DHL-Erpressung mit Paketbombe "Es kann nicht jedes Paket kontrolliert werden"

Pakete werden in Deutschland nur stichprobenartig auf gefährliche Inhalte kontrolliert, sagt Sicherheits-Experte Thomas Franke. Er fordert, dass Sendungen auch international verfolgbar sein müssen.

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DHL Paketbombe Quelle: dpa

WirtschaftsWoche Online: Herr Franke, in Potsdam hat dieses Wochenende ein Erpresser eine Bombe per Paket versendet. Müsste so etwas nicht bei Sicherheitskontrollen auffallen?
Thomas Franke: Grundsätzlich gilt in Deutschland das Postgeheimnis, das ist auch im Grundgesetz festgelegt. Das müssen die Paketdienste und Logistiker natürlich wahren. Sie können aber Gefahrenstoffe von der Beförderung ausschließen oder transportieren diese nur unter bestimmten Bedingungen. Dabei geht es dann nicht nur um Sprengstoffe, sondern zum Beispiel auch schon um Gefahrgut wie Lithium-Ionen-Akkus, Chemikalien oder Spraydosen, für die jeweils besondere Transportbestimmungen gelten.

Zur Person

Und wie kontrollieren die Paketdienste Sendungen auf Gefahrenstoffe?
Das sind Stichproben, die bei Verdacht durchgeführt werden. Das große Problem ist, dass besonders in den vergangenen Jahren Geschwindigkeit für Kunden oberste Priorität hatte. Wenn wir unsere Pakete so schnell wie möglich haben wollen, kann nicht jedes Paket kontrolliert werden. Das ist die Abwägung zwischen Sicherheit und Schnelligkeit. Wenn wir eine hundertprozentige Kontrolle haben wollten, müssten wir unser Ansprüche wahrscheinlich grundlegend ändern. Dann würde ein Paket wahrscheinlich eher zwei bis drei Wochen unterwegs sein und nicht zwei Tage.

Wie häufig kommt es denn überhaupt vor, dass verbotene und gefährliche Inhalte versendet werden?
Genaue Zahlen gibt es dazu natürlich nicht, aber die Dunkelziffer ist hoch. Jedes Produkt muss transportiert werden, auch kriminelle Ware. Und wenn Kriminelle keine eigenen Transportwege haben – und das haben sie oft nicht – nutzen sie die vorhandenen offiziellen logistischen Wege. Aber dabei geht es dann im allerseltensten Fall um Bomben oder ähnliches, sondern hauptsächlich um herkömmliche Schmuggelware.

Wie können wir denn für mehr Sicherheit sorgen?
Meiner Meinung nach nutzen wir die Möglichkeiten, die uns die Digitalisierung bietet, heute noch zu wenig. Es gibt zwar mittlerweile viele Möglichkeiten zur Sendungsverfolgung, aber die sind oft nicht einheitlich. Wenn in China ein Produkt aus einer Fabrik kommt, dann übernimmt ein Logistiker den Transport zum Hafen, ein anderer ist für den Seeweg zuständig, der dritte für den Transport innerhalb des Hafens, der vierte bringt es zum Kunden. Zwischendurch werden die Produkte vielleicht sogar noch umverpackt. Bei jeder Übergabe gehen Informationen verloren. Dadurch können Kriminelle ihre Spuren verwischen. Deshalb bräuchten wir einheitliche internationale Standards.

In Potsdam kam das Paket aber nicht aus China, sondern der Erpresser hat es vermutlich in einer Packstation versendet. Sind Packstationen, an denen ich ein Paket anonym abholen oder abgeben kann, nicht auch ein Sicherheitsrisiko?
Es gibt tatsächlich auch Fälle, in denen Packstationen zur Übergabe zum Beispiel von Drogen genutzt wurden. Den Service der Packstation dafür grundsätzlich in Frage zu stellen ist schon kurios. Das ist eben die Abwägung zwischen einer übermäßig sicheren Gesellschaft, in der man sich dann kaum noch frei bewegen kann, viele Services dann einfach nicht existieren, oder eben Freiheit. Dazu gehört dann auch, dass man Kunden mit Services wie Packstationen entgegen kommt. Kriminellen muss man das Handwerk legen, man sollte dabei aber nicht die gesamte Gesellschaft einschränken.

Sechs Fakten zu DHL

Würde es nicht helfen, wenn wir Packstationen per Video überwachen?
Videoüberwachung ist in Deutschland nur in sehr engen Grenzen möglich. Die Diskussion darüber beginnt ja erst. Als einen ersten Schritt bin ich erst mal dafür, dass wir Chancen nutzen, die wir jetzt schon haben – wie zum Beispiel eine vernetzte Lieferkette.

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