Sonntags bleibt der Briefkasten voll. Normalerweise fahren die Mitarbeiter der Post jeden Tag an den gelben Kästen vorbei, um die eingeworfenen Briefe und Karten einzusammeln. An manchen Briefkästen sieht man sie sogar zweimal am Tag. An Sonntagen soll das zukünftig nicht mehr gelten: Wer Sonntags einen Brief einwirft, muss deshalb damit rechnen, dass der Umschlag länger als gewöhnlich bis zu seinem Empfänger braucht.
Die Deutsche Post streicht die Sonntagsleerung radikal zusammen. „Mit den Einsparungen vermeiden wir Sonntagsarbeit und können das gesparte Geld in den Ausbau unserer Verteilzentren stecken“, sagte Briefchef Ralph Wiegand der „Rheinischen Post“. Statt wie bisher 11.000 Briefkäste will die Post zukünftig nur noch 2000 Briefkästen auch am Sonntag leeren - und zwar in Kreisstädten, kreisfreien Städten und an Bahnhöfen mit ICE-Anschluss.
Was die Post mit ihrer Strategie 2020 erreichen will
Auch der Kohlenstoffdioxid-Ausstoß soll verringert werden: Bis 2020 will die Post ihre Energie-Effizenz um 30 Prozent verbessern. Vor kurzem kaufte der Dax-Konzern zum Beispiel den deutschen Elektroauto-Entwickler Streetscooter auf.
Die Aktie Gelb soll weiter steigen: Post-Chef Frank Appel möchte zur ersten Wahl für Anleger werden. Zwischen 40 und 60 Prozent des Nettogewinns sollen die Aktionäre jährlich als Dividende ausgeschüttet bekommen.
Auch die Kundenzufriedenheit soll steigen - auf über 80 Prozent. Nach Recherchen der WirtschaftsWoche beschwerten sich allerdings vor allem deutsche Großkunden zuletzt über die Briefzustellung.
Der Gewinn ist die wichtigste Ziellinie in der Strategie 2020: Bis zum Ablauf der Frist will Appel fünf Milliarden Euro Plus machen. Dazu müsste er pro Jahr den Gewinn um acht Prozent steigern. Die Brief- und Paketsparte, die ihren Umsatz vor allem in Deutschland macht, soll drei Prozent Gewinnsteigerung pro Jahr dazu beisteuern - das Expressgeschäft, die Logistik- und Speditionssparten müssen zehn Prozent mehr im Jahr verdienen.
Kein anderer Dax-Konzern hat so konkrete und zugleich so ehrgeizige Ziele.
In Deutschland hat der durch den Onlinehandel ausgelöste Paketboom die Deutsche Post weit nach vorne getrieben. Jetzt will der Bonner Konzern diesen Effekt auch in den Schwellenländern mitnehmen: Bis 2020 soll sich der Marktanteil in diesen Regionen von 22 auf 30 Prozent erhöhen. Der Fokus liegt dabei auf Brasilien, Indien, China, Russland und Mexiko.
Auch bei den Mitarbeitern möchte die Post die erste Wahl sein. Ziel des Vorstand ist es, in den Mitarbeiterbefragung eine Zustimmungsquote von über 80 Prozent zu erlangen. Zuletzt lag die Quote bei ungefähr 70 Prozent.
Die Maßnahme passt zur Strategie der Post: Der Bonner Konzern will im Briefbereich Kosten sparen. Im Reich des Dax-Konzerns ist die Briefzustellung nur noch eine kleine, unbedeutende Region. Immer weniger Menschen schreiben Briefe. In Deutschland profitiert die Deutsche Post als ehemaliger Staatskonzern noch von Sonderregelungen und verdient deshalb nicht schlecht. Doch gute Zukunftsperspektiven hat das Geschäft nicht.
Die Post setzt deshalb ihre Hoffnungen in einen anderen Bereich: Pakete. Während der Konzern im Briefbereich den Service immer weiter zusammenstreicht, investiert er in die Paketauslieferung Milliarden.
Auch deshalb übernimmt die Deutsche Post das alte Opel-Gelände in Bochum. Der Konzern will dort ein neues Paketzentrum auf 140.000 Quadratmetern bauen - das ist etwa ein Drittel des Geländes des ehemaligen Opel-Werks. 600 Arbeitsplätze sollen so bis 2019 geschaffen werden. Auch im Ausland investiert die Post kräftig. Bald schon, so hofft Vorstandschef Frank Appel, soll der gelbe Riese nicht nur den deutschen, sondern auch den österreichischen Paketmarkt beherrschen.
Pflichten vernachlässigt?
Angetrieben wird Appel dabei von dem Kaufrausch im Internet. Jede Bestellung in einem Onlineshop bedeutet mehr Pakete. 3,4 Millionen Pakete transportiert die Post schon heute an einem Werktag. Im Gegensatz zu Briefen können diese Pakete auch nicht durch E-Mails oder WhatsApp-Nachrichten ersetzt werden.
Vor allem am Wochenende ist das Briefaufkommen nur gering: Die Geschäftspost fehlt, die an Werktagen etwa 80 Prozent der versendeten Briefe ausmacht. Montags sind die Taschen vieler Postboten deshalb verhältnismäßig leer. Die Post schickt ihre Briefträger deshalb ungern montags los.
Vor einigen Monaten war dem Unternehmen vorgeworfen worden, die Montagszustellung zur reduzieren beziehungsweise ganz abschaffen zu wollen. Das wies die Post entschieden zurück. Das Unternehmen hatte unter anderem diesen Wochentag genutzt, um Mitarbeitern den Abbau von Überstunden zu ermöglichen, die im Zuge des Poststreiks aufgelaufen waren.
Problematisch ist die Entscheidung der Post allerdings auch deshalb, weil sie gesetzlich dazu verpflichtet ist, an sechs Tagen in der Woche Briefe deutschlandweit zuzustellen. So schreibt es die Postuniversaldienstverordnung vor. Als Universaldienstleister ist die Post von der Umsatzsteuer befreit - für den Konzern ist dieser Vorteil Milliarden wert. Doch die Post erfülle die damit verbundenen Pflichten nicht ausreichend, kritisieren Konkurrenten.