Deutsche Bahn Neue Schnellstrecke offenbart grundsätzliche Probleme

Die Deutsche Bahn feiert am 08.12.2017 die Eröffnung ihrer neuen Schnellfahrstrecke von München nach Berlin. Quelle: dpa

Zum Start der neuen Schnellstrecke zwischen Berlin und München kommt fast jeder zweite Zug unpünktlich. Kein Zug war bislang schneller als vier Stunden. Ursache der Probleme sind aber nicht nur Kinderkrankheiten.

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Ingenieure haben ihre eigenen Weisheiten und seit 1949 ist die auf den US-Amerikaner Edward Murphy zurück gehende Beobachtung eines technischen Systems quasi Naturgesetz. „Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen“, formulierte der Ingenieur damals, nachdem ein Test an einem Raketenschlittenprogramm der US Air Force vollkommen daneben ging.

Am Wochenende hat, so scheint es, Murphys Gesetz wieder zugeschlagen. Die Deutsche Bahn hat gerade ihre neue Schnellstrecke von Berlin nach München eröffnet. Am Freitag feierte der Konzern den Neubau mit viel Prominenz am Berliner Hauptbahnhof, unter anderem mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. In weniger als vier Stunden sollen Reisende von der Hauptstadt in Bayerns Metropole kommen. Doch von solchen Meilensteinen ist der Konzern noch weit entfernt.

Eine Analyse des Internetportals Zugfinder.de zeigt, wie verkorkst der Start abgelaufen ist. „Am ersten fahrplanmäßigen Tag, dem 10.12.2017, erreichten von den 34 ICEs, die über diese Strecke verkehren sollen, lediglich zehn Züge ihren Zielort mit höchstens fünf Minuten Verspätung.“ Weiter heißt es: „Auch am Montag sah es nicht besser aus: Bis Mittag kam kein Sprinter pünktlich ans Ziel.“

Die Sprinter waren sogar besonders betroffen und erreichten ihre Ziel zwischen 25 und 140 Minuten verspätet. Das niederschmetternde Fazit der Datenexperten: „Damit ist in den ersten 36 Stunden des neuen Fahrplans noch kein Zug in unter vier Stunden zwischen Berlin und München unterwegs gewesen.“

Die Deutsche Bahn bestätigt den schlechten Start. Das Unternehmen wolle zwar die Zahlen von Zugfinder nicht direkt bestätigen, aber auch nicht dementieren. Auf jeden Fall man sei mit der „Pünktlichkeit auf der neuen Strecke noch nicht zufrieden“ und arbeite „intensiv an der Verbesserung“.

Doch mit Murphys Gesetz alleine ist die schlechte Bilanz der Deutschen Bahn kaum zu erklären. Stattdessen lässt sich erahnen, dass die Staatskonzern seine Prozesse offensichtlich nicht im Griff hat. Denn die Verspätungen sind nicht nur darauf zurück zu führen, dass eine neue Strecke eingeweiht wurde und technische Systeme am Anfang typischerweise Kinderkrankheiten mit sich herum schleppen. Die Deutsche Bahn hat schlicht Zugprobleme und die schon seit Monaten. Der Betrieb gerät dadurch regelmäßig aus dem Takt.

Das gibt der Konzern inzwischen offen zu. Zwar gab es am Sonntag einen Personenunfall bei Ingolstadt, der die Strecke Nürnberg-Ingolstadt-München für acht Stunden gesperrt hat. Selbstmörder kann man der Bahn nicht vorhalten. Doch „hinzu kamen technische Störungen bei einzelnen Fahrzeugen“, heißt es bei der Bahn. „Wir arbeiten hier aktuell gemeinsam mit den Herstellern daran, die Ursachen zu ermitteln und schnellstmöglich zu beheben.“

Technische Störungen haben "deutlich zugenommen"

Die schlechte Bilanz hat leider System. Seit März dieses Jahres hat die Bahn im Fernverkehr mit Ausnahme des April in jedem Monat die Ziele bei der Pünktlichkeit verfehlt. Eigentlich sollen 80 Prozent der ICE- und Intercity-Züge mit weniger als sechs Minuten Verspätung ins Ziel rollen. Doch schlechtes Wetter, der Tunneleinsturz bei Rastatt und kaputte Züge verhageln die Bilanz.

Selbst das eigene Personal ist frustriert. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) warnte vor wenigen Tagen, dass die Zahl der technischen Störungen an Bord der Züge „deutlich zugenommen“ habe. Die Arbeitnehmervertreter haben bereits Alarm geschlagen. „Immer häufiger müssen meine Kolleginnen und Kollegen den verständlichen Unmut der Reisenden ertragen, wenn wieder mal eine Kaffeemaschine kaputt ist, die Reservierungsanzeige ausfällt oder Verspätungen eingefahren werden“, sagt der stellvertretende EVG-Vorsitzende Klaus-Dieter Hommel: „Das ist frustrierend.“

Laut Hommel, der im Aufsichtsrat des Konzerns sitzt, seien die Beschäftigten im Fernverkehr an ihrer Leistungsgrenze angekommen: „Nach meiner Einschätzung sind die einstigen Belastungsspitzen zwischenzeitlich der Regelfall, das ist unzumutbar und gehört umgehend geändert.“ Die Gewerkschaften haben den Vorstand der Deutschen Bahn daher aufgefordert, mehr Personal einzustellen. Viele Bordmitarbeiter seien demotiviert, weil die Baustellen auf der Strecke zu Verspätungen führten und die Dienst- und Einsatzpläne durcheinanderbrächten: „Fahrzeiten verlängern sich, Pausen können nicht ordentlich gemacht werden, die Familie leidet.“

Gelitten haben auch Tausende Fahrgäste. Schwacher Trost für die genervten Reisenden auf der neuen Schnellstrecke Berlin-München: Der Fahrplanwechsel am Sonntag lief laut Zugfinder.de bundesweit „chaotisch“. Lediglich 45 Prozent aller ICEs kamen pünktlich ans Ziel, bei den Intercitys waren es auch nur magere 57 Prozent.

Ein kleines Trostpflaster gab es immerhin für Jena: Nachdem die Stadt zum Fahrplanwechsel vom Fernverkehr abgehängt wurde, hat eine Umleitung dort für einen außerplanmäßigen Halt gesorgt.

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