Die Bundesliga GmbH Fußball-Vereine sind heute Konzerne

Zum Start der neuen Bundesliga-Saison trifft eine AG auf eine GmbH. Ein Indiz für die wirtschaftliche Entwicklung: Wo früher Vereine konkurrierten, treffen heute Konzerne aufeinander – oft zum Leidwesen der Fans.

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Quelle: Fotolia

Nein, die Bilanz des VfB Stuttgart hat in den vergangenen Jahren wahrlich keine Jubelstürme hervorgerufen – egal, ob aus sportlicher oder finanzieller Sicht. Vor allem die roten Zahlen sorgen im Verein für Unmut.

Um das Problem zu lösen, soll nun der Profibereich des Bundesligisten in eine Kapitalgesellschaft ausgegliedert werden. Der Plan: Investoren anlocken, die Geld in die Kassen spülen. Mit Daimler steht auch schon der erste parat.

Die Zahlen für das Geschäftsjahr 2013 waren alles andere als überzeugend. Obwohl die Stuttgarter den Umsatz auf 114,8 Millionen Euro steigern konnten - 5,6 Millionen mehr als im Vorjahr -, stand unter dem Strich erneut ein Verlust von 3,1 Millionen Euro.

Der liegt zwar deutlich unter dem Negativrekord von 9,74 Millionen Euro aus dem Vorjahr. Trotzdem entspricht das nicht den Ansprüchen der Schwaben. Mit 5,1 Millionen Euro Gesamtverschuldung stand der Verein zum 31. Dezember 2013 in den Miesen.

Doch damit soll bald Schluss sein. Über Investoren will sich das Management frisches Geld besorgen. Den Profibereich in eine Kapitalgesellschaft auszugliedern sei „zwingend notwendig für den sportlichen Erfolg“, so VfB-Präsident Bernd Wahler.

Auch sein neuer Vertreter an der Seitenlinie, VfB-Trainer Armin Veh, stimmt ein: Ohne die Ausgliederung werde man es schwer haben. „Das bedeutet aber nicht, dass man seine Tradition aufgibt“ schiebt er sogleich nach – um die Fans zu beruhigen. Für viele von ihnen sind Investoren gleichbedeutend mit dem Tod der Tradition.

Die Fans fürchten, dass die neuen Geldgeber dem Verein dem Diktat der Marktwirtschaft unterwerfen. Dabei wären die Stuttgarter mit dem Schritt in die Ausgliederung in bester Gesellschaft. Die Vereinskultur hat sich in der Bundesliga zur Kapitalstruktur transformiert. Bis auf fünf Vereine – Schalke, Mainz, Freiburg, Paderborn und eben Stuttgart – haben alle Klubs ihre Profibereiche ausgegliedert. Zuletzt schuf der Hamburger SV im Juli dieses Jahres die HSV Fußball AG.

Unternehmensformen der Bundesliga-Klubs

In einer Studie der Unternehmensberater EY heißt es: „Das Thema Fremdfinanzierung wird bis 2019 insgesamt wichtiger.“ Eine Umfrage unter den Bundesligaklubs zeigt: 61 Prozent glauben, der Anteil von Fremdkapital oder Investoren wird im nächsten Jahr steigen. In der zweiten und dritten Liga gehen sogar mehr als drei Viertel der Vereine davon aus.

Vorreiter Tottenham Hotspurs

Schon seit Oktober 1998 haben deutsche Vereine offiziell die Möglichkeit, ihre Profibereiche in Kapitalgesellschaften auszulagern. Damit hinken sie im internationalen Vergleich hinterher. Zum Vergleich: Mit den Tottenham Hotspurs ging in England schon 1983 der erste Fußballverein an die Börse, haben ihre Anteile 2012 aber wieder privatisiert.

Die wohl größte Erfolgsgeschichte ist Manchester United. Seit dem Börsengang 1991 konnte der Klub mehr als zwei Milliarden Euro einnehmen. Europaweit sind heute 23 Fußballvereine an der Börse notiert. In Deutschland ist Borussia Dortmund nach wie vor der einzige Vertreter.

Auch in anderen deutschen Ligen ist man schon weiter: Sowohl in der Handballbundesliga als auch in der Deutschen Eishockey Liga, den beiden obersten Spielklassen ihrer Art, gibt es ausschließlich Klubs mit ausgegliederten Kapitalgesellschaften.

Ein Trend, den Frank Daumann, Professor für Sportökonomie an der Universität Jena, auch für die Bundesliga sieht: „Mittelfristig, also innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre, werden sich ausgegliederte Kapitalgesellschaften in der Bundesliga gegenüber den Vereinen weiter durchsetzen. Das liegt nicht zuletzt am zunehmenden Professionalisierungsbedürfnis.“

Die Investoren-Rechnung geht nicht immer auf

Wer international mithalten möchte, so das einhellige Credo, muss sich für Investoren öffnen. „Ein normaler Verein passt überhaupt nicht mehr ins Bild. Rein wirtschaftlich handelt es sich bei den meisten Fußballklubs um mittelgroße Unternehmen“, sagt Sebastian Uhrich, Professor für Sportökonomie an der Deutschen Sporthochschule Köln. Der niedrigste Jahresumsatz von Bundesliga-Vereine lag laut EY im vergangenen Jahr zwischen 20 und 50 Millionen Euro. In der Spitze setzten die Bayern gar 433 Millionen Euro um, gefolgt von Dortmund mit 305 Millionen Euro.

Der Hauptgrund für die Ausgliederung sei Zugang zu frischem Kapital – zum Beispiel um Spieler zu kaufen oder Altlasten zu tilgen. Beim HSV etwa stockte der langjährige Investor Klaus-Michael Kühne sein bisheriges Engagement von acht Millionen Euro auf 25 Millionen Euro auf. Die Allianz stieg beim FC Bayern München im Februar gar mit 110 Millionen Euro ein und ergänzt die Phalanx von Adidas und Audi.

Von so viel Geld kann der VfB Stuttgart nur träumen. Er möchte zunächst 25 Prozent der Anteile verkaufen. Laut einem Bericht der "Stuttgarter Zeitung" erhofft sich der VfB so eine Geldschwemme von etwa 70 Millionen Euro. Aktuell schätzen Experten den Marktwert des Vereins auf knapp 250 Millionen Euro. Der Verein wollte die Zahlen in dieser Woche gegenüber der WirtschaftsWoche aber nicht bestätigen.

Die wertvollsten Fußballspieler
Platz 10: Hulk (Brasilien)Der brasilianische Stürmer, der für Zenit Sankt Petersburg spielt, erreicht laut Transfermarkt.de einen Marktwert von 48 Millionen Euro. Damit ist er wertvoller als die gesamte Mannschaft des Bundesliga-Vereins FC Augsburg. Quelle: REUTERS
Platz 8: Cesc Fabregas (Spanien)Wer den spanischen Mittelfeldspieler des FC Barcelona kaufen will, sollte 50 Millionen Euro auf dem Konto haben. Fabregas ist aber bei weitem nicht der teuerste Barca-Spieler... Quelle: REUTERS
Platz 8: Mesut Özil (Deutschland)Özil oder Fabregas? Beim Marktwert liegen die Mittelfeldspieler gleichauf. Auch der deutsche Nationalspieler, hier im Trikot seines Vereins Arsenal London, kommt auf 50 Millionen Euro Marktwert. Quelle: dpa
Platz 7: Luis Suarez (Uruguay)Der Stürmer ist für gewalttätige Ausraster und rote Karten bekannt. Weil er aber auch sehr gut Fußball spielen kann, dürfte sein Verein Liverpool rund 52 Millionen Euro für Suarez verlangen. Quelle: REUTERS
Platz 5: Andrés Iniesta (Spanien)Spanische Mittelfeldspieler sind die teuersten: Wer Iniesta, inzwischen bereits 30 Jahre alt, verpflichten will, muss 55 Millionen Euro hinlegen. Dafür macht der Spanier auch wichtige Tore, wie den Siegtreffer im vergangenen WM-Finale. Platz fünf teilt sich Iniesta mit einem Deutschen. Quelle: AP
Platz 5: Mario Götze (Deutschland)Für ebenfalls rund 55 Millionen Euro bekommt man den Bayern-Spieler Götze, der auch im Mittelfeld spielt – mit 22 Jahren seine besten Zeiten aber noch vor sich hat. Sein erstes WM-Spiel allerdings auch noch. Quelle: AP
Platz 3: Edinson Cavani (Uruguay)Neben Suarez (52 Millionen) der zweite Millionen-Stürmer aus Uruguay. Der Marktwert Cavanis, der bei Paris Saint German spielt, liegt bei 60 Millionen Euro. Dass reicht für die Top 3 der teuersten WM-Spieler. Quelle: AP

Die Finanzen sollen letztlich den sportlichen Erfolg anschieben, der wiederum die Finanzen auffrischt – eine Aufwärtsspirale, so die Hoffnung. Dass die Rechnung jedoch nicht immer aufgeht, zeigte Anfang dieses Jahrtausends Borussia Dortmund. Der Verein kaufte nach dem Börsengang 1999 zwar Spieler wie Marcio Amoroso oder Jan Koller und gewann 2002 sogar die deutsche Meisterschaft. Das verschonte den Traditionsverein aus dem Ruhrgebiet aber nicht vor der Beinahe-Pleite 2005. In den Jahren nach der Meisterschaft verpasste der Klub die Champions League und den UEFA Cup, bis die Dortmunder beinahe unter der Last von 184 Millionen Euro Schulden zusammenbrachen.

Fußball-Aktien taugen eher als Fan-Anleihe

Erst die Ausgliederung des Lizenzspielerbereichs ermöglicht den Gang an die Börse. Doch der war nicht gerade von Erfolg gekrönt. Vom einstigen Ausgabewert von elf Euro ist die BVB-Aktie mit ihrem heutigen Kurs von unter fünf Euro weit entfernt.

Sportökonom Uhrich schätzt Fußball auch deswegen als „hochriskante Geldanlage“ ein, die sich kaum auszahlt. Aktionäre des BVB erhielten im Geschäftsjahr 2013 gerade einmal zehn Cent Dividende pro Wertpapier. „Die Renditechancen sind im Fußball eher schlecht. Nur wenige Vereine sind hier einigermaßen kalkulierbar, etwa der FC Bayern“, sagt Uhrich.

Die Gründe für ein Investoren-Engagement wären eher, das Image zu verbessern oder eine bessere Werbewirkung zu erzielen. Im Falle des VfB Stuttgart ginge es Daimler möglicherweise um ein Zeichen, wie tief der Autobauer in der Region verwurzelt ist.

Die Vorteile einer Ausgliederung liegen in erster Linie bei den Vereinen. Sie bekommen einen größeren finanziellen Spielraum, die Kapitalgesellschaften übernehmen zugleich die Risiken. Muss eine Profimannschaft Insolvenz anmelden, leidet in der Regel nicht der ganze Verein darunter. Als etwa die Profiabteilung des ehemaligen Bundesligisten Alemannia Aachen 2012 Insolvenz anmelden musste, konnte der Betrieb in den Vereinsabteilungen Leichtathletik , Handball, Tischtennis und Volleyball weitergehen.

„Fans haben heute von kaum Mitspracherecht“

Doch skeptische Mitglieder und Fans beklagen vor allem einen Verlust von Mitspracherechten und Tradition. Dabei verändere sich für die Mitglieder kaum Wesentliches. „An den wirklich wichtigen Entscheidungen wie dem Kauf von Spielern – also Dingen, die tatsächlich über den Erfolg bestimmen, haben sie auch heute schon kaum Mitspracherecht“, sagt Sportökonomen-Kollege Uhrich aus Köln.

Den Vorstand des Vereins dürfen die Mitglieder zum Beispiel auch nach einer Ausgliederung weiter bestimmen. So kommt es gerade nicht zu einer Enteignung der Mitsprache des Vereins. Gemäß der sogenannten 50+1-Regel der Deutschen Fußball-Liga müssen die Stimmmehrheiten in einer Kapitalgesellschaft schließlich beim Mutterverein bleiben – also 50 Prozent plus eine Stimme. Wer diese Auflage nicht einhält, bekommt keine Lizenz für die erste oder zweite Bundesliga.

Die Anteile bestimmen nicht die Stimmrechte

Unternehmer wie der Hannover 96-Präsident und Hörgeräte-Guru Martin Kind stören sich daran schon länger. Kind möchte die Profifußballer gern komplett von Investoren übernehmen lassen. So entscheiden diese selbst über die Geschäftsführung. Nach den bisherigen Statuten der DFL darf er das aber nicht.

Auch Sportökonom Uhrich hat Zweifel an der Zukunftsfähigkeit: „Ich glaube, dass die Regel modifiziert werden muss. Der Grundgedanke, dass Kapitalgeber bei den Mannschaften nicht gleich alles auf den Kopf stellen, ist schon richtig – nur leider für Investoren nicht reizvoll. Denkbar wäre ein Modell, dass ein stärkeres Mitspracherecht mit einem langen Zeithorizont koppelt.“

Ein Urteil, das bereits in diese Richtung geht, fällte das Ständige Schiedsgericht für Vereine und Kapitalgesellschaften bereits vor drei Jahren. Demnach ist es Vereinen künftig erlaubt, eng verbundenen Finanziers, Mäzenen oder Unternehmen nach 20 Jahren Engagement auch Stimmmehrheit an der Kapitalgesellschaft zu übertragen. Für Investoren wie Kind ein Meilenstein. Seine Verkaufspläne können so schon 2017 real werden.

Unter die Investoren-Regelung fallen aktuell schon der VfL Wolfsburg und Bayer 04 Leverkusen. Erstere waren schon kurz nach der Gründung 1945 fest in der Hand des Autobauers Volkswagen, letztere wurden 1904 gleich als Werksverein des Chemiekonzerns Bayer gegründet.

Doch schon jetzt diskutieren Fußball-Fans heiß über Wege, wie Vereine diese Regelung untergraben – und nicht erst seit dem Aufstieg RB-Leipzigs in die zweite Bundesliga. So laufen etwa die Fäden des als „Retorten-Klubs“ geschmähten Vereines zwar ganz offensichtlich bei Red Bull-Geschäftsführer Dietrich Mateschitz zusammen. Um Sanktionierungen entlang der 50+1-Regel müssen die Leipziger trotzdem nicht bangen. Der Grund: RB Leipzig ist ein eingetragener Verein, die 50+1-Regel bezieht sich aber nur auf ausgegliederte Kapitalgesellschaften.

Die Stimmrechte in einer Kapitalgesellschaft sind dabei nicht mit den finanziellen Anteilen eines Investors zu verwechseln. Grundlegend dafür ist die Rechtsform der Gesellschaft. Bei den Bundesligisten am beliebtesten: Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Co. Kommanditgesellschaft auf Aktien – oder kurz GmbH & Co. KGaA. Diese Rechtsform ermöglicht es den Vereinen, ihre Anteile einem breiten Anlegerpublikum zu öffnen sowie zum regelmäßigen öffentlichen Handel anzubieten. Etwa über die Ausgabe stimmrechtsloser Aktien verschafft sich der Verein dabei finanziellen Spielraum, behält gemäß der 50+1-Regel aber gleichzeitig die Mehrheit an den Stimmrechten.

Beim BVB hält der Verein keine sieben Prozent

Diese macht also eine Trennung der Haftung von den rein finanziellen Anteilen möglich. Die GmbH, die vom Mutterverein gebildet wird, ist als Komplementär Vollhafter. Bei ihm bleibt die geschäftsführende Gewalt. Grundlegende Maßnahmen dürfen nicht gegen ihren Willen entschieden werden. Ihnen gegenüber stehen die Investoren als Kommanditisten, welche lediglich mit ihren Geldeinlagen haftet.

Beispiel Borussia Dortmund: Erst am Donnerstag verkündeten die Dortmunder, ihr Kapital um knapp 114 Millionen Euro zu erhöhen. Der Sportartikelhersteller Puma und die Versicherer Signal Iduna steigen wohl mit jeweils knapp fünf Prozent neu ein. Das Chemie-Unternehmen Evonik wird nach dem Einstieg in diesem Jahr seinen Anteil von derzeit neun auf wahrscheinlich 15 Prozent erhöhen.

Die Borussia Dortmund GmbH bleibt aber weiterhin als Komplementär die Stellvertreterin des Muttervereins in der Kapitalgesellschaft. Sie besitzt die mehrheitlichen Stimmrechte, gleichzeitig aber nicht die größten Anteile an der Kapitalgesellschaft. Der Ballspielverein Borussia 09 e. V. hielt – vor der aktuellen Kapitalerhöhung – nämlich nur 6,59 Prozent der Aktien, Großinvestor Bernd Geske hingegen 10,81 Prozent. Gemeinsam mit Evonik halten die beiden größten Investoren also schon jetzt also fast dreimal so viele Anteile wie der Mutterverein. Der Großteil der Aktien, satte 68,49 Prozent, befinden sich in Streubesitz bei Kleinanlegern.

„Theoretisch können die Vereine auch 100 Prozent ihrer Anteile an Investoren ausgeben. Gleichzeitig steuert die GmbH alles und der Verein behält darüber, ganz im Rahmen der 50+1-Regel, die Kontrolle“, sagt Daumann.

Zurück in Stuttgart. Auf der Mitgliederversammlung verkündete Präsident Wahler, Daimler habe bereits „grundsätzliches Interesse an einer weitergehenden Partnerschaft signalisiert.“ Auf Anfrage möchte der Autokonzern selbst jedoch kein konkretes Vorhaben bestätigen.

Bislang besitzt Daimler die Namensrechte an der Mercedes-Benz-Arena, dem Stadion des Bundesligisten, und ist zudem Trikotsponsor mit der Mercedes-Benz-Bank. Nur so viel gibt der Konzern in einer Erklärung an die Presse preis: „Ein darüber hinaus gehendes finanzielles Engagement – beispielsweise als Anteileigner – werden wir zu gegebener Zeit wohlwollend prüfen.“

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