
Appel muss nun seine Strategie verteidigen: 2015 sei ein Übergangsjahr, in dem die Grundlagen für die Strategie 2020 geschaffen wird, wiederholt er immer wieder. Der Neustart in der Frachtsparte sei eingeleitet – doch wie der genau aussieht, ist weiter unklar. Viele Fragen bleiben unbeantwortet.
Das gilt vor allem für die kriselnde Frachtsparte. Fest steht: Appel will weiter an einem neuen IT-System festhalten. Das neue Projekt läuft nun nicht mehr unter dem Namen NFE, sondern unter „IT renewal roadmap“. Aber wird die Software nun weiter von SAP und IBM entwickelt – oder lieber von einem anderen Partner? Und in welchen Ländern und welchen Abteilungen soll es eingeführt werden? Nur eine Frage beantwortet er entschlossen: Ein neuer Vorstandskandidat ist noch nicht in Sicht. „Das bleibt Chefsache“, sagt Appel. Wohl so lange, bis der neue Plan in allen Details ausgearbeitet ist.
Die Säulen der Deutschen Post
Umsatz: 7567 Millionen Euro - 25,2 Prozent
Gewinn (EBIT)*: 57 Millionen Euro - 4,0 Prozent
*ohne Kosten für Zentrale; Quelle: Unternehmen
Umsatz: 7987 Millionen Euro - 26,5 Prozent
Gewinn (EBIT)*: 172 Millionen Euro - 12,2 Prozent
*ohne Kosten für Zentrale; Quelle: Unternehmen
Umsatz: 7813 Millionen Euro - 26,0 Prozent
Gewinn (EBIT)*: 474 Millionen Euro - 33,6 Prozent
*ohne Kosten für Zentrale; Quelle: Unternehmen
Umsatz: 6695 Millionen Euro - 22,3 Prozent
Gewinn (EBIT)*: 708 Millionen Euro - 50,2 Prozent
*ohne Kosten für Zentrale; Quelle: Unternehmen
Nicht mal einen Zeitpunkt, bis zu dem ein neuer Partner feststehen soll, will Appel nennen. Wahrscheinlich werden es ohnehin mehrere: Der Vorstand will nun für jede Abteilung, vom Vertrieb bis zu den Finanzen, einzeln entscheiden, mit welchen Systemen dort gearbeitet werden soll.
„Best of breed“ statt „one big bang“, sagt Appel in seinem schönsten Managervokabular. Übersetzt heißt das: Statt dem einen großen Schlag will der Vorstand eine Auswahl aus den besten erhältlichen Lösungen treffen. So will Appel nun ein in den USA getestetes System zum Dokumentenorganisation auch in den anderen Ländern einführen. „Wir orientieren uns wieder stärker daran, was die Spediteure brauchen“, sagt Appel. Immerhin: „Die Kosten werden im Durchschnitt niedriger sein als in den vergangenen Jahren“, verspricht Finanzchef Larry Rosen. Bis zum nächsten Jahr muss die Sparte die Wende entgültig schaffen, wenn der Vorstand seine Ziele halten will.
Was die Post mit ihrer Strategie 2020 erreichen will
Auch der Kohlenstoffdioxid-Ausstoß soll verringert werden: Bis 2020 will die Post ihre Energie-Effizenz um 30 Prozent verbessern. Vor kurzem kaufte der Dax-Konzern zum Beispiel den deutschen Elektroauto-Entwickler Streetscooter auf.
Die Aktie Gelb soll weiter steigen: Post-Chef Frank Appel möchte zur ersten Wahl für Anleger werden. Zwischen 40 und 60 Prozent des Nettogewinns sollen die Aktionäre jährlich als Dividende ausgeschüttet bekommen.
Auch die Kundenzufriedenheit soll steigen - auf über 80 Prozent. Nach Recherchen der WirtschaftsWoche beschwerten sich allerdings vor allem deutsche Großkunden zuletzt über die Briefzustellung.
Der Gewinn ist die wichtigste Ziellinie in der Strategie 2020: Bis zum Ablauf der Frist will Appel fünf Milliarden Euro Plus machen. Dazu müsste er pro Jahr den Gewinn um acht Prozent steigern. Die Brief- und Paketsparte, die ihren Umsatz vor allem in Deutschland macht, soll drei Prozent Gewinnsteigerung pro Jahr dazu beisteuern - das Expressgeschäft, die Logistik- und Speditionssparten müssen zehn Prozent mehr im Jahr verdienen.
Kein anderer Dax-Konzern hat so konkrete und zugleich so ehrgeizige Ziele.
In Deutschland hat der durch den Onlinehandel ausgelöste Paketboom die Deutsche Post weit nach vorne getrieben. Jetzt will der Bonner Konzern diesen Effekt auch in den Schwellenländern mitnehmen: Bis 2020 soll sich der Marktanteil in diesen Regionen von 22 auf 30 Prozent erhöhen. Der Fokus liegt dabei auf Brasilien, Indien, China, Russland und Mexiko.
Auch bei den Mitarbeitern möchte die Post die erste Wahl sein. Ziel des Vorstand ist es, in den Mitarbeiterbefragung eine Zustimmungsquote von über 80 Prozent zu erlangen. Zuletzt lag die Quote bei ungefähr 70 Prozent.
Auch die Sparte Supply Chain, in der die Post Lager-Leistungen und Zulieferer-Dienste bündelt, steckt weiter in der Umstrukturierung. Genau wie im Frachtbereich will der Vorstand dort neue Standards schaffen: Das Lager in China soll künftig genauso funktionieren wie die Lagerhalle in Deutschland. Bisher allerdings belastet der Umbau des Ergebnis nur: Während der Umsatz in der Sparte um mehr als 9 Prozent zunahm, sackte der Gewinn um weitere 8,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf nur noch 100 Millionen Euro ab.
Im Brief- und Paketbereich brach der Gewinn um die Hälfte ein. Wegen der Streikfolgen und den angekündigten Abschreibungen schrieb der Bereich nur noch 142 Millionen Euro Gewinn im dritten Quartal, obwohl der Umsatz angetrieben durch den Internethandel um zwei Prozent zulegte. Dabei ist der Bereich einer der wichtigsten Gewinnbringer für die Post. Auch das nächste Quartal, die wichtige Weihnachtszeit, wird noch einmal durch die Abschreibungen belastet.
Nur im Express-Geschäft mit zeitgebundenen Zustellungen und Kurierdiensten konnte die Post sich merklich verbessern. Der operative Ertrag steigerte sich auf 364 Millionen Euro, ein Plus von beinahe 20 Prozent. Der Vorstand investiert fleißig: 50 Millionen in Afrika, 85 Millionen für ein neues Luftfracht-Drehkreuz am Flughafen Singapur, das schon im nächsten Frühjahr fertig gestellt sein soll.
„Wir sind stark überall in der Welt“, sagt Appel über seine Vorzeigesparte. Mit über zehn Prozent Marge liegt der Express-Bereich jetzt schon an der Spitze des Marktes. Appel, ambitioniert wie immer, reicht das aber noch nicht. „Wir wollen die Marge weiter steigern“, sagt er. Dass muss er auch, solange die Logistik-Sparten Fracht und Supply Chain weiter mit ihrem Umbau beschäftigt sind.