Hauptversammlungen der Deutsche Telekom sind in der Regel wenig aufregend. Aber dieses Jahr wird sie spannend, und das wieder vor großer Bühne. Zum ersten Mal seit zwei Jahren dürfen Aktionäre wieder auch physisch zur Hauptversammlung zusammenkommen und Vorstände und Aufsichtsräte im Saal in Bonn zur Rede stellen.
Die Mehrzahl der institutionellen Investoren will gegen die Berufung von Frank Appel zum Aufsichtsratschef protestieren: „Ehrlich gesagt war ich sprachlos – die Deutsche Telekom verstößt gegen die Grundsätze der guten Unternehmensführung“, sagt Ingo Speich von der Fondsgesellschaft der Sparkassen, Deka Investment. Kein Vorstand einer börsennotierten Gesellschaft soll gleichzeitig auch Aufsichtsratschef einer anderen börsennoterten Gesellschaft sein dürfen, so fordert es der Deutsche Corporate Governance Kodex.
Frank Appel aber plant, bis mindestens zum Mai 2023 sowohl weiter Vorstandschef der Post zu bleiben und zeitgleich den Aufsichtsrat der Deutschen Telekom zu lenken. Für den Zeitraum von einem Jahr sei „die doppelte Tätigkeit nicht zu tolerieren“, so die Deka laut Rede-Manuskript: „Herr Appel, wir werden gegen Sie stimmen“, so Speich. „Wir appellieren an Sie, sich möglichst schnell für einen Konzern zu entscheiden.“
Auch das einflussreiche Beratungsunternehmen für Abstimmungspolitik bei Hauptversammlungen, Institutional Shareholder Service (ISS), rät Fondsgesellschaften, gegen die Wahl Appels zu stimmen: „Er hält eine exzessive Anzahl von Mandaten in börsennotierten Unternehmen“, so die Begründung. Laut ISS wird die Mehrheit der institutionellen Investoren gegen Appel stimmen. Darunter sind auch Union Investment und die DWS: „Zwei Spitzenposten sind einer zu viel“, so Henrik Pontzen, der Vertreter von Union Investment. Die DWS sorgt sich zudem um die künftige Legitimität geschäftlicher Beziehungen zwischen der Deutschen Post und der Deutschen Telekom: „Wie wird sichergestellt, dass potenzielle Interessenskonflikte identifiziert, behandelt und gelöst werden?“, fragt Hendrik Schmidt im Namen der DWS.
Die Deutsche Telekom sieht das ganz anders. In einem Statement verteidigte der Konzern den Post-Chef noch einmal: „Weil Dr. Appel in Bonn arbeitet und in der Nähe wohnt, wird sein Arbeitsweg kurz und effizient sein und ihm mehr Zeit zur Erledigung seiner Pflichten gewähren.“ Zudem habe er schon zuvor neben seiner Vorstandsrolle bei der Deutschen Post DHL auch zwei wichtige Divisionen persönlich geleitet.
Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), die Stimmrechte von vielen Kleinaktionären vertritt, enthält sich nur der Stimme: „Er ist ein ausgezeichneter und geschätzter Kandidat, gleichwohl spricht die zeitlich befristete Doppelbelastung gegen ihn“, so Frederik Beckendorff von der DSW.
Angst um seine Berufung muss Appel aber nicht haben. Die Bundesregierung hält 30 Prozent an der Telekom, hat grünes Licht für den Post-Chef gegeben. Zum Vergleich: Die DWS hält gerade einmal 1,38 Prozent der Aktien der Deutschen Telekom, die Deka 0,87 Prozent.
Aber auch wenn Appel entgegen die Proteste dank einer ausreichenden Zahl an Befürwortern neuer Aufsichtsratschef wird, könnte ein schwaches Wahlergebnis ihm den Start in einen neuen Karriereabschnitt vermiesen.
Es passiert immer häufiger, dass Aktionäre Einspruch erheben gegen die die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern und insbesondere Vorsitzenden. Bei der Commerzbank stimmten Institutionelle aus Altersgründen gegen die Wahl von Aufsichtsratschef Helmut Gottschalk, die Deka macht sich auch auf der diesjährigen HV dafür stark, dass er eine Übergangslösung bleibt. Auch gegen die Wahl von Bernd Pischetsrieder, früher Vorstandschef von BMW und Volkswagen, zum Aufsichtsratschef von Mercedes-Benz wehrten sich die Kapitalanlagegesellschaften 2021 wegen seines fortgeschrittenen Alters.
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