DFB-Affäre um WM-Vergabe 2006 Niersbach wirft mehr Fragen auf, als er beantwortet

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Bundesregierung war eng in das OK-Gestrüpp eingebunden

Fragen muss sich neben dem DFB auch die Bundesregierung gefallen lassen, die eng in die Arbeit des Organisationskomitees eingebunden war. Warum hat niemand etwas von dem merkwürdigen Finanzgebaren gemerkt? Und das, obwohl mit dem damaligen Innenminister Otto Schily (SPD) und nach der Bundestagswahl 2005 auch dessen Nachfolger Wolfgang Schäuble (CDU) zwei prominente Regierungsvertreter Mitglied des OK-Aufsichtsrats waren? Derzeit hält sich die Regierung bedeckt: „Da derzeit nicht gesichert beurteilt werden kann, ob und aus welchem Grund eine Zahlung an die FIFA getätigt wurde und ob diese gerechtfertigt oder ungerechtfertigt war, enthält sich die Bundesregierung der aktuellen Debatte und wird dementsprechend die interne Prüfung des DFB abwarten“, teilte eine Sprecherin auf Anfrage mit.

Dass Alleingänge des Kaisers und Tricksereien im Kulturbudget vor den Augen der Bundesregierung möglich sind, erscheint abenteuerlich, kann aber angesichts der Struktur des OK schwerlich verwundern. Selbst manche Gremienmitglieder wussten auf Anfrage keine Antwort darauf, welche Rechtsform das OK eigentlich hatte. Als unselbstständige Einheit des eingetragenen Vereins Deutscher Fußball-Bund ist es ein Konstrukt, das auf maximale Intransparenz ausgelegt ist: In keinem Register eingetragen, ohne jegliche Publizitätspflichten für die Finanzzahlen.

Diese zehn Regeln müssen Sie kennen
Die Luftaufnahme zeigt die Spieler des Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04 auf dem Trainingsplatz vor der Veltins Arena in Gelsenkirchen. Quelle: dpa
Arjen Robben (M. l.) gegen Donezker Spieler: Quelle: dpa
Schiedsrichter Michael Oliver aus England gestikuliert. Quelle: dpa
Der Dortmunder Pierre-Emerick Aubameyang bekommt die gelbe Karte von Schiedsrichter Markus Schmidt. Quelle: dpa
Wenn`s mal wieder eine rote Karte gibt: Dann muss einer der elf Spieler einer Fußballmannschaft für die restliche Spielzeit vom Platz. Die Mannschaft spielt dann zu zehnt weiter. Ansonsten gilt es, den Ball ins Tor zu bugsieren. Aber bitteschön nicht mit der Hand. Das darf nur der Torwart. Alles andere ist erlaubt. Sollte es ein Spieler doch mit der Hand versuchen, könnte es sein, dass er, wie auf dem Bild zu sehen, die rote Karte sieht. Quelle: dpa
Wenn ein Foul im Strafraum begangen wurde, kann der Schiedsrichter einen sogenannten „Elfmeter“ oder Strafstoß vom Strafstoßpunkt veranlassen. Der Strafstoß wird so genannt, weil dabei ein Spieler aus der gegnerischen Mannschaft aus elf Metern auf das Tor der Mannschaft des Foulenden schießen darf. Quelle: dpa
Auf Eckstoß entscheidet der Schiedsrichter, wenn der Ball die Torlinie – außer zwischen den Torpfosten und unter der Querlatte (er also nicht ins Tor geht) – überquert und zuletzt von einem Spieler der verteidigenden Mannschaft berührt wurde. Der Eckstoß gehört zu den sogenannten Standardsituationen. Aus einem Eckstoß kann direkt ein Tor erzielt werden. Quelle: dpa

Der Aufsichtsrat, sonst üblicherweise für die Überwachung des Vorstands zuständig, hatte Beckenbauer und seine Leute offenbar nur schlecht unter Kontrolle. „Das war eine ganz lockere Geschichte, nicht mit Aufsichtsräten in Aktiengesellschaften zu vergleichen“, sagt ein damaliger Aufsichtsrat. „Wir haben zum Beispiel nie über zustimmungspflichtige Geschäfte diskutiert. Über Geld haben wir nicht gesprochen, steuerliche Fragen oder die Unternehmensführung waren kein Thema. Wir haben darüber geredet, wie man die Menschen einbeziehen kann, das Public Viewing.“

Was Bundesliga-Fans für ihren Verein ausgeben
DFL Sky Quelle: dpa
VfL Wolfsburg – 388,45 EuroDie Fans des VfL Wolfsburg haben Grund zur Freude: Nach dem fulminanten 4:1 Sieg gegen den Spitzenreiter FC Bayern scheint es möglich Vizemeister zu werden – hält das Formtief des FC Bayern an, könnte sogar noch mehr drin sein. Meister ist der VfL Wolfsburg in puncto Fanausgaben – bei keinem anderen Klub kommen die Fans so billig davon: Die günstigste Dauerkarte kostet 130 Euro – kein Verein in Deutschland verlangt weniger. Das Kappa-Trikot gibt es für 79,95 Euro, damit liegt der VfL im Durchschnitt. Für einen Liter Veltins blecht der VfL-Fan 7,80 Euro und für die Bratwurst gegen den kleinen Hunger zahlt er 2,70 Euro – hochgerechnet auf 17 Heimspiele macht das 178,50 Euro. Quelle: AP
1. FC Köln – 416,85 EuroDer Kölner Fußball ist endlich wieder erstklassig – der Start in die Rückrunde kann sich mit vier Punkten in zwei Spielen durchaus sehen lassen. Bei den Heimspielen lief es bis jetzt für die Kölner allerdings nicht allzu gut – dafür müssen die Fans für die Dauerkarte auch nicht so tief in die Tasche greifen: 165 Euro kostet die günstigste. Das aktuelle Trikot gehört mit einem Preis von 69,95 Euro zu den preiswerteren. Die Bratwurst kostet 2,90 Euro und liegt damit knapp unter dem Durchschnittspreis. Wer einen Liter Bitburger oder Gaffel Kölsch trinken will, muss dafür noch einmal 7,80 Euro zahlen – die Verpflegung für eine Saison kostet damit im Schnitt 181,90 Euro. Quelle: dpa
1899 Hoffenheim – 417,50 EuroAm zweitgünstigsten in der Bundesliga ist das Fan-Sein in Sinsheim. Die Dauerkarte ist bei einem Preis 150 Euro eine der günstigsten. Auch das Trikot des Sportherstellers Lotto ist mit 74,95 Euro vergleichsweise preiswert. Der Liter Bitburger kostet im Stadion 8,25 Euro; die Bratwurst dazu 3,10 Euro – nur in Stuttgart und München ist sie teurer. Quelle: AP
SC Freiburg – 423,30 EuroDie günstigste Dauerkarte in Freiburg kostet 180 Euro. Dafür gibt es das Nike-Trikot für relativ günstigste 69,96 Euro. Auch die Bratwurst gehört mit 2,70 Euro zu den preiswerteren der Liga. Für den Liter Rothaus zahlen die Fans 7,50 Euro – nirgendwo in der Liga ist das Bier so günstig. Für die Dauer einer Saison kostet die Verpflegung 173,34 Euro. Quelle: dpa
FSV Mainz 05 – 427,85 EuroIn der Bundesliga führt der FSV Mainz 05 aktuell das untere Tabellendrittel an – was die Preise angeht ist er das Schlusslicht des oberen Tabellendrittels. Die Dauerkarte schlägt mit 181 Euro zu Buche. Das Nike-Trikot gehört mit einem Kaufpreis von 64,95 Euro zu den günstigsten Trikots der Liga. Auch die Bratwurst mit einem Preis von 2,90 Euro und der Liter Bitburger für 7,80 Euro sind nicht allzu teuer. Quelle: dpa
Bayer 04 Leverkusen – 431,80 EuroIn der Bundesliga spielt Leverkusen aktuell noch um die Spitzenplätze mit – was die Kosten für die Fans angeht, liegt Leverkusen nur im Mittelfeld. Wer eine Dauerkarte will, zahlt 170 Euro – das Adidas-Trikot dazu schlägt noch einmal mit 79,90 Euro zu Buche. Die Preise für den Verzehr liegen mit 7,80 Euro für den Liter Bitburger oder Gaffel Kölsch und 2,90 Euro für die Bratwurst im Mittelfeld. Quelle: AP

Kein Ruhmesblatt für die Wirtschaftsprüfer von KPMG

Otto Schily, ebenfalls im Aufsichtsrat, gehörte gemeinsam mit Gerhard Mayer-Vorfelder (ehemaliger DFB-Präsident), Thomas Bach (damals Präsident Deutscher Olympischer Sportbund, heute Präsident IOC) und Werner Hackmann (Ex-Chef Deutsche Fußball-Liga) dem Präsidialausschuss des Aufsichtsrats an, der offensichtlich als einziges näher in die Finanzen eingebunden war – nach Auskunft des Bundesinnenministeriums die Umdeklarierung der Kulturbudget-Mittel aber nur zur Kenntnis genommen und nicht genehmigt hat.

Was überhaupt genehmigt werden musste im OK, ist ebenfalls unklar. Der DFB äußert sich auf Anfrage nicht zu den Kontrollpflichten des Aufsichtsrats. Üblicherweise werden Rechte und Pflichten der Organe in einer Satzung geregelt. Doch Schily teilt auf Anfrage mit: „Eine besondere Satzung für das OK gab es nach meiner Erinnerung nicht. Ob es eine besondere Geschäftsordnung gab, kann ich Ihnen leider aus der Erinnerung auch nicht mehr beantworten.“ Dennoch habe das OK mit der Organisation der WM eine „äußerst komplizierte und anspruchsvolle Aufgabe“ in „meiner Meinung nach in mustergültiger Form wahrgenommen“.

Nicht sonderlich gut sieht in der Affäre auch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG aus. Sie wurde von der FIFA beauftragt, einen testierten Abschlussbericht zu den OK-Finanzen zu erstellen. Auch den FIFA-Finanzbericht 2006 prüfte KPMG. Doch offenkundig fielen weder den Prüfern des OK die rätselhaften Mittelabflüsse auf, noch bemerkten die FIFA-Prüfer den Eingang unklarer Gelder bei der FIFA. Ein KPMG-Sprecher will sich auf Anfrage wegen Verschwiegenheitsverpflichtungen nicht äußern.

In Frankfurt muss auch Niersbach irgendwann doch einräumen: „Ich kann Ihnen heute nicht die restlose Aufklärung liefern.“ Fragen von Journalisten hat er immerhin erstmals seit Ausbruch der Affäre am vergangenen Freitag zugelassen – bevor sein Sprecher Ralf Köttker eilends zur Schlussrunde bittet, obwohl sich noch diverse Pressevertreter mit Fragen melden. Niersbachs Pressekonferenz ist damit zu Ende. Die DFB-Affäre nicht.

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