
Manchmal purzeln ihm die Worte einfach so aus dem Mund. Mitunter schneller, als ihm lieb sein dürfte. Ende Januar kürte Berthold Huber vor 200 Zuhörern in den Räumen der European School of Management and Technology (ESMT) mal eben sein persönliches „Unwort des Jahres“ 2015: die umgekehrte Wagenreihung. Huber ging zwar schnell zum nächsten Punkt über. Die Fachleute aber, die seinem Vortrag zum Zustand der Deutschen Bahn zuhörten, lachten anerkennend. Ihnen gefiel das flapsige Bekenntnis zu den eigenen Fehlern. Endlich mal ein Bahn-Manager, der die Nöte der Fahrgäste versteht.
Berthold Huber, 52 Jahre alt, ein Großteil seines Lebens bei der Bahn, rückte im August 2015 in den Konzernvorstand, übernahm die Verantwortung für den Nah- und Fernverkehr. Er ist nun Hoffnungsträger – für Konzernchef Rüdiger Grube, aber auch für die vielen Millionen Kunden. Huber soll die Intercity- und ICE-Züge endlich pünktlich machen.
Seine Vorgänger sind daran gescheitert. Huber aber ist Bahner aus Leidenschaft, der auch bei Gegnern hohes Ansehen genießt. „Wir müssen besser werden“, sagt er. Huber rückt so zum wichtigsten Manager für seinen Chef auf. Dem hat der Aufsichtsrat noch eine „letzte Chance“ eingeräumt, wie ein Mitglied sagt. Grubes Zukunft bei der Bahn hängt so von Huber ab.
Das erste Mal seit Jahren weist der Konzern für 2015 hohe Verluste aus. Die Güterbahn: ein Sanierungsfall, der Abschreibungen in Milliardenhöhe verursacht. Die Regio-Tochter: verliert Marktanteile an die Konkurrenz. Die Fernverkehrssparte: der einzige Hoffnungsträger, der aber sämtliche Erwartungen enttäuscht hat. Das alles soll nun Huber richten. Die Ausgangslage ist desolat – und deshalb ideal für radikale Reformen.
Im vergangenen Jahr vertrödelte jeder vierte Zug mindestens sechs Minuten, jeder zehnte kam sogar mindestens 15 Minuten zu spät ans Ziel. „Die Leistung reicht nicht aus“, sagt Huber. „So schnell wie möglich“, will er auf „mindestens 80 Prozent Pünktlichkeit“ kommen. Als pünktlich gilt ein Zug, der maximal 5:59 Minuten verspätet ist.





Für den Neustart drückt Huber nun den „Reset-Knopf“, wie er es nennt. Ab März rollen alle 260 ICE-Züge in die Werkstatt. Jeder einzelne Zug werde das Reparaturprogramm mit „null Fehlern“ verlassen. Im Laufe des Jahres wird dann also jeder Zug ohne defekte Toiletten, kaputte Kaffeemaschinen und tote Sitzplatzanzeigen aufs Gleis gesetzt, in der Hoffnung, dass das auch eine Zeitlang so hält. Es klingt absurd, doch tatsächlich ist das ein Novum. Heutzutage lassen die Bahner ihre ICEs im Schnitt mit 17 Fehlern aus dem Depot in den Tag starten. Technisch meist undramatisch, aber nervig. „In Zukunft folgen wir dem Null-Fehler-Prinzip“, sagt Huber. Zumindest einmal im Jahr. Er will das Prozedere jährlich wiederholen.
Der Neustart der ICE-Flotte ist eine von 50 teils radikalen Maßnahmen, mit denen ein Team unter Leitung von Huber und zwei weiteren Vorständen der Bahn das „Wir können es einfach nicht“-Image abstreifen will. Das ausgerufene Ziel für 2016 laut Strategiepapier: „Ärgernisse beseitigen“. Bis 2020: „verlässliche Reiseketten“. Bis 2030: „stabile Echtzeit-Fahrpläne“.
Nicht nur für Fahrgäste wirken solche Zeiträume wie aus der Zeit gefallen. Auch Huber würde die Veränderungen im Schienenverkehr gerne beschleunigen. Seine Ungeduld schiebt ihn auf der Bühne der ESMT immer ein paar Meter nach vorne und zurück. Seine rechte Hand zeichnet irgendwelche Kreise und Linien in die Luft. Eisenbahn in Deutschland sei ein „kompliziertes Uhrwerk“, in das man nur Schritt für Schritt „eingreifen“ könne.