Fragen muss sich neben dem DFB auch die Bundesregierung gefallen lassen, die eng in die Arbeit des Organisationskomitees eingebunden war. Warum hat niemand etwas von dem merkwürdigen Finanzgebaren gemerkt? Und das, obwohl mit dem damaligen Innenminister Otto Schily (SPD) und nach der Bundestagswahl 2005 auch dessen Nachfolger Wolfgang Schäuble (CDU) zwei prominente Regierungsvertreter Mitglied des OK-Aufsichtsrats waren? Derzeit hält sich die Regierung bedeckt: „Da derzeit nicht gesichert beurteilt werden kann, ob und aus welchem Grund eine Zahlung an die FIFA getätigt wurde und ob diese gerechtfertigt oder ungerechtfertigt war, enthält sich die Bundesregierung der aktuellen Debatte und wird dementsprechend die interne Prüfung des DFB abwarten“, teilte eine Sprecherin auf Anfrage mit.
Dass Alleingänge des Kaisers und Tricksereien im Kulturbudget vor den Augen der Bundesregierung möglich sind, erscheint abenteuerlich, kann aber angesichts der Struktur des OK schwerlich verwundern. Selbst manche Gremienmitglieder wussten auf Anfrage keine Antwort darauf, welche Rechtsform das OK eigentlich hatte. Als unselbstständige Einheit des eingetragenen Vereins Deutscher Fußball-Bund ist es ein Konstrukt, das auf maximale Intransparenz ausgelegt ist: In keinem Register eingetragen, ohne jegliche Publizitätspflichten für die Finanzzahlen.
Der Aufsichtsrat, sonst üblicherweise für die Überwachung des Vorstands zuständig, hatte Beckenbauer und seine Leute offenbar nur schlecht unter Kontrolle. „Das war eine ganz lockere Geschichte, nicht mit Aufsichtsräten in Aktiengesellschaften zu vergleichen“, sagt ein damaliger Aufsichtsrat. „Wir haben zum Beispiel nie über zustimmungspflichtige Geschäfte diskutiert. Über Geld haben wir nicht gesprochen, steuerliche Fragen oder die Unternehmensführung waren kein Thema. Wir haben darüber geredet, wie man die Menschen einbeziehen kann, das Public Viewing.“
Kein Ruhmesblatt für die Wirtschaftsprüfer von KPMG
Otto Schily, ebenfalls im Aufsichtsrat, gehörte gemeinsam mit Gerhard Mayer-Vorfelder (ehemaliger DFB-Präsident), Thomas Bach (damals Präsident Deutscher Olympischer Sportbund, heute Präsident IOC) und Werner Hackmann (Ex-Chef Deutsche Fußball-Liga) dem Präsidialausschuss des Aufsichtsrats an, der offensichtlich als einziges näher in die Finanzen eingebunden war – nach Auskunft des Bundesinnenministeriums die Umdeklarierung der Kulturbudget-Mittel aber nur zur Kenntnis genommen und nicht genehmigt hat.
Was überhaupt genehmigt werden musste im OK, ist ebenfalls unklar. Der DFB äußert sich auf Anfrage nicht zu den Kontrollpflichten des Aufsichtsrats. Üblicherweise werden Rechte und Pflichten der Organe in einer Satzung geregelt. Doch Schily teilt auf Anfrage mit: „Eine besondere Satzung für das OK gab es nach meiner Erinnerung nicht. Ob es eine besondere Geschäftsordnung gab, kann ich Ihnen leider aus der Erinnerung auch nicht mehr beantworten.“ Dennoch habe das OK mit der Organisation der WM eine „äußerst komplizierte und anspruchsvolle Aufgabe“ in „meiner Meinung nach in mustergültiger Form wahrgenommen“.
Nicht sonderlich gut sieht in der Affäre auch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG aus. Sie wurde von der FIFA beauftragt, einen testierten Abschlussbericht zu den OK-Finanzen zu erstellen. Auch den FIFA-Finanzbericht 2006 prüfte KPMG. Doch offenkundig fielen weder den Prüfern des OK die rätselhaften Mittelabflüsse auf, noch bemerkten die FIFA-Prüfer den Eingang unklarer Gelder bei der FIFA. Ein KPMG-Sprecher will sich auf Anfrage wegen Verschwiegenheitsverpflichtungen nicht äußern.
In Frankfurt muss auch Niersbach irgendwann doch einräumen: „Ich kann Ihnen heute nicht die restlose Aufklärung liefern.“ Fragen von Journalisten hat er immerhin erstmals seit Ausbruch der Affäre am vergangenen Freitag zugelassen – bevor sein Sprecher Ralf Köttker eilends zur Schlussrunde bittet, obwohl sich noch diverse Pressevertreter mit Fragen melden. Niersbachs Pressekonferenz ist damit zu Ende. Die DFB-Affäre nicht.