Digitalisierung Am Anfang steht die Fingerübung

Apps und Onlineportale erleichtern den Zugang zu betrieblichen Gesundheitsangeboten. Doch erst wenige Unternehmen investieren in die Technik.

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Die Digitalisierung kann dem Gesundheitsmanagement nach Einschätzung von Experten wertvolle Impulse geben. Quelle: dpa

Köln Sie sind oft auf Achse - und lassen sich mit Aushängen am schwarzen Brett kaum mehr erreichen: Um Vertriebsmitarbeiter dennoch für Fitnesskurse, Check-ups beim Betriebsarzt oder psychologische Beratung zu motivieren, nutzt die Deutsche Bahn moderne Technik. Zusammen mit dem Berliner Start-up Machtfit hat der Konzern für die 5.000 Beschäftigten des DB-Vertriebs eine digitale Gesundheitsplattform eingeführt. Per App oder am Laptop können die Mitarbeiter nun jederzeit interne Präventionsangebote und auch zertifizierte Kurse externer Anbieter einsehen. Das Anmelden gelingt mit wenigen Klicks. Manche Kurse, etwa zur Stressbewältigung, lassen sich auch online absolvieren.

„Früher haben wir unsere Inhouse-Angebote mit Plakaten oder im Intranet beworben. Man musste sich telefonisch anmelden, das hat schon Hürden geschaffen“, sagt Adam Zielke, der bis vor Kurzem das Gesundheitsmanagement bei Deutsche Bahn Vertrieb verantwortete und nun in den Bereich Fernverkehr gewechselt ist. Seit das Pilotprojekt vor zwei Jahren startete, hat sich die Zahl der Teilnehmer an freiwilligen Kursen und anderen Angeboten von etwa zehn auf mehr als 30 Prozent gesteigert. „Wir haben den Vorteil, dass wir unsere Angebote, die wir sowieso schon haben, viel effektiver unterbringen können und somit alle Beschäftigten gleichermaßen erreichen“, sagt Zielke.

Wege verkürzen, Hemmschwellen senken: Die Digitalisierung kann dem Gesundheitsmanagement nach Einschätzung von Experten wertvolle Impulse geben. Mit technischer Hilfe lassen sich Angebote nicht nur besser bewerben - Unternehmen können diese auch passgenauer zuschneiden. „Durch Onlinebefragungen können sie viel besser ermitteln, was die einzelnen Mitarbeiter brauchen“, sagt David Matusiewicz, Leiter des Instituts für Gesundheit und Soziales an der FOM Hochschule.

Die Vernetzung ebnet zudem den Weg für virtuelle Wettbewerbe. Ein mögliches Szenario: Fitnessbänder messen, wer wie viele Schritte macht, und speichern Abteilungsergebnisse im Intranet. Die Gewinnerabteilung bekommt am Ende einen Kochkurs mit gesunden Gerichten beim Küchenchef eines Restaurants. Doch auch medizinische Unterstützung können Apps leisten - „zum Beispiel Hörtests mit einem Tablet, wo früher jeder Mitarbeiter einen einzelnen Termin beim Betriebsarzt gebraucht hat“, sagt Matusiewicz. Denkbar ist auch ein Chat, bei dem sich Mitarbeiter anonym an einen Psychologen wenden können.


Digitalisierung ist kein Selbstläufer

Ideen gibt es viele - und in den letzten Jahren haben sich zahlreiche Anbieter von Portalen und Apps etabliert. Noch schrecken aber die meisten Arbeitgeber vor Investitionen zurück. „Selbst bei den großen Dax-Konzernen benutzen gerade einmal ein Zehntel innovative Konzepte wie Apps, um die körperliche und auch geistige Fitness der Mitarbeiter zu steigern“, sagt Matusiewicz. Eines der Hindernisse sei, dass der Erfolg von Investitionen in diesem Bereich nur sehr langfristig spürbar und nur schwer messbar ist.

Dass die Digitalisierung kein Selbstläufer ist, stellt auch Tom Conrads, Gründer des Gesundheitsanbieters Benyoo, immer wieder fest. Das Unternehmen bietet Firmen ein auf ihr Profil zugeschnittenes Portal an und produziert auch Onlinefitnesskurse und Videoanleitungen. Einer der größten Stolpersteine für ein erfolgreiches Gesundheitsmanagement-System ist nach Einschätzung des Gründers der noch oft mangelnde Rückhalt auf der Führungsebene. „Wenn wir merken, das Thema hat keinen Rückhalt, dann lehnen wir Projekte auch ab, weil es dann ein Glaubwürdigkeitsproblem gibt und die Mitarbeiter nicht mitziehen“, so Conrads.

Gesundheitsmanagern rät er, zunächst Führungskräften zu zeigen, wie die persönliche Leistungsfähigkeit durch bestimmte Tools gesteigert werden kann - ob das nun ein Offlinekurs oder eine App ist. Erst dann folge das Bewusstsein, dass das eigene Verhalten auch die Gesundheit der Mitarbeiter beeinflusst. Ein weiteres großes Hindernis: „Viele Angestellte haben Bedenken, dass der Arbeitgeber an ihre Gesundheitsdaten kommt“, weiß der Benyoo-Geschäftsführer. Diese Sorgen müsse man ernst nehmen und ausräumen.

Adam Zielke von der Deutschen Bahn ist hier schon einen Schritt weiter. Nach dem erfolgreichen Pilotprojekt stehe der Konzern nun in Ausschreibungsverhandlungen für eine digitale Gesundheitsplattform auch für andere Konzernbereiche. Dass das Gesundheitsmanagement komplett digitalisiert wird, davon hält der Bahn-Manager allerdings wenig. Gerade in Bereichen wie der Wiedereingliederung von Mitarbeitern nach einer Krankheit oder im Bereich des Arbeitsschutzes sei der persönliche Kontakt wichtig. „Es wird künftig einen Mix aus beidem geben“, sagt Zielke. „Ein Gesundheitsangebot, das nur digital funktioniert, ist am Ende auch einfach nicht sinnvoll.“

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