Deutsche Bahn Warum immer mehr Zug-Toiletten defekt sind

Zug-WC defekt: Die Deutsche Bahn hat ein Problem mit kaputten Klos.

Bahnchef Richard Lutz stellt in einem Brandbrief an seine Mitarbeiter klar: Die Lage der Deutschen Bahn ist ernst. Vor allem die Probleme mit kaputten Klimaanlagen und defekten Klos im ICE häufen sich.

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Null Fehler, das war die Ansage im Frühjahr 2016, als die Deutsche Bahn endgültig Besserung versprach. Züge im Fernverkehr sollten ab diesem Zeitpunkt ohne ein einziges technisches Problem auf die Reise geschickt werden. Von einem umfangreichen „Frühjahrsputz“ war die Rede. Dafür holte die Bahn sämtliche ICE-Züge so lange in die Werkstatt, bis jeder noch so kleine Defekt behoben war. Wenn ein Zug einmal so richtig laufe, so die Hoffnung des Managements, dann werde es einfacher, das gute Niveau zu halten.

Null Fehler, davon kann heute, zwei Jahre nach der Frühjahrsoffensive, keine Rede mehr sein. Die Zahl der „Komfortstörungen“, die zwar nicht sicherheitsrelevant für den Eisenbahnverkehr, aber ärgerlich für jeden einzelnen Kunden sind, ist auf ein Jahreshoch gestiegen. Laut „Berliner Zeitung“ sind im Januar dieses Jahres täglich im Schnitt 40 ICE-Züge etwa mit Toilettenstörungen auf die Strecke gegangen – allein das übersteigt also schon das selbstgesteckte Ziel von null Fehlern. Im August waren es bereits 59 ICE pro Tag.

Die Fahrgäste bekommen das jeden Tag zu spüren. Kaputte Toiletten im Zug sind nur die sichtbarsten Probleme dieses Komfortdesasters. Dazu gehören auch fehlende Reservierungsanzeigen, defekte Steckdosen und Fehlinformationen auf den Monitoren im Zug. Hinzu kommt: Auch in der Bordgastronomie stieg die Zahl der Störungsfälle erheblich. Im Januar gingen pro Tag 65 Züge mit fehlender Essenskühlung, kaputter Kaffeemaschine oder defekten Dampfgarern auf die Strecke. Im August waren es im Schnitt 82 pro Tag.

Die Deutsche Bahn will die Zahlen nicht kommentieren. Sie bestätigt aber, dass es derzeit „eine angespannte Fahrzeugverfügbarkeit“ gebe. Das liege im Wesentlichen daran, dass „während der langanhaltenden Hitzeperiode unsere ICE-Werke vor allem intensiv an der Wartung der Klimaanlagen gearbeitet haben“, kommentiert ein Sprecher. „Andere Wartungsarbeiten müssen nun nachgeholt werden.“ Das habe dazu geführt, dass „derzeit mehr Züge mit Komforteinschränkungen unterwegs sind“. Man arbeite „mit Hochdruck daran, die Züge wieder in einen tadellosen Zustand für die Kunden zu versetzen“.

Die Deutsche Bahn steuert derzeit auf eine handfeste Krise zu. Bahnchef Richard Lutz hat am Montag in einem Brandbrief an die Mitarbeiter erklärt, wie ernst die Lage ist. Die Pünktlichkeit der Züge ist erneut in den Keller gerauscht, die Gewinne brechen ein und die Verschuldung steigt. Nun hat Lutz einen Ausgabenstopp für überflüssige Posten verordnet.

Krisenkonzern Deutsche Bahn

Die Deutsche Bahn ist damit knapp anderthalb Jahre nach der Amtsübernahme von Lutz zu einem Krisenkonzern geworden. Lutz, der den Posten von Ex-Bahnchef Rüdiger Grube im März 2017 übernahm, hat als damaliger Finanzchef maßgeblich an den Sanierungsarbeiten des Konzerns mitgearbeitet. Eine Task Force unter der Leitung von ihm, Personenverkehrsvorstand Berthold Huber und Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla sollte die Bahn wieder zu dem machen, was Politik und Fahrgäste von ihr erwarten: ein verlässlicher Transporteur bei jedem Wetter.

Doch nun muss Lutz einräumen, dass die Ziele des Programms „Zukunft Bahn“ weit verfehlt wurden. Die Pünktlichkeit lag im August bei 69,8 Prozent. Drei von zehn Zügen erreichen ihr Ziel also mindestens sechs Minuten verspätet. Fast 15 Prozent der Züge kommen sogar erst mit einer Verspätung von mindestens 16 Minuten an. Deshalb wird die Bahn von Reisenden kaum mehr als verlässliches Transportunternehmen angesehen.

Paradoxerweise sind ICE und Intercity gleichzeitig beliebter denn je. Zumindest stiegen die Fahrgastzahlen im Fernverkehr in den vergangenen Monaten deutlich. So konnte die Konzernsparte ihren Umsatz im ersten Halbjahr um 150 Millionen Euro auf 2,25 Milliarden Euro erhöhen. Die Zahl der Reisenden stieg von Januar bis Juni um vier Prozent auf 71 Millionen, die Auslastung liegt inzwischen bei 55 Prozent - ein Prozentpunkt besser als im Vorjahreszeitraum.

Die Bahn will das Wachstum durch neue Züge auffangen. Inzwischen sind rund ein Dutzend neue ICE4 im Einsatz. Der Zug aus dem Hause Siemens ist das Prestigeprojekt der Deutschen Bahn. Der Konzern investiert sechs Milliarden Euro und hat sich mehr als 130 Züge gesichert, die nun nach und nach die Flotte verstärken. Inzwischen will sie den ICE4 auf bestimmten Strecken sogar mit einem zusätzlichen Wagen und schneller fahren lassen.

Doch ganz fehlerfrei ist auch der ICE4 nicht. Die Aufnahme des Regelbetriebs verlief „weitgehend stabil", heißt es im Halbjahresbericht der Deutschen Bahn. „Die kritische Performance von Türen und Trafo im Vergleich zu Bestandsbaureihen hat sich verbessert", heißt es weiter, „ist aber noch nicht auf Zielniveau".

So sieht der neue ICE 4 aus
Der neue Hoffnungsträger: Der ICE 4 im ICE-Werk Rummelsburg in Berlin. Ab Spätherbst fährt er von Hamburg nach München. Quelle: Christian Schlesiger für WirtschaftsWoche
Der ICE 4 ist vorne breiter als etwa der Vorgänger ICE 3. Quelle: Christian Schlesiger für WirtschaftsWoche
Größere Piktogramme im Einstiegsbereich zeigen, wie der Wagen genutzt werden soll. Hier sind Handys verboten. Quelle: Christian Schlesiger für WirtschaftsWoche
In der ersten Klasse gibt es Leselampen am Platz. Quelle: Christian Schlesiger für WirtschaftsWoche
Für die Bahn sind die Sitze eine echte Innovation. Quelle: Christian Schlesiger für WirtschaftsWoche
Die Anzeigen in den Großraumwagen sind nicht neu, aber sie sind jetzt besser. Quelle: Christian Schlesiger für WirtschaftsWoche
Der Spender für das Desinfektionsmittel ist jetzt fester Bestandteil der Armaturen. Quelle: Christian Schlesiger für WirtschaftsWoche
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