
Schwarzer Hintergrund, grüner Cursor, ein DHL-Logo aus roten Buchstaben: So sieht das Programm aus, mit dem der weltgrößte Logistikkonzern seine Speditionskunden betreut. Über 30 Jahre ist das IT-System namens Logis alt. Es stammt noch von einem der vielen Unternehmen, die die Deutsche Post vor über einem Jahrzehnt aufkaufte, um ihr Luft- und Seefrachtgeschäft aufzubauen. Mit 15 Milliarden Euro macht diese Sparte mit dem Namen Global Forwarding and Freight etwa ein Viertel des Umsatzes des Bonner Konzerns aus. DHL gilt als Weltmarktführer in dem Bereich. Doch der Status ist gefährdet.
IT-Projekt ist gescheitert
Seit zwei Jahren steckt die Sparte in einer tiefen Krise, ausgelöst durch ein überambitioniertes Strukturprogramm namens "New Forwarding Environment", kurz: NFE. Post-Chef Frank Appel wollte damit ein neues IT-System einführen und die Sparte umstrukturieren, um neue Kunden zu gewinnen und die Gewinne weiter zu steigern. Nun musste der Vorstandschef gestehen: Das Projekt ist gescheitert, ein Totalschaden. Wegen der hohen Abschreibungen von 308 Millionen Euro muss Appel seine Gewinnprognose kappen, schon zum zweiten Mal in diesem Jahr. Hinzu kommen noch weitere Abschreibungen aus dem Express- und Paketgeschäft in Höhe von 200 Millionen Euro.
Für die Aktionäre ist das ein Schock. Nur noch 2,4 Milliarden Euro - eine halbe Milliarde Euro weniger als ursprünglich geplant - wird die Post in diesem Jahr verdienen. Die Aktie der Deutschen Post fiel daraufhin am Donnerstagmorgen um über drei Prozent auf 26,885 Euro. Der Bonner Konzern steckt in einer seiner schwierigsten Phasen seit dem Börsengang vor fünfzehn Jahren. Erst belastete der harte Tarifkonflikt mit der Gewerkschaft Verdi die Stimmung im Unternehmen. Und nun muss sich die Frachtsparte auf einen erneuten Richtungswechsel einstellen. Daran hängt die Zukunft der Sparte, daran hängen die ehrgeizigen Gewinnziele, die Appel sich im Rahmen seiner Strategie 2020 gesetzt hat.
Was die Post mit ihrer Strategie 2020 erreichen will
Auch der Kohlenstoffdioxid-Ausstoß soll verringert werden: Bis 2020 will die Post ihre Energie-Effizenz um 30 Prozent verbessern. Vor kurzem kaufte der Dax-Konzern zum Beispiel den deutschen Elektroauto-Entwickler Streetscooter auf.
Die Aktie Gelb soll weiter steigen: Post-Chef Frank Appel möchte zur ersten Wahl für Anleger werden. Zwischen 40 und 60 Prozent des Nettogewinns sollen die Aktionäre jährlich als Dividende ausgeschüttet bekommen.
Auch die Kundenzufriedenheit soll steigen - auf über 80 Prozent. Nach Recherchen der WirtschaftsWoche beschwerten sich allerdings vor allem deutsche Großkunden zuletzt über die Briefzustellung.
Der Gewinn ist die wichtigste Ziellinie in der Strategie 2020: Bis zum Ablauf der Frist will Appel fünf Milliarden Euro Plus machen. Dazu müsste er pro Jahr den Gewinn um acht Prozent steigern. Die Brief- und Paketsparte, die ihren Umsatz vor allem in Deutschland macht, soll drei Prozent Gewinnsteigerung pro Jahr dazu beisteuern - das Expressgeschäft, die Logistik- und Speditionssparten müssen zehn Prozent mehr im Jahr verdienen.
Kein anderer Dax-Konzern hat so konkrete und zugleich so ehrgeizige Ziele.
In Deutschland hat der durch den Onlinehandel ausgelöste Paketboom die Deutsche Post weit nach vorne getrieben. Jetzt will der Bonner Konzern diesen Effekt auch in den Schwellenländern mitnehmen: Bis 2020 soll sich der Marktanteil in diesen Regionen von 22 auf 30 Prozent erhöhen. Der Fokus liegt dabei auf Brasilien, Indien, China, Russland und Mexiko.
Auch bei den Mitarbeitern möchte die Post die erste Wahl sein. Ziel des Vorstand ist es, in den Mitarbeiterbefragung eine Zustimmungsquote von über 80 Prozent zu erlangen. Zuletzt lag die Quote bei ungefähr 70 Prozent.
Dabei war es Appel selbst, der noch als Vorstand der Speditionssparte den Anstoß für die Entwicklung eines neuen IT-Systems gab. Als Vorstandschef holte er später Roger Crook aus dem Express-Bereich an die Spitze der Speditionsgeschäfts. Crook strukturierte die Sparte völlig um: Er wollte Prozesse vereinheitlichen, Aufgaben bündeln. Statt dass ein Spediteur den Auftrag eines Kunden zuständig ist, sollte der Auftrag durch die Abteilungen wandern, weitergeleitet von dem neuen IT-System. "Irgendwann hat sich da niemand mehr zuständig gefühlt", erzählt ein ehemaliger Manager.
Es mangelt an Fachkenntnis
Gleichzeitig hakte das IT-System: Eine der Schwachstellen ist dabei die Datenbank mit den Kundendaten. Eigentlich sollten die Mitarbeiter in den Pilotländern die Informationen bei jedem neuen Auftrag eintragen. Dann zog DHL eine Fremdfirma für diese Aufgabe heran. Doch den Arbeitern fehlte es an Fachkenntnis. In der Datenbank häuften sich schnell die Fehler an. „Jeder Fehler, der dort am Anfang passiert, hat katastrophale Auswirkungen“, sagt ein Insider.
Das nächste Problem: Mit dem Umbau der Abteilungen begann Crook schon, bevor das IT-System fehlerfrei lief. „Das war ein gravierender Fehler. Roger Crook wollte den letzten Schritt vor dem ersten machen“, sagt ein ehemaliger Manager. In den Pilotländern - Australien, Neuseeland, den Fiji-Inseln, Kanada und Ägypten - sollen diese Umstrukturierungen nun zum größten Teil rückgängig gemacht werden. Schon dafür muss die Post 37 Millionen Euro zurückstellen.
Im April verließ Crook schließlich das Unternehmen - „aus persönlichen Gründen“, wie es offiziell heißt. Appel selbst ist seit dem für die Sparte zuständig. Ein halbes Jahr prüfte und analysierte er die Maßnahmen. Veränderungen gab es seit dem aber vor allem in der Führungsriege: Den aktuellen Chef der Division, Renato Chiavi, holte er aus der Rente zurück. In den USA, Europa und auch Afrika tauschte Appel die Regionalmanager aus.