Der Fehlbetrag wiegt aber noch viel schwerer. Denn zu den rund 30 Millionen Euro kommen noch die Zinsen, die Schenker Rail für Kredite bezahlen musste. Gemessen an den rund 86 Millionen Euro, die Hedderich im gesamten Jahr 2012 an Zinsen berappen musste, dürfte sich der operative Verlust im Schienengüterverkehr von Januar bis Ende April deshalb auf schätzungsweise weit mehr als 50 Millionen Euro addieren. Das ist etwa so viel, wie die Sparte im ganzen Jahr 2011, als die Bahn noch an den Spätfolgen der Wirtschaftskrise 2008/09 laborierte, operativ Miese machte.
Schienengüterverkehr - Planzahlen und Kennziffern
Wie die Kennziffern im Schienengüterverkehr der Deutschen Bahn von den Planzahlen abweichen (in Prozent, Werte sind gerundet)
Quelle der Werte: Deutsche Bahn
2012
Plan 2012: 121,1 Milliarden Tonnenkilometer
Ist 2012: 105,9 Milliarden Tonnenkilometer (-13 Prozent gegenüber dem Plan)
2013
Plan Januar - April 2013: 35,7 Milliarden Tonnenkilometer
Ist Januar - April 2013: 34,2 Milliarden Tonnenkilometer (- 4 Prozent) gegenüber dem Plan)
2012
Plan 2012: 5,29 Milliarden Euro
Ist 2012: 4,93 Milliarden Euro (-7 Prozent gegenüber dem Plan)
2013
Plan Januar - April 2013: 1,76 Milliarden Euro
Ist Januar - April 2013: 1,61 Milliarden Euro (-9 Prozent gegenüber dem Plan)
Plan 2012: 161 Millionen Euro (Ebit)
Ist 2012: 87 Millionen Euro (Ebit) (-46 Prozent gegenüber dem Plan)
...davon in Osteuropa:
2012
Plan 2012: 21 Millionen Euro (Ebit)
Ist 2012: 8 Millionen Euro (Ebit) (-62 Prozent gegenüber dem Plan)
2013
Plan Januar - April 2013: 45 Millionen Euro (Ebit)
Ist Januar - April 2013: -30 Millionen Euro (Ebit) (-166 Prozent gegenüber dem Plan)
Plan 2012: 58 Millionen Euro
Ist 2012: 1 Millionen Euro (-98 Prozent gegenüber dem Plan)
Plan 2012: 288 Millionen Euro
Ist 2012: 371 Millionen Euro (+29 Prozent gegenüber dem Plan)
Operativer freier Cash-Flow
Plan 2012: 200 Millionen Euro
Ist 2012: 31 Millionen Euro (-85 Prozent gegenüber dem Plan)
Plan 2012: 1,04 Milliarden Euro
Ist 2012: 1,83 Milliarden Euro (+76 Prozent gegenüber dem Plan)
Eine solche Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist bei Hedderich kein Einzelfall. Das bewies er zum Schrecken der Bahn-Kontrolleure bereits Ende vergangenen Jahres, als der tatsächliche Geschäftsverlauf eklatant hinter seinen Planungen zurückblieb:
- Statt rund 160 Millionen Euro Gewinn vor Zinsen und Steuern landete der Schienengüterverkehr Ende 2012 gerade mal bei einem Plus von 87 Millionen Euro – eine Zielabweichung von beinahe 50 Prozent.
- Noch mehr gruselte es die Bahn-Kontrolleure, als sie gewahr wurden, dass von diesen 87 Millionen Euro nach Abzug der Zinsen ein operatives Betriebsergebnis von nur noch 1,2 Millionen Euro übrig blieb, 98 Prozent weniger, als von Hedderich prognostiziert. Und davon gingen dann auch noch Steuern ab.
- Eine der Ursachen des Debakels war eine schwere Fehleinschätzung Hedderichs, wie viel er in das Geschäft mit Güterwagen und Loks 2012 investieren müsste. Statt wie behauptet rund 290 Millionen Euro waren dies am Ende rund 370 Millionen, fast 30 Prozent mehr.
- Damit konnte Hedderich auch sein Versprechen nicht halten, 2012 die Finanzkraft des Schienengüterverkehrs gegenüber 2011 kräftig zu stärken. Statt einen Mittelzufluss von 200 Millionen Euro zu erwirtschaften, kratzte er ganze 31 Millionen Euro zusammen. Dadurch konnte er die Schulden nicht wie angekündigt um eine halbe Milliarde reduzieren, sondern lud weitere 300 Millionen Euro Pump auf die Bilanz.
Hedderich lehnt es ab, zu Interna konkret Stellung zu nehmen. Die gesamtwirtschaftlichen Rahmendaten hätten sich deutlich ungünstiger entwickelt als vorausgesagt, heißt es offiziell aus der Bahn. Der europäische Schienengüterverkehrsmarkt sei 2012 im Zuge der Euro-Krise um mehr als fünf Prozent geschrumpft. Auch 2013 würden sich die wirtschaftlichen Rahmendaten ungünstiger entwickeln als erwartet. Insbesondere die Entwicklung in der Auto-, Stahl-, Chemie- und Papierindustrie bereite Sorgen.
Der Güterverkehr auf der Schiene gilt als das schwierigste Geschäft der Bahn. Weil viel Kapital in Form von Waggons gebunden ist, mindert eine geringere Auslastung in hohem Umfang den Gewinn.