Deutsche Bahn Erste Schlappe für Bahn-Chef Lutz

Ein Personalgerangel beschert der Deutschen Bahn den nächsten Eklat. Schuld daran ist wohl auch der Bundestagswahlkampf. Dem neuen Bahn-Chef Lutz könnte der Fall die Bilanzpräsentation gehörig vermiesen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Bahn-Chef Richard Lutz Quelle: REUTERS

Die Tür soll sich ziemlich laut geschlossen haben, als der Bahnchef den Raum und damit das Unternehmen verließ. Zurück ließ Rüdiger Grube einen konsternierten Aufsichtsrat, der stundenlang über die Verlängerung seines Vertrags gezankt hatte. Der Eklat warf ein schlechtes Licht auf die Aufsichtsräte vor allem vom Eigentümer Bund und sollte eigentlich ein einmaliger Fall bleiben. Schon ein halbes Jahr später jedoch ist der Schaden ähnlich groß: Diesmal öffnete sich die Tür zur Sitzung gar nicht erst.

Am Vorabend des lange geplanten Treffens zur Ernennung von zwei wichtigen Vorständen wurde der Termin kurzerhand abgesagt. Es gebe noch Abstimmungsbedarf. Zurück bleiben düpierte Vorstandskandidaten, ein angeschlagener Aufsichtsratschef und nicht zuletzt ein beschädigter Bahnchef Richard Lutz, der seine erste Schlappe einstecken muss.

Dabei war die Sondersitzung eigentlich als Formalie geplant: Nach langen Auswahlgesprächen hatten sich die Bundesvertreter, also die Hälfte des Aufsichtsrats des Staatkonzerns, auf den jetzigen Güterbahn-Chef Jürgen Wilder als Vorstand für die gesamte Logistik mit der Spedition DB Schenker verständigt.

Nach Angaben aus Regierungskreisen sprach sich am Dienstag zudem der Personalausschuss, in dem auch Arbeitnehmervertreter sitzen, für Wilder aus. Dort soll es allerdings schon geknirscht haben. Da aus Richtung Bundesregierung aber das Signal kam, man stehe hinter Wilder, schien die Personalie durchzugehen. Als unstrittig galt ohnehin, dass die Professorin Sabina Jeschke Digitalvorstand werden und damit wieder eine Frau im Gremium sitzen soll. Darauf hatten vor allem Aufsichtsräte mit SPD-Parteibuch seit langem gedrängt.

Bei dem Ex-Siemens-Manager Wilder sieht die Sache anders aus: Er hatte einen umstrittenen Sanierungskurs eingeleitet. Dieser schloss das Streichen von Tausenden Stellen, das Verschrotten von Güterwaggons und den Verkauf von Loks ein. Nach massiven Kundenprotesten wegen Unpünktlichkeit und schlechter Organisation musste er dies korrigieren: Jetzt stehen 100 neue Loks und 4000 Waggons auf der Kaufliste. Der Stellenabbau wurde faktisch komplett gestoppt.

Wirtschaftsministerin Zypries gegen Wilder

Wilder hatte daher zum einen bei den Arbeitnehmervertretern einen schlechten Stand. Zum anderen galt die Chefin der Berliner Verkehrsbetriebe, Sigrid Nikutta, als aussichtsreiche Kandidatin. Sie arbeitete schon einmal im Management Gütersparte der Bahn und hat Sympathien im Arbeitnehmerlager und der SPD. Allerdings war sie beim Führungspersonal des Unternehmens umstritten.

Der Widerstand gegen Wilder fand jedenfalls am Mittwoch plötzlich Widerhall auch im SPD-Lager des Aufsichtsrats und sprengte somit die Front des Bundes. Die Mehrheit für Wilder wackelte, die Sitzung wurde abgesagt.

Am Donnerstag meldete sich Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) zu Wort. "Ich bin dringend dafür, dass beide Vorstandspositionen mit Frauen besetzt werden", sagte sie dem "Handelsblatt" und plädierte damit kaum verhohlen für Nikutta.

Im Konzern gibt es Stimmen, die vermuten, die SPD wolle im Wahlkampf Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) schlecht aussehen lassen. Sein Ministerium ist federführend zuständig. Aufsichtsratschef Utz Hellmuth-Felcht soll die Personal-Angelegenheiten für ihn möglichst geräuschlos regeln. Das ging bei Grube schon so schief, dass mit seiner Abberufung gerechnet wurde.

Mehr Schaden könnte aber in der Bahn selbst entstehen: Selbst wenn Wilder in einem zweiten Anlauf berufen würde, stünde seine Amtszeit an der Spitze von 100.000 Mitarbeitern unter keinem guten Stern. Fällt er durch, könnte er wohl kaum an der Spitze der Güterbahn bleiben. Ein anderer Kandidat könnte sich dagegen gleich als zweite Wahl des Vorstandsvorsitzenden fühlen.

Denn Bahnchef Lutz ist zwar formal nicht für die Ernennung von Vorständen zuständig. Klar ist aber auch, dass ein starker Vorstandschef bei solchen Personalien entscheidend mitspricht und diese eng mit ihm abgestimmt werden. Wilder ist also auch sein Kandidat.

Für den ambitionierten Schachspieler Lutz, der erst im März Grubes Nachfolger wurde, ist es eine erste Schlappe. Bisher profitierte er vom wirtschaftlichen Aufschwung und wollte in der kommenden Woche eine strahlende Halbjahresbilanz verkünden. Jetzt wird es wohl weniger Fragen nach Zahlen und mehr nach seinem Personalkonzept geben.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%