Deutsche Bahn Das Chaos über Berlin

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Vor allem die Güterbahn braucht eine schnelle Lösung

Die Zeit für den personellen Neuanfang drängt, denn der Staatskonzern braucht vor allem bei der Güterbahn eine schnelle Lösung. Zunächst führt Finanzvorstand Richard Lutz die Geschäfte weiter. Doch er wird die Probleme nicht beheben. Die Entwicklung bei DB Cargo sei „eine reine Katastrophe“, klagt ein Aufsichtsrat. Das Kontrollgremium hatte sich am vergangenen Montag intensiv mit der Geschäftssparte auseinandergesetzt, die seit Jahren den Erwartungen hinterherfährt. 2016 brach der Umsatz um vier Prozent auf 4,6 Milliarden Euro ein – ein Rekordminus. Eine Kehrtwende ist frühestens für 2018 geplant.

Doch selbst das ist nur wahrscheinlich, wenn die geplanten Reformen auch wirklich greifen. Aus neun Betriebsregionen in Deutschland will das Management drei machen. Ein Zug soll künftig von einem Disponenten betreut werden und nicht wie bisher an virtuellen Gebietsgrenzen übergeben werden. Gleichzeitig setzt das Management auf Innovationen wie Güterwagen, die ihren Standort senden – im Vergleich zur Lkw-Branche, die schon automatisiertes Fahren plant, ziemlich antiquiert.

Offenbar ist auch der Aufsichtsrat skeptisch, ob das reicht. Zwar hat er die Maßnahmen abgenickt, setzt dem Management aber einen Aufpasser an die Seite. Ein Sachverständiger soll die Sanierungsprozesse bei DB Cargo begleiten, erfuhr die WirtschaftsWoche. Es gibt zwar bereits eine Unternehmensberatung, die sämtliche Prozesse auf den Prüfstand stellt. Doch nun soll wohl eine zusätzliche Instanz McKinsey kontrollieren.

Der Vorgang ist so einmalig wie der Ablauf der gesamten Aufsichtsratssitzung, auf der Grube seinen unerwarteten Rücktritt erklärte. Vor allem dem Chefaufseher Utz-Hellmuth Felcht ist die Sitzung voll entglitten. Am Montagmorgen im 21. Stock des Bahntowers hatte sich Felcht im vierköpfigen Personalausschuss mit den Aufsichtsratskollegen vorab auf eine dreijährige Vertragsverlängerung für Grube geeinigt. Doch Felcht weihte andere Kontrolleure nicht ein. Als Aufsichtsratsmitglied Jürgen Großmann später in großer Runde Zweifel äußerte, entfachte sich eine Eigendynamik. Immer mehr Aufsichtsräte sprachen sich gegen die drei Jahre aus.

Einerseits, weil Grube schon 66 Jahre alt ist, andererseits, weil die Erfolge des Bahn-Chefs allenfalls mäßig ausfallen. Die Arbeitnehmer machten ihr Okay für Grube daraufhin von der Einstimmigkeit auf der Arbeitgeberseite abhängig. Felcht konnte die Kritiker nicht mehr einfangen – eine totale Fehlleistung. Es ist nicht der einzige Fehltritt des früheren Degussa-Managers. Immer wieder warfen ihm Aufsichtsratskollegen einen Mangel an Professionalität vor. Die Sitzungen seien schlecht vorbereitet und zu langatmig. Es gebe zu viel Klein-Klein, keinen Fokus aufs Wesentliche.

Ein Kontrolleur monierte bereits vor einigen Jahren das vertraute „Du“, das Felcht mit den Bahn-Bossen pflege. Ein anderer sagte: Felcht referiere lieber ausschweifend über herunterfallende Klodeckel in der ICE-Toilette, statt sich auf die wahren Probleme zu konzentrieren.

Deshalb wird Felcht seinen Job wohl verlieren. Die mangelhafte Leistung des 70-Jährigen könnte ganz neue Optionen für die Koalition eröffnen. Union und SPD hätten dann jeweils einen neuen Posten zu vergeben.

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