DHL Globaler Onlinehandel soll Deutscher Post Milliarden bescheren

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Ehrgeizige Ziele

Trotz aller Erfolge ist Gerdes umstritten. Der 52-jährige Fan von Schalke 04 gilt als hemdsärmelig und sehr direkt. Von Managerfloskeln hält er wenig. Seine Mitarbeiter beschreiben ihn als machtergreifend, launisch und eitel. Mit den Arbeitnehmervertretern gibt es immer wieder Streit. Bundeskartellamt und die Bundesnetzagentur kritisieren regelmäßig, dass die Post ihre Marktmacht in Deutschland missbraucht.

Gerdes, ganz Cowboy, stört das wenig.

Mit der Einstellung ist er weit gekommen. Als er 2007 in den Vorstand der Post aufrückte, galt das gleichzeitig als sein Karriereende. Im gleichen Jahr fiel das Briefmonopol der Post, das Unternehmen fürchtete um seine Anteile in einem ohnehin dramatisch schrumpfenden Markt. „ Du wirst der letzte Briefvorstand sein. Diesen Satz habe ich damals oft gehört“, sagt Gerdes. Dass die Post dank Onlinehandel Milliarden Pakete ausliefern werde, habe damals niemand kommen sehen. Und auch der Rückgang bei Briefsendungen ist geringer als erwartet. Deutsche Büros sind weniger papierlos, als viele denken: Die Deutschen verschicken heute nur 15 Prozent weniger Briefe als noch vor einem Jahrzehnt.

Jürgen-Gerdes Quelle: Dominik Pietsch für WirtschaftsWoche

Damit bleibt der Brief einer der wichtigsten Geldbringer von Gerdes’ Sparte, die mittlerweile „Pep“ („Post, eCommerce, Parcel“) heißt. Das gilt erst recht in Wahljahren wie diesem. „Ich liebe Wahlen“, sagt Gerdes. „Erstens, weil ich Demokrat bin, zweitens, weil ich Wahlbriefe liebe. Wenn es nach mir ginge, würden wir jedes Jahr wählen.“

Das Geschäft mit den Millionen Wahlbriefen muss er kaum teilen. Trotz Marktöffnung liegt der Marktanteil der Post bei mehr als 85 Prozent. Das ist wohl auch Gerdes zu verdanken. Er scheut sich nicht, die Wettbewerber in die Enge zu drängen. Oder bei Ministerium und Aufsichtsbehörden für die Sonderstellung der Post zu werben. Meist funktioniert das. Der Staat hält über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) noch selbst 20,5 Prozent der Aktien der Post und profitiert von jeder Dividende.

So durfte die Deutsche Post vier Mal in Folge das Briefporto erhöhen. 2016 stieg es von 62 auf nun 70 Cent. Für die satte Erhöhung war sogar eine Gesetzesänderung nötig. Dabei soll selbst Vorstandschef Frank Appel gezögert haben, ob nicht 65 statt 70 Cent reichen würden, berichten Insider. Gerdes aber sah keinen Grund für Zurückhaltung: „Im europäischen Durchschnitt kostet ein Brief 80 Cent. Das wäre sicher auch im wirtschaftlich stärksten Land Europas zu verkraften“, sagte er kurz nach der Entscheidung.

Das höhere Porto hilft ihm, seine ehrgeizigen Ziele zu erreichen: Bis 2020 soll der Umsatz der Sparte jährlich um drei Prozent wachsen, auch die Marge muss er steigern.

Mehr Pakete, weniger Briefe: Wie viele Sendungen in Deutschland verschickt werden. Für eine detaillierte Ansicht bitte auf die Grafik klicken.

Das wäre kaum machbar, wenn sich die Regulierer gegen die Post stellen. Gerdes weiß das. Die Grenzen dessen, was ihm die Regulierer gerade noch durchgehen lassen, testet er dennoch aus. So wollte er im vergangenen Jahr mithilfe von Rabatten neue Kunden überzeugen. Für 14 Cent wollte Gerdes den traditionellen Werbebrief als „Impulspost“ und Alternative zu Onlinewerbung verkaufen. Die Bundesnetzagentur vereitelte den Plan. Für Gerdes war das ein Rückschlag, die Impulspost sei ein Lieblingsprojekt gewesen, sagt ein Insider.

Die Konkurrenz beklagt trotzdem permanent angeblich zugunsten des Exstaatsmonopolisten Post verzerrte Bedingungen. Mit den Gewinnen aus dem Briefgeschäft subventioniere die Post ihre Paketgeschäfte, kritisieren Hermes und Co. Gerdes dagegen sieht die Post sogar im Nachteil. Sie müsse höhere Löhne zahlen als die Wettbewerber, dank des hauseigenen Tarifvertrags und der von ihr beschäftigten Beamten.

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