Disney Bob Iger: Dieser Mann kann einfach nicht aufhören

Übertriebene Zurückhaltung ist bei ihm nicht zu erwarten: Disney-CEO Robert Iger. Quelle: Bloomberg

Am Dienstag startet Disney mit einem eigenen Streaming-Abo den Großangriff auf Netflix, Amazon und Co. Konzern-Chef Bob Iger beginnt so eine Materialschlacht, wie es sie in der Medienindustrie so noch nie gegeben hat.

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Vornehme Zurückhaltung muss sich Bob Iger nicht nachsagen lassen. Als der Chef von Walt Disney kürzlich einen Trailer in Auftrag gab, der für den neuen Streamingdienst Disney+ wirbt, kam dabei nicht weniger als der wohl längste jemals gedrehte Werbefilm heraus: Der Clip läuft drei Stunden, 17 Minuten und 53 Sekunden lang.

Von „Schneewittchen und die Sieben Zwerge“ aus dem Jahr 1937 bis zum neuesten Star-Wars-Ableger „The Mandalorian“ – alles ist dabei. Iger und Disney gehen die Vollen und fahren zum Start des neuen Streamingdienstes an diesem Dienstag auf, was der Medienkonzern zu bieten hat. Das Signal, das er damit sendet, ist überdeutlich: Der Mauskonzern startet eine Materialschlacht, wie es sie in der Medienindustrie so noch nie gegeben hat. Igers Ziel ist klar – er will im Kampf der Streamingdienste vom Start weg so viel Gelände wie möglich für sich einzunehmen.

Der Vorstandschef hat Disney darauf eingeschworen, nach vielen Jahren, in denen der Konzern seine Filme und Serien gegen Lizenzgebühren vor allem über andere Anbieter unters Volk brachte, die Mittelsmänner zu umgehen. Er will ihn selbst haben, den direkten Draht zum Kunden. Nicht anders als Konsumgüterhersteller wie Nike oder Adidas, die immer mehr Turnschuhe und Trikots in ihren eigenen, immer aufwändiger gestalteten Läden verkaufen, baut Iger dem Konzern eigene Plattformen mit einem einzigen Ziel: Er will ran an die Kunden, will ihre Konsum- und Bankdaten, um den Traum des Konzerngründers Walt Disney vom sich selbst fütternden Perpetuum mobile des Entertainment-Universums auf eine völlig neue Stufe zu heben. Er pumpt damit Disney zugleich zu einer Größe auf, die den Konzern fit machen soll, um mit Amazon und Facebook mitzuhalten, die sich in immer mehr Feldern breitmachen und immer mehr Werbegelder einsaugen.

Iger geht mit diesem gewaltig dimensionierten Vorhaben auf die letzte und wohl entscheidende Etappe seiner langen Karriere. Einer Laufbahn, die der 68-jährige gebürtige New Yorker eigentlich schon längst beendet haben wollte. Schon 2016, so der ursprüngliche Plan, wollte er den Posten an einen geeigneten Nachfolger abgegeben haben. Allein – der fand sich in seinen und den Augen des Aufsichtsrates nicht.

Zudem steckt der Konzern in einem Umbruch der kompletten Medienindustrie. Der hatte sich zwar schon länger angebahnt. Vor allem aber durch den rasanten Aufstieg des kleineren Konkurrenten Netflix war offenbar nicht nur in Igers Augen ein Wechsel an der Konzernspitze viel zu riskant, zu viel konnte schiefgehen. Erst recht, nachdem Iger den Einsatz noch einmal massiv erhöht hatte. Für 72 Milliarden Dollar verleibte er in einer wahren Übernahmeschlacht dem Disney-Konzern Rupert Murdochs 20th Century Fox ein, der Höhepunkt einer nie dagewesenen Kette von spektakulären Übernahmen.

Neben seinem Geschick beim Kauf hatte Iger jedoch ein weiteres bewiesen: Bislang gelang es ihm stets auch die relativ geschmeidige Eingemeindung einstmals eigenständiger Marken und ihrer dahinterstehenden Mannschaften. Bewiesen hat er das schon vor der Übernahme des größten Teils von 21st Century Fox, wozu Filmstudios, Kabelfernsehnetze, Anteile am Streamingdienst Hulu und der Pay-TV-Sender Sky gehören.

Den Anfang der Igerschen Einkaufstour machte der Kauf der Animationsspezialisten Pixar. Iger, der Mitte 2005 den bisherigen CEO Michael Eisner abgelöst hatte, war bei einer Disney-Parade aufgefallen, dass Mickey Maus und Co. doch einigermaßen in die Jahre gekommen waren. Neue Helden mussten dringend her.

Nur ein halbes Jahr später überraschte Iger die Entertainmentwelt mit einer Übernahme: Disney kaufte Pixar, einen langjährigen Partner, der Disney in Sachen Kreativität längst in den Schatten gestellt hatte. Das war vor allem deshalb überraschend, weil sich wenige Jahre zuvor Apple-Gründer und Pixar-Förderer Steve Jobs mit Igers Vorgänger Eisner völlig überworfen und angekündigt hatte, nie wieder für den Mauskonzern produzieren zu wollen. Iger machte zur Chefsache, den Streit mit Jobs auszuräumen. Das gelang so gründlich, dass Disney Pixar für mehr als sieben Milliarden Dollar übernahm; Jobs wurde mit sieben Prozent der Anteile größter Einzelaktionär und bis zu seinem Tod Mitglied im Aufsichtsgremium. Disney profitierte massiv von Igers Diplomatie, landete mit Pixar-Hilfe wieder Hits und frischte sein Star-Portfolio auf.

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