 den ersten Verlust seit zwölf Jahren ein. Qualität und Pünktlichkeit sind unakzeptabel. Mitarbeiter und Kunden waren selten unzufriedener.

Die Politik hat es versäumt, klare Ziele für den Staatskonzern zu definieren. Stattdessen sollte zu Beginn des Jahrtausends der damalige Vorstandschef Hartmut Mehdorn die Bahn börsenfähig machen. Statt ins Schienennetz zu investieren und die Flotte zu modernisieren, kaufte der für Milliarden Logistikfirmen. Nachfolger Rüdiger Grube werkelte ähnlich weiter. Auch er kaufte zu, während der Schienengüterverkehr dahinsiechte und die Fernbusse immer mehr Passagiere zum Umsteigen animierten.

Wo Kunden zufrieden sind – und wo nicht
Pünktlichkeit: Jeder fünfte ICE kam 2015 mindestens sechs Minuten zu spät an. Die Leistungen entsprechen nicht annähernd den Zielen der Deutschen Bahn. Sie will in diesem Jahr eine Pünktlichkeitsquote von 80 Prozent erreichen, langfristig sogar auf 85 Prozent hoch kommen. Die Tendenz 2016 bleibt jedoch weiter schwach. Im Januar lag die Pünktlichkeitsquote bei 77 Prozent. Quelle: AP
Preise: Die Zeiten der jährlichen Preiserhöhung wegen „gestiegener Energie- und Personalkosten“ sind vorbei. Zumindest im Fernverkehr blieben die Preise seit zwei Jahren stabil - den Fernbussen sei Dank. 19-Euro-Sparpreise locken inzwischen selbst Schüler und Studenten. Die neue Devise des Vorstands: lieber volle Züge statt leerer Kassen. Preislich ist die Bahn inzwischen wettbewerbsfähig. Quelle: dpa
ICE-Restaurant: Leider ist die Küche zu oft kaputt. Mal bleiben die Getränke warm oder der Kaffee kalt. Mitunter fehlen die angepriesenen Snacks wegen schlechter Logistik. Dennoch: Wenn es läuft, dann ist ein Sitz im ICE-Restaurant der schönste Platz im Zug – gerne auch bei einem der guten Weine.Urheber: Volker Emersleben // Deutsche Bahn AG
WLAN: In der zweiten Klasse eines ICE ist WLAN noch immer nicht kostenlos und in der ersten Klasse funktioniert der Download alles andere als einwandfrei. Als 2010 zahlreiche ICE grundsaniert wurden, verzichtete das Unternehmen sogar auf den Einbau der WLAN-Technik. So viel Behäbigkeit wird nun bestraft. Die Fernbusse machen der Bahn in Sachen WLAN was vor. Erst Ende 2016 soll es auch im ICE besser werden. Viel zu spät. Quelle: dpa
Information: Schon mal in Bielefeld am Bahnhof gewesen? Seit Jahren fallen die Anzeigentafeln immer wieder aus. Bielefeld gibt es leider auch anderswo. Und wenn die Anzeigen am Bahnsteig funktionieren, dann korrespondieren sie oft nicht mit den Informationen der Bahn-Apps. In den Zügen sollte die Bahn mal ihre Durchsagen auf Relevanz überprüfen. Immerhin am Bahnsteig soll es bald Entwirrung geben. Die Bahn will Multi-Zug-Anzeigen einsetzen: mit drei Zügen auf dem Display. Das klingt gut. 40 von insgesamt 120 Fernbahnhöfen sind bereits umgerüstet. Quelle: dpa
Apps: Nicht jede Frage an @DB_Bahn beantwortet das Twitter-Team zwar zu voller Zufriedenheit. Dennoch zeigen die Twitterer der Deutschen Bahn, wie schnell und effektiv ein Konzern mit seinen Kunden kommunizieren kann. Eine starke Leistung. Auch der DB Navigator bietet echten Mehrwert. Die Deutsche Bahn beweist mit ihren Apps, dass auch traditionelle Konzerne digitale Maßstände setzen können.   Quelle: dpa
Lounges: Ein großzügiger Service für Vielfahrer: kostenloser Kaffee, Tee, Wasser und Softdrinks. In der ersten Klasse erhalten Fahrgäste auch Bier, Wein und Snacks. Leider ist die zweite Klasse oft zu voll. Die Deutsche Bahn prüft den Aufbau zusätzlicher Lounges in ein bis zwei Städten. Quelle: dpa

Allmählich erkennen Politiker, dass nur eine Neuausrichtung der Verkehrspolitik die Bahn wieder in die Spur bringen kann. „Das Parlament ist nicht mehr bereit, den Kurs mitzutragen“, sagt Martin Burkert (SPD), Vorsitzender des Verkehrsausschusses. Denkbar sei eine Grundgesetzänderung, um die „Daseinsfürsorge im Fernverkehr und im Güterverkehr“ festzuschreiben.

Dazu müssten die Verantwortlichen aber grundlegende Fehler im System beseitigen.

Fehler 1: Unklare politische Vorgaben

Die Entwicklung bei der Bahn dürfe „keine Fortsetzung haben“, sagte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) im April. Doch klare politische Vorgaben für den Staatskonzern sind nicht erkennbar. Nur die Vertragsverlängerung für den Bahn-Chef über das Jahr 2017 hinaus wackelt.

Mal Schnecke, mal Windhund
Die Tabellen zeigen die schnellsten Verbindungen im Stundentakt (auf einzelnen Strecken verkehren dazwischen noch andere Fernzüge, die aber in der Regel langsamer sind).Quelle: Deutsche Bahn; Stand: 9.10.2013 Quelle: obs
Entfernung bis 100 km.
Entfernung bis 200 km. * Durchschnittswert
Entfernung bis 300 km. ** wegen Hochwasserschäden bis 4. November 2:09 Std.
Mehr als 300 km.

„Die Politik steuert die Deutsche Bahn nur mangelhaft“, sagt Christian Böttger, Experte für Verkehrswesen an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Die Bundesregierung müsste als Eigentümerin vorgeben, welche Bahn sie sich wünscht: Eine möglichst kleine und profitable? Oder eine, die einen großen Beitrag zum Umweltschutz leistet, indem sie möglichst flächendeckend unterwegs ist?

Die Legitimation dazu hat die Politik. Immerhin hat der Steuerzahler seit dem Jahr 2000 mehr als 70 Milliarden Euro in den Erhalt sowie den Neubau des Schienennetzes gesteckt. Andernfalls hätte die Bahn nur Miese gemacht, da ihre Einnahmen durch den Fahrbetrieb nie und nimmer ausreichen, die Kosten des Netzes zu erwirtschaften. Für die Milliardenzuschüsse könnte die Politik etwa ein Qualitäts- und Pünktlichkeitsniveau vorschreiben, wie dies in Ansätzen im Personennahverkehr geschieht. Doch statt mit Steuergeldern Züge und Gleise auf Vordermann zu bringen, hat die Deutsche Bahn „in den vergangenen Jahren ihre Freiräume in der Unternehmensentwicklung zum Ausbau bahnferner Sparten genutzt“, sagt Böttger. Folge: Güter rollen auf der Straße und immer weniger auf der Schiene. Der Marktanteil der Güterbahnen in Deutschland verharrt bei 17 Prozent.

Die größten Pannen der Deutschen Bahn
Juli 2015Wegen der großen Hitze sind die Luftkühlungen mehrerer IC-Züge ausgefallen. Anders als im Sommer 2010 reagierte die Bahn diesmal schnell: Sie stellte für die besonders betroffene Linie Berlin-Amsterdam zwei Ersatzzüge bereit. Sie sollen eingesetzt werden, wenn die Luftkühlung in anderen IC auf der Strecke versagt, wie ein Sprecher mitteilte. Außerdem wurden in Osnabrück mehrere Busse stationiert. Dort mussten insgesamt mehrere Hundert Fahrgäste in nachfolgende Züge umsteigen, weil in ihren Zügen die Klimaanlage ausgefallen war. Es habe aber kein Fahrgast gesundheitliche Probleme bekommen, so der Sprecher. Bei etwa einem Dutzend älterer Intercitys auf der Linie Berlin-Amsterdam hatten die Klimaanlagen ihre Arbeit eingestellt. Quelle: dpa
Oktober 2014Ein Warnhinweis sorgt für Lacher, Spott und eine Entschuldigung der Deutschen Bahn: „Cannstatter Wasen: Es ist mit Verspätungen, überfüllten Zügen und verhaltensgestörten Personen zu rechnen“ ist am Samstag auf den Anzeigetafeln an mehreren Bahnhöfen in der Region Stuttgart zu lesen gewesen, wo das Volksfest an seinem letzten Wochenende in diesem Jahr wieder Tausende Besucher anlockte. „Wir entschuldigen uns dafür“, sagte eine Bahn-Sprecherin am Sonntag und bestätigte Online-Berichte der „Stuttgarter Nachrichten“ und der „Stuttgarter Zeitung“. Ein Mitarbeiter habe den Text entgegen aller Vorgaben verfasst. Er werde Anfang der Woche zum Rapport bestellt. Dann solle auch der gesamte Vorgang aufgeklärt werden. Quelle: dpa
August 2013Ein ungewöhnlich hoher Krankenstand in der Urlaubszeit sorgte im August 2013 für ein Fahrplanchaos am Mainzer Hauptbahnhof - und für massiven Ärger bei den Fahrgästen. Die Deutsche Bahn hat für das Chaos am Mainzer Hauptbahnhof wegen massiver Personalprobleme auf Facebook um Entschuldigung gebeten. „Für die derzeitigen Einschränkungen möchte ich mich entschuldigen“, antwortete ein Mitarbeiter in dem Sozialen Netzwerk auf Beschwerden einer Nutzerin. Die Situation sei „wahrlich nicht schön“. Quelle: dpa
August 2013Um dem Problem der häufig verstopften und verdreckten Zugtoiletten Herr zu werden, setzt die Bahn ab sofort neue Reinigungskräfte, sogenannte Unterwegsreiniger, in ICE-Zügen ein. Die Reinigungskolonne, die auf der Fahrt die Toiletten putzt, wird um 50 Beschäftigte auf 250 aufgestockt, wie der Vorstandsvorsitzende DB Fernverkehr, Berthold Huber, ankündigte. Die Mitarbeiter sollen zugleich stärker entsprechend der Zugauslastung eingesetzt werden. Damit würden die Toiletten in besonders gefragten Bahnen mindestens zweimal und damit doppelt so oft auf der Fahrt gereinigt wie bisher. Der Fahrgastverband Pro Bahn und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) lobten die Initiative, wiesen aber zugleich auf andere Probleme hin. „Neben den kaputten oder dreckigen Toiletten gibt es tagtägliche Kundenbeschwerden vor allem über die Klimaanlagen und Verspätungen“, sagte Pro-Bahn-Bundessprecher Gerd Aschoff. Und das sind nicht die einzigen Pannen der Deutschen Bahn... Quelle: dpa
November 2011Nach der persönlichen Anmeldung im neuen elektronischen Ticketsystem „Touch & Travel“ waren für nachfolgende Nutzer die Kundendaten sichtbar. Quelle: dpa
Juli 2010Am einem Wochenende fallen in mehreren ICE-Zügen die Klimaanlagen aus. Fahrgäste kollabierten, Schüler mussten dehydriert ins Krankenhaus eingeliefert werden. Im Zuge der Panne wurde bekannt, dass die Klimaanlagen der Bahn nur bis 32 Grad funktionieren. Damals fielen in Dutzenden Zügen die Klimaanlagen aus. Quelle: dpa
April 2010 - ICE verliert TürBei voller Fahrt verliert ein ICE auf dem Weg von Amsterdam nach Basel eine Tür. Das Stahlteil schlägt in einen entgegenkommenden ICE ein. Auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Frankfurt und Köln werden sechs Menschen leicht verletzt. Ursache für den Unfall ist eine lose Stellmutter an der Verriegelung. Foto: dpa

Wie ein Mahnmal für diese Fehlentwicklung steht Reutlingen. Die Stadt am Rand der Schwäbischen Alb verfügte einst über einen Güterbahnhof mit 17 Gleisen. Doch die Bahn baute vor acht Jahren das letzte Gleis ab. Stattdessen sollten dort Hotels, Geschäfte und Wohnungen entstehen. Die Stadt klagte gegen die Bahn und kaufte das Areal 2010 zurück. Zurzeit planen die Schwaben auf dem Gelände ein Logistikzentrum – mit neuem Gleisanschluss. Es sei „paradox“, dass „die Stadt gegen die Bahn für die Schiene gekämpft hat“, sagt Oberbürgermeisterin Barbara Bosch.

Wie politische Vorgaben für die Bahn aussehen könnten, zeigt die Schweiz. Deren Bewohner haben die Verlagerung des Gütertransports von der Straße auf die Schiene in die Verfassung geschrieben. Deshalb zahlt jeder Schweizer 351 Euro pro Kopf für das Schienennetz, rund siebenmal so viel wie ein Deutscher. Mit Bravour haben die Schweizer etwa die 57 Kilometer Gotthard-Basistunnel durch die Alpen fertiggestellt, früher als geplant und im Kostenrahmen. Der Marktanteil der Schiene am alpenquerenden Güterverkehr beträgt 69 Prozent.

Fehler 2: Überforderte Manager

Vor acht Jahren transportierten die Güterzüge der Deutschen Bahn rechnerisch 90 Milliarden Tonnen je einen Kilometer.
2017 sollen es laut interner Planung 65 Milliarden Tonnenkilometer sein, rund 25 Prozent weniger. Die Bahn hat ihr Kerngeschäft nicht im Griff, die Politik ließ das Management gewähren. Druck machen nun die Arbeitnehmer. „Wir haben den Vorstand aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, die das Wachstum ankurbeln“, sagt Jörg Hensel, Gesamtbetriebsratsvorsitzender bei der Gütersparte und Bahn-Aufsichtsrat. Nach Diskussionen im Kontrollgremium muss der Vorstand die Vorschläge nun ernsthaft prüfen. Hauptkritikpunkt der Arbeitnehmer ist die Reduzierung des Angebots im Schienengüterverkehr. Die Bahn „darf sich nicht weiter aus der Fläche zurückziehen“, so Hensel. Der Druck wirkt: Inzwischen ist Ottenhöfen zunächst von der Streichliste gestrichen. Wibo-Chef Striebel berichtet von neuen „konstruktiven Gesprächen“ mit DB Cargo.

Die Bahn ist das einzige Unternehmen in Deutschland, das einzelne Container einsammelt und auf Waggons zu Zügen koppelt. Der Aufwand ist groß und rechnet sich nur bei großer Menge. Sechs Jahre lang sah Grube zu, wie das Geschäft immer schlechter lief. Nun soll Ex-Siemens-Manager Jürgen Wilder – ein Fachfremder – den Turnaround schaffen. Die Pünktlichkeit der Güterzüge liegt bei 74 Prozent. Lokführer verlieren fast die Hälfte ihrer Arbeitszeit, etwa weil sie auf Waggons warten müssen. Statt automatisch wie in den USA kuppeln deutsche Rangierer von Hand und mit Haken an den Waggons.

Fehler 3: Wilde Zukäufe

Mehdorn und Grube kauften für mehr als sechs Milliarden Euro Unternehmen. Doch die größten Töchter, der britische Bus- und Bahnbetreiber Arriva und die Spedition Schenker, zehren an der Substanz. „Arriva und Schenker haben ihre Kapitalkosten noch nie verdient“, sagt Experte Böttger. Zudem liege ihre Profitabilität „deutlich unter der der meisten Wettbewerber“. Vor allem die Behauptung Mehdorns, Logistik und Güterbahn könnten sich gegenseitig stärken, erwies sich als falsch. 2015 kaufte Schenker ein Transportvolumen auf Güterzügen der Bahn im Wert von 230 Millionen Euro, im Gegenzug orderte DB Cargo bei Schenker Transporte im Wert von 30 Millionen Euro. Das entspricht lächerlichen 1,2 Prozent des Umsatzes beider Töchter.

Wo öffentlicher Nahverkehr am teuersten ist
Platz 10: San Francisco und Chicago Wer in der berühmten Cable Car von San Francisco (Foto) oder in der Hochbahn von Chicago unterwegs ist, muss zwei US-Dollar für das günstigste Ticket bezahlen. Das macht den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) dieser beiden Städte zum zehntteuersten der Welt, hat die Deutsche Bank ausgerechnet. Dafür hat sie die Preise des jeweils günstigsten Nahverkehr-Tarifs in Städten weltweit in US-Dollar umgerechnet und verglichen. Um einzuordnen, wie teuer oder günstig die Preise sind, hat die Deutsche Bank New York als Bezugspunkt gewählt: Die Preise in Chicago und San Francisco sind beispielsweise 20 Prozent günstiger als im Big Apple. Quelle: dpa
Platz 9: Berlin und ParisBerlin teilt sich den neunten Platz mit Paris. In beiden Städten kostet der günstigste ÖPNV-Tarif umgerechnet 2,06 US-Dollar. Das sind gerade mal 82 Prozent des New Yorker Preises. Quelle: dpa
Platz 8: SydneyWer im australischen Sydney im öffentlichen Nahverkehr unterwegs ist, zahlt 2,14 US-Dollar für das günstigste Ticket – und damit 15 Prozent weniger als in New York. Quelle: AP
Platz 7: Edinburgh und OttawaDen siebten Platz teilen sich wieder zwei Städte: Im schottischen Edinburgh und im kanadischen Ottawa (Foto) kosten die günstigsten ÖPNV-Tickets jeweils umgerechnet 2,48 US-Dollar. Das ist ein Prozent weniger als in New York. Quelle: AP
Platz 6: New YorkWer einmal in New York ist, muss in den Central Park, ins Empire State Buildung – und eine U-Bahn-Fahrt mitmachen. Ein Ticket des günstigsten Tarifs kostet 2,50 US-Dollar, was die Deutsche Bank als Bezugspunkt für alle anderen weltweiten Preise genommen hat. Quelle: REUTERS
Platz 5: TorontoIn der größten Stadt Kanadas kostet ein ÖPNV-Ticket des kleinsten Tarifs umgerechnet 2,73 US-Dollar. Damit zahlen Menschen in Toronto neun Prozent mehr als in New York. Quelle: dpa
Platz 4: FrankfurtAuch Deutschlands Bankenmetropole hat es ins Ranking geschafft: Wer mit der S-Bahn vom Hauptbahnhof zum Hauptsitz der Deutschen Bank fahren möchte, muss umgerechnet 2,88 US-Dollar zahlen. Das sind 15 Prozent mehr als der niedrigste Tarif in New York und platziert Frankfurt im weltweiten Vergleich auf Platz 4. Quelle: dpa

Das weiß auch Bahn-Chef Grube, der deshalb bis zu 45 Prozent von Schenker und Arriva wieder verkaufen will. Pakete von Arriva bringt die Bahn wohl 2017 an die Börse, Schenker folgt später. Die Teilverkäufe sollen bis zu 4,5 Milliarden Euro einbringen, hofft die Bahn. Zwei Drittel davon sollen in den Abbau von Schulden fließen. Nur so ließe sich verhindern, dass die Nettoverschuldung auf über 19 Milliarden Euro steigt. Als Grube 2009 den Chefposten übernahm, lag die erst bei 15 Milliarden Euro.

Fehler 4: Entflechtung blockiert

Lange hatte die Europäische Kommission dafür gekämpft, Schienennetz und Transportgesellschaften zu entflechten. Am Ende siegten jedoch Bahn-Chef Grube und seine Kollegen von den anderen Eisenbahngesellschaften in der EU. Integrierte Konzerne bleiben weiter möglich. Die Deutsche Bahn darf also das Schienennetz betreiben und gleichzeitig Züge darauf fahren lassen.

Die enge Verflechtung ist jedoch immer die zweitbeste Lösung. Ausnutzung von Marktmacht ist programmiert, Kontrollbehörden müssen dem Konzern auf die Finger schauen. Zuletzt rüffelte etwa das Kartellamt die unlauteren Vertriebspraktiken in den Bahnhöfen. Böttger ist deshalb für eine Trennung: Züge für die Bahn, Eisenbahninfrastruktur wie Gleise und Bahnhöfe „verbleiben vollständig im Eigentum des Bundes“. So wären politische Trassenpreise und Maßnahmen möglich, die den Wettbewerb ankurbeln. Die große Koalition lehnt das ab, Grüne und FDP sind dafür. Die Trennung von Gleisbetrieb und Zügen scheint eine Aufgabe für die nächste Legislatur.

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