Deutschland Das Handyticket für den Nahverkehr kommt endlich

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Paradigmenwechsel in der Verkehrs-Branche

Doch nun soll wirklich endlich alles besser werden. Der Verband deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), der das Projekt maßgeblich mit vorangetrieben und koordiniert hat, ist überzeugt, dass die Branche  aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat. Statt eine App für ganz Deutschland mit einheitlichem Design, setzt die Branche nun auf die bereits existierenden Apps in den Städten. Viele Menschen nutzen für Fahrplanauskunft und Ticketkauf inzwischen die Apps ihrer Städte: etwa Rheinbahn in Düsseldorf, KVB in Köln, BVG in Berlin. Künftig soll, so der Plan, jede Nahverkehrsgesellschaft Tickets für andere Städte über die eigene App verkaufen können. „Damit bleibt die Markenidentität der Verkehrsunternehmen und Verbünde erhalten“, sagt Oliver Wolff, Hauptgeschäftsführer des VDV und einer der Treiber des Projektes. „Jeder Fahrgast kann also in Zukunft die App seines Heimatverkehrsunternehmens oder Verkehrsverbunds nutzen.“ Die Plattform „Mobility Inside“ steuert im Hintergrund die Bezahlströme, Tickettransfer und Abrechnung.

Das System bedeutet tatsächlich einen Paradigmenwechsel in der Branche: Miteinander statt Gegeneinander, lautet die Devise. Für Vielreisende in Deutschland erleichtert der einfache Zugang zum Ticket die Reise in eine andere Stadt. Das Fachwissen von Waben, Zonen und Ticketbezeichnungen ist nicht mehr nötig. Bislang konnte ein Hamburger in München ein Normal- oder Kurzfahrticket entweder am Automaten oder über die App der Münchener Verkehrsgesellschaft (MVV) kaufen. Doch für Letzteres musste ein Nutzer zunächst die App runtergeladen und die Kontodaten hinterlegt haben - viel Aufwand für eine Zwei-Euro-Ausgabe. 

Drei Städte preschen nun voran: Ab Anfang 2019 verkaufen Köln, München und RMV aus Frankfurt auch die Tickets der jeweiligen anderen Regionen über die hauseigene App. „Damit  sind dann schon mal rund 25 bis 30 Prozent der deutschen ÖPNV-Kunden miteinander vernetzt“, sagt VDV-Chef Wolff. „Ab dem kommenden Jahr sollen dann schrittweise die anderen Verkehrsunternehmen folgen.“ Hierfür gründen der Verband und die Unternehmen zurzeit eine eigene Gesellschaft, die die Plattform technisch und finanziell betreut.

Ob es dann wirklich zu einem deutschlandweiten Angebot kommt, bleibt abzuwarten. Nach Information der WirtschaftsWoche sind einige Chefs von Nahverkehrsgesellschaften angesichts der bisherigen eher schlechten Erfahrungen mit einer deutschlandweiten Ticketlösung zurückhaltend. Sicher teilnehmen an dem System werden zunächst neben der KVB in Köln, dem RMV in Frankfurt und der MVG in München sieben weitere Initiatoren des Projekts „Mobility Inside“, darunter Leipzig, Bochum, Dortmund und die Deutsche Bahn.

Die Deutsche Bahn, die Mitglied im VDV ist, verspricht sich von Mobility Inside eine bessere Wertschätzung des Systems Schiene. „Wir müssen zusehen, dass wir die digitalen Kanäle nutzen“, hatte Personenverkehrsvorstand Berthold Huber bereits im Sommer gesagt. Kunden wollten „nahtlos unterwegs sein“. Dass nun die Nahverkehrsgesellschaften selbst auch ICE-Tickets verkaufen können, dürfte der Deutschen Bahn vielleicht sogar zusätzlichen Umsatz bringen. 

Für RMV-Chef Ringat ist klar, dass die Grenzen zwischen Nah- und Fernverkehr verschwimmen. Das sei „ein Startschuss“, sagt er. Bald könnten auch Bike-, Scooter- und Carsharingangebote mit integriert werden. Nun kämen „Dinge zusammen, die zusammengehören“.

Wenn man den Worten von Knut Ringat Glauben schenken darf, brechen für die Nahverkehrsbranche neue Zeiten an: „Wir sind plötzlich Löser als Verkehrsdienstleister und nicht mehr Bettler um höhere Finanzierungen.“

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