Wenn bei der krisengeschüttelten Air Berlin in den vergangenen Jahren etwas langweilig war, dann ihre Hauptversammlungen. Vom dramatischen Alltag war wenig zu spüren, wenn Aufsichtsratschef Hans-Joachim Körber Anfang Juni die Aktionäre ins preiswerte Park Inn Hotel am Londoner Flughafen Heathrow einlud. Meist verloren sich nur 26 Anteilseigner in den Blériot genannten großen Tagungsraum. Die bedankten sich oft bei der Geschäftsführung für die Arbeit.
Beim elften Aktionärstreffen am Mittwoch dürfte es lebendiger werden. Wegen der wachsenden Problemen bei den Finanzzahlen gibt es nicht nur einen, sondern gleich zwei Termine. Neben der ordentlichen Hauptversammlung steht nun notgedrungen eine außerordentliche an. Die soll, so heißt es etwas umständlich in der Tagesordnung, "prüfen, ob und welche Schritte eingeleitet werden sollten, um mit der Tatsache umzugehen, dass das Gesamt-Eigenkapital halb oder weniger als halb so viel wie das einbezahlte Aktienkapital beträgt".
Der Satz ist Kandidat für die krasseste Untertreibung des Jahres. Tatsächlich liegt das Aktienkapital bei rund 20 Millionen Euro – und das Eigenkapital bei fast minus 1,5 Milliarden Euro. Und selbst das ist nur ein Teil der Misere. Die Linie war in den vergangenen Wochen in einem Betriebs-Chaos sondergleichen, die Schulden wachsen rasant. Wie lange die Finanzmittel noch reichen, traut sich niemand zu sagen. Air Berlin muss beim Staat um Unterstützung betteln, weil auf den ewigen Retter Etihad und den neuen besten Freund Lufthansa kein Verlass ist.
Skytrax-Ranking: Die besten Airlines der Welt
Hainan Airlines
Vorjahr: Rang 12
Etihad Airways
Vorjahr: Rang 6
Lufthansa
Vorjahr: Rang 10
EVA Air
Vorjahr: Rang 8
Cathay Pacific
Vorjahr: Rang 4
Emirates
Vorjahr: Rang 1
ANA All Nippon Airways
Vorjahr: Rang 5
Singapore Airlines
Vorjahr: Rang 3
Qatar Airways
Vorjahr: Rang 2
Wer glaubte, brenzliger und verworrener könne es bei Air Berlin nicht werden, wurde eines Besseren belehrt. Die Tragödie der deutschen Luftfahrtgeschichte überrascht mit immer neuen Wendungen. Ihre Hauptdarsteller im Überblick.
Air Berlin
Die gefallene Heldin der deutschen Luftfahrtgeschichte. Air Berlin ist eines der klassischen Beispiele, wie Unternehmer im Erfolgsrausch den richtigen Zeitpunkt zum Umkehren verpassen. Kurz nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 als Ferienflieger nach Mallorca gestartet, wuchs sie durch Zukäufe zur Nummer zwei in Deutschland und zum wichtigste Schutz gegen ein Monopol der Lufthansa. "Doch wo die ein Konzept hatten, machten wir am Ende alles und nichts richtig", sagt ein hochrangiger Air-Berlin-Manager. Air Berlin verzettelte und überhob sich. Der Sinkflug setzte bereits vor Jahren ein, konnte jedoch nie gestoppt werden.
Faktisch ist Air Berlin noch immer Deutschlands zweitgrößte Airline. Sie wirkt aber wie eine Regionallinie, die ihre besten Zeiten hinter sich hat. Wegen Mängeln bei der Flugplanung und beim Umbau der Flotte fallen seit Wochen Flüge aus und es gibt immer wieder große Verspätungen. Laut Daten des Fluggastrechteportals EUclaim verzeichnete Air Berlin im Juni bisher täglich im Durchschnitt 24 sogenannter Problemflüge. Das sind annullierte oder stark verspätete Flüge von und nach Deutschland. In den ersten fünf Monaten des Jahres seien es noch rund 18 pro Tag gewesen. Die entnervten Passagiere verlangen mittlerweile Entschädigungen in gigantischer Höhe. Das Image wird schlechter und schlechter.