Manchmal muss ein Unternehmen nur lange genug warten, dann ist eine Technik so oll, dass sie wirklich keiner mehr haben will. Mit dem Entertainmentprogramm an Bord von Flugzeugen ist das so eine Sache. Auch die Bahn hätte ja theoretisch festinstallierte Monitore in die Sitze einbauen können, um Reisende mit Nachrichten und Filmen zu beglücken. Doch der Staatskonzern verzichtete darauf – und überspringt die teure Technik einfach.
Stattdessen will die Deutsche Bahn ab Oktober in all ihren ICE-Zügen ein Entertainmentprogramm einführen, das kabellos übertragen wird. Weil fast jeder Reisende heute über ein Tablet oder Smartphone verfügt, überträgt die Bahn digitale Inhalte per WLAN ans Endgerät. „Das Reiseerlebnis muss so gut sein, dass die Leute die Bahn noch häufiger nutzen“, gibt der neue Personenverkehrsvorstand Berthold Huber als Devise aus. Das Unternehmen wolle zeigen, dass es "im Zug schöner ist als im Flugzeug".
Die wichtigsten Firmenübernahmen der deutschen Bahn
Sparte: Spedition
Deutschland 2002
Wert: 2500 Mio. Euro
Sparte: Spedition
USA 2006
Wert: 1300 Mio. Euro
Sparte: Schienenverkehr
Großbritannien 2007
Wert: 370 Mio. Euro
Sparte: Schienenverkehr
Spanien 2007
Wert: 130 Mio. Euro
Sparte: Personenverkehr
Spanien 2007
Wert: 150 Mio. Euro
Sparte: Spedition
Großbritannien 2008
Wert: 170 Mio. Euro
Sparte: Spedition
Rumänien 2009
Wert: 100 Mio. Euro
Sparte: Schienenverkehr
Polen 2009
Wert: 450 Mio. Euro
Sparte: Personenverkehr
Großbritannien 2010
Wert: 3000 Mio. Euro
Quelle: Deutsche Bahn
Das neue "ICE Portal" ist nur eines von mehreren Produkten, mit denen die Deutsche Bahn im Fern- und Regionalverkehr punkten will. Einiges befindet sich in der Erprobung, anderes wird noch in diesem Jahr eingeführt.
Der Überblick:
Digitales Entertainmentprogramm
Irgendwann greift man einfach zu. Wenn die letzte Zeitungsseite gelesen und die letzte E-Mail verschickt ist, bleibt noch die Zeitschrift „mobil“, die an jedem ICE-Sitz ausgelegt ist. Künftig kommen ähnliche Inhalte auch auf Tablet und Smartphone. Per WLAN überträgt die Bahn in ihren ICE-Zügen Städteinfos wie Sehenswürdigkeiten, Öffnungszeiten von Museen und Restauranttipps. Für die Stadt Potsdam wird etwa der Buena Vida Coffee Club empfohlen. Zudem gibt es Fernseh- und Radiodokumentationen und auch die „Tagesschau in 100 Sekunden“. Wie die Zeitschrift „mobil“ kommen die meisten Inhalte für das „ICE Portal“ aus dem Hause Gruner und Jahr.
Auch Filme soll es bald geben. Die Bahn verhandelt derzeit noch mit den Rechteinhabern. Ab Ende Oktober sollen alle ICE-Zügen mit dem neuen System ausgerüstet sein, das übrigens unabhängig vom WLAN arbeitet, das Mobilfunkdaten von außen in den Zug holt. So soll die Technik stabil funktionieren.
Neue Züge der Deutschen Bahn
Die neuen ICx von Siemens erhalten eine Beleuchtung, die sich an Zeit und Außenstimmung anpasst. Zudem erlauben sie die Mitnahme von Rädern. Die ersten der 130 bestellten Züge kommen 2017. Investition: 5,3 Milliarden Euro. Pro Jahr liefert Siemens 20 Stück. Ein rund 200 Meter langer Zug besteht beim ICx aus sieben statt acht Wagen wie beim ICE. Das senkt Kosten und bringt mehr Sitzplätze. Siemens baut zwei Modelle: 345 und 202 Meter lang, Höchsttempo 249 und 230 Kilometer pro Stunde.
Die Doppelstockzüge von Bombardier kommen vor allem auf Nebenstrecken zum Einsatz. Anders als im Nahverkehr, wo sie bereits als Regionalexpress unterwegs sind, erhalten die 44 bestellten Dostocks das blaue Velours-Ambiente eines Intercity. Investition: 660 Millionen Euro. Es gibt keinen Schnickschnack: Sitzreihen und Toiletten sind enger, kein Bordrestaurant, stattdessen mobiler Gastro-Service. Betriebliche Vorteile: Die Züge sind in der Länge variabel und gelten als extrem verlässlich.
Wer sich für Landkarten interessiert, kann sich auch die aktuelle Position des Zuges auf sein Smartphone holen. Er sieht auch, wo der Zug lang gefahren ist. Mehr als Schnickschnack ist auf jeden Fall der digitale Verspätungsstempel, den sich Reisende, die in einem verspäteten Zug sitzen, auf ihr Handy schicken lassen können.
Getunter DB Navigator
Eigentlich ist die App für Reiseinfos und Ticketkauf schon ein alter Hut. Hat ja eh jeder auf seinem Smartphone. Aber jetzt gibt es zwei zusätzliche Services, die dem Kunden wirklich etwas bringen:
Erstens: Die mobile Sitzplatzreservierung. Wer in der Nähe des Bordrestaurants, im Abteil oder am Tisch sitzen will, kann sich seinen Platz jetzt auch mobil reservieren. Das ist praktisch und funktioniert bei den Fluggesellschaften ja schon seit langem. Wären da nicht die 4,50 Euro Reservierungsgebühr, der Service wäre perfekt.
Zweitens: Die mobile Bahncard. Endlich wieder eine Plastikkarte weniger im Portemonnaie. Die Bahncard kommt nämlich aufs Handy. Wer seine Daten ohnehin schon mal in den Navigator eingegeben hat, braucht nur ein paar Mal klicken und schon ist die Bahncard im Navigator gespeichert. Noch funktioniert das allerdings nur mit den Rabattkarten 25 und 50. Die Bahncard100 soll später folgen.