Zwei Türme, steile Klinkerwände von stellenweise 30 Meter Höhe, echte Fenster erst ab dem vierten Stock und als Eingang nur zwei enge Tor-Bögen, die in schluchtenartigen Innenhöfen enden: Von außen wirkt der Umspannwerk Ampere genannten braune Bau im Norden des Berliner Prenzlauer Bergs wie eine Festung. Die abweisende Architektur will auf den ersten Blick so gar nicht zu seinem neuen Mieter passen. Gerade erst hat hier Europas vielversprechendstes Online-Reiseunternehmen Getyourguide seine Zentrale eröffnet.
Getyourguide ist ein Phänomen. Über die Plattform des Unternehmens können Touristen Ausflugstouren, Tickets für Attraktionen und andere Erlebnisse buchen. Die geschäftsführenden Gründer Johannes Reck und Tao Tao gelten als Vorbilder der Gründerszene. „Sie sind hoch engagiert, fokussiert sowie paranoid genug aber ohne Star Allüren“, lobt Olaf Jacobi, Partner des Kölner Investors Capnamic Ventures. Dazu ist das „Grown-up“ (so die Eigenwerbung) finanziell in Topform. Es gilt als europäischer Marktführer bei der Vermittlung von Ausflügen und Erlebnissen im Urlaub. Die Berliner werden ihren Umsatz dieses Jahr wohl auf 200 Millionen Euro steigern.
Zudem weiß das Gründerduo Reck und Tao den wohl bekanntesten Hightech-Investor an der Seite: den Vision Fund der japanischen Softbank. Der Fonds war etwa die treibende Kraft bei der üppigen Refinanzierung von fast einer halben Milliarde Dollar im Mai. Der Deal gab Getyourguide einen Firmenwert von fast 1,8 Milliarden Dollar. Die Berliner sind zum Einhorn geworden, wie Investoren Start-ups mit der seltenen Bewertung ab einer Milliarde nennen.





Doch trotz oder gerade wegen des Erfolgs scheint der Umzug in eine festungsartige Hauptverwaltung nachvollziehbar: Getyourguide wird mittlerweile von allen Seiten belagert.
Seine anderen Groß-Investoren von der Risikokapital-Ikone KKR über den Staatsfond Temasek aus Singapur bis zur traditionellen Zürcher Kantonalbank wollen möglichst bald Rendite. Und sie erwarten ein Vielfaches ihres Investments.
Weil auch andere Unternehmen erkannt haben, dass bei der Erlebnisvermittlung viel Geld hängen bleibt, muss sich Getyourguide mittlerweile gegen deutlich solventere Angreifer wie Airbnb und den Reiseriesen TUI wehren.
Außerdem hat der Ruf von Softbank als Erfolgsgarant in den vergangenen Wochen gelitten. Uber, die wichtigste US-Investition des Vision Fund, muss Mitarbeiter entlassen. Beim Bürovermittler WeWork droht nach einem geplatzten Börsengang nun eine gewaltige Wertberichtigung. Gründer Adam Neumann hat das Unternehmen bereits unfreiwillig verlassen.
Wird Deutschlands Vorzeige-Start-up unter diesen Umständen allein stark genug sein – oder bleibt nur der Verkauf an einen Großen?
Wer Mit-Gründer Tao nach dem Druck und dem Einfluss seiner neuen Investoren fragt, hört vor allem Lob, allen voran für den Softbank-Fonds. „Wir wären auch ohne Softbank erfolgreich geworden. Aber jetzt geht es deutlich schneller“, sagt Tao Mitte September im Amazon Jungle Tour genannten Konferenzraum der neuen Getyourguide-Zentrale. Dafür sorgt aus seiner Sicht – mehr noch als das Geld der Japaner – die Zusammenarbeit mit dem Vision Fund.
Da sei zum einen, dass die Fondsmitarbeiter Kontakte zwischen den einzelnen Softbank-Investments unterstützen. „Die fordern und fördern den Austausch und Treffen zwischen ihren Beteiligungen“, sagt der in Peking geborene Manager. Das bringe bereits nach der relativ kurzen Zeit einen spürbaren Vorteil. Denn hatten Tao, Reck und ihr Team bislang vor allem mit kleineren Start-ups aus Europa zu tun, so können nun die ganz großen um Rat fragen. „Es ist schon etwas anders mit einem Vorstand von Uber oder Slack zu reden über zentrale Fragen wie sie die richtigen Leute finden oder Computersysteme weltweit zu vernetzen“, ergänzt der neue Finanzchef Nils Chrestin.
Zum anderen habe der Fonds das Unternehmen auf Herz und Nieren geprüft. „Das brachte uns Ideen, auf die wir noch nicht gekommen waren“, so Tao.