Ein Problem stellt diese Verlagerung nur für kleine, auf bestimmte Länder spezialisierte Reiseveranstalter dar. Große Tourismuskonzerne wie Tui, Thomas Cook oder FTI haben sich an die Urlauberkarawanen gewöhnt. „Die Reiseveranstalter haben gelernt, sich schnell anzupassen“, sagt Reiseexperte Buck. In Krisenzentren beobachten sie die Entwicklungen vor Ort, informieren Reisende per SMS und organisieren im schlimmsten Fall Rückreisen. Gleichzeitig arbeiten Buchungsagenten daran, Hotelkontingente in einem Urlaubsland ab und im nächsten wieder aufzubauen.
So berichten die spanischen Tourismusbehörde, dass die Pauschalveranstalter ihre Flugkontingente und Hotelbuchungen auf den kanarischen Inseln wie Gran Canaria und Teneriffa um rund 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erhöht haben. Selbst die Hotelkette Riu, an der auch Tui beteiligt ist, meldet in Mallorca eine höhere Nachfrage. Dabei war es ein Riu-Hotel, an dessen Strand im Juni ein Attentäter in Tunesien 39 Menschen tötete.
Anders sieht die Lage in Tunesien selbst aus: Die zehn Ableger der Riu-Hotelkette dort sollen geschlossen werden. Das Land gilt eigentlich als Vorbild für die Region, als einzige Erfolgsgeschichte des arabischen Frühlings. Mit den Attentaten im Bardo-Museum in Tunis und am Strand in Sousse, so scheint es, ist es den Terroristen gelungen, dieses Bild in den Köpfen der Menschen zu erschüttern. „Ich sage es mit aller Deutlichkeit: Wenn sich so etwas wie in Sousse wiederholt, dann geht das Land unter", sagte Tunesiens Präsident Beji Caid Essebsi in einer Fernsehansprache eine Woche nach dem Anschlag an dem Hotelstrand in Sousse.
Die Behörden in Dänemark, Großbritannien und Belgien warnten nach dem Anschlag vor einer Reise in das Land. Die Urlauberzahlen sanken nach Angabe des Tourismusministeriums um bis zu 50 Prozent. Und das, obwohl die Regierung die Ausreisesteuer von umgerechnet rund 15 Euro wieder abschaffte und auch die Mehrwertsteuer um vier Prozentpunkte auf acht Prozent senkte.
Erst in der vergangenen Woche trafen Extremisten das Land erneut, mit einem Angriff auf die Präsidialwache: Bei einer Explosion in einem Bus mit Wachleuten des tunesischen Staatsoberhauptes starben zwölf Menschen. Der Anschlag traf den Staat im Herzen, auch wenn diesmal nicht Touristen im Mittelpunkt standen. Viele kommen ohnehin nicht mehr, Charterflüge gibt es nach Tunesien kaum noch. Hoteliers vor Ort sind verzweifelt. "In der Branche arbeitet man mit sehr geringen Gewinnmargen. Wenn auch nur ein Bruchteil der Touristen ausbleibt, müssen die Hotels drauf zahlen", sagt Tourismusforscher Lohmann.
Was das bedeutet, spüren auch Hoteliers in der Türkei. Auch wenn die deutschen Gäste dem Land bisher treu bleiben, in den Ressorts fehlen die russischen Urlauber. Eigentlich ist die Türkei das Lieblingsziel der Russen, vier Millionen von ihnen reisen jährlich in das Land. Doch das Verhältnis der beiden Länder ist in den Wirren des syrischen Bürgerkriegs zerbrochen.
Die russischen Reiseveranstalter nahmen türkische Ziele reihenweise aus dem Programm, nach dem das türkische Militär einen russischen Kampfjetabschoss, der während einer Mission in Syrien in den türkischen Luftraum eingedrungen sein soll. Mindestens 6000 Reisen wurden storniert, meldet eine russische Nachrichtenagentur. "Wenn die Urlauber ausbleiben, kann das in manchen Regionen zu einer Wirtschaftskrise führen", warnt Tourismusexperte Buck. "Dann gibt es massive Auslastungsprobleme, die Hotels müssen ihre Mitarbeiter nach Hause schicken, und auch den Reiseführern fehlt Arbeit."
In Tunesien oder Ägypten wollen die Terroristen des "Islamischen Staats" und anderer Organisationen genau diese Kettenreaktion erzielen. „Für die Terroristen ist es ein Erfolg, die Regionen zu destabilisieren", sagt Lohmann. Ohne Touristen steigt die Arbeitslosigkeit, und damit meist auch der Frust auf die Regierung. Für die Terroristen wird es dann leichter, ihre Ideen im Land zu verbreiten.