Disney versus DeSantis Floridas Gouverneur forderte Disney zum Duell – jetzt zieht das Maus-Imperium vor Gericht

Quelle: imago images

Seit Jahren streitet sich Floridas Gouverneur mit Disney, dem größten privaten Arbeitgeber in seinem Staat. Zuletzt sollte der Konzern jahrzehntealte Sonderrechte verlieren. Jetzt hat das Maus-Imperium Klage eingereicht.

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Als Bob Iger im November 2022 nach nicht einmal zwei Jahren an der Seitenlinie an die Unternehmensspitze zurückkehrte, erwarteten Beobachter eigentlich, dass er deeskalieren würde. Stattdessen hat der 71-Jährige Disneys Konflikt mit dem Politiker Ron DeSantis, einst angestoßen durch Vorgänger Bob Chapek, nun auf eine völlig neue Eskalationsstufe gebracht: Der Unterhaltungskonzern hat Klage gegen den Gouverneur von Florida und möglichen republikanischen Präsidentschaftsanwärter eingereicht. Der Konzern habe lediglich „seine Meinung zu einer staatlichen Gesetzgebung geäußert“ und sei dafür „vom Staat bestraft“ worden, heißt es in der Klage, die am Mittwoch in Tallahassee eingereicht wurde. „Dies ist ein klarerer Fall einer Vergeltungskampagne als ihn dieses Gericht vermutlich jemals wieder sehen wird.“

Seit Jahren schon liegt der kämpferische Gouverneur von Florida im Clinch mit dem zweitgrößten Arbeitgeber seines Bundesstaats. Eskaliert war der Streit, als Bob Chapek, damals CEO des Maus-Imperiums, ein Gesetz des Republikaners kritisiert hatte, das Gespräche über Themen wie sexuelle Orientierung oder Identität in Schulen bis zur dritten Klasse verbietet.

DeSantis schäumte – und drohte, Disney bestimmte Sonderrechte zu entziehen, die der Konzern in Zentralflorida seit 1967 genoss. Ende Februar unterschrieb er dann das entsprechende Gesetz. „Einem Unternehmen zu erlauben, seine eigene Regierung zu kontrollieren, ist schlechte Politik, besonders wenn das Unternehmen Entscheidungen trifft, die eine ganze Region betreffen“, sagte er während der Zeremonie. „Diese Gesetzgebung beendet Disneys Selbstverwaltungsstatus, lässt Disney unter denselben Gesetzen leben wie alle anderen und stellt sicher, dass Disney seine Schulden und seinen gerechten Anteil an Steuern bezahlt“.

Was DeSantis zu diesem Zeitpunkt nicht wusste: Disney hatte ihn ausmanövriert. Wochen bevor die neuen Regeln in Kraft traten, hatte das Unternehmen sich den Großteil seiner Kompetenzen bereits anderweitig gesichert, darum aber kein großes Aufsehen gemacht. Der Gouverneur erfuhr davon erst deutlich später. Erfreut war er nicht. „Seien Sie versichert, dass Sie noch gar nichts gesehen haben“, knurrte er während seiner Buchtour, die wohl seine Präsidentschaftskandidatur vorbereiten soll. „In dieser Hinsicht wird es noch mehr geben.“ Am Mittwoch nun, nur wenige Minuten vor Einreichung der Disney-Klage, hatte ein von DeSantis ernanntes Verwaltungsgremium die Vereinbarung für ungültig erklärt, die Entscheidungen über die Gestaltung des Parks allein dem Unternehmen überlässt - und mit der Disney ihn ausmanövriert zu haben glaubte.

Man muss einen Schritt zurücktreten, um den Streit in seinem ganzen Ausmaß zu erklären. Als Disney in den 1960er-Jahren seinen Park in Florida plante, war das Gebiet um Orlando herum noch kaum erschlossen. Um die Entwicklung besser steuern zu können, kaufte der Konzern in großem Stil Land auf und bat den Staat, die Grundstücke zu einem Sonderbezirk zu erklären, in dem Disney wie eine eigene Regierung agieren könnte. Ähnliche Modelle sind in den USA nicht unüblich. Auch die anderen Vergnügungsparks um Orlando verfügen über Selbstverwaltungsmodelle. Sie sind hilfreich, um etwa Baugenehmigungen zu beschleunigen oder die Infrastruktur um die Parks herum in Schuss zu halten. Auch betreiben sie teils eigene Feuerwehren oder Polizeikräfte. Doch Disneys Sonderrechte gehen besonders weit. Rein rechtlich dürfte der Distrikt sogar ein eigenes Atomkraftwerk bauen.

Über Jahrzehnte hatte sich an diesem Arrangement kaum jemand gestört. Reedy Creek erhob Gebühren von den Highend Hotels und anderen Unternehmen, die sich im direkten Umfeld von Disney World angesiedelt hatten, um für die Leistungen des Distrikts zu bezahlen und sorgte so dafür, dass Besucher entspannt im Park ankamen. Um die Sonderverwaltungszone herum siedelten sich hingegen die Mittelklasseunterkünfte und Fast-Food-Ketten an, die weniger betuchten Gästen die Visite im „Happiest Place on Earth“ ermöglichten. Win-Win also. Doch dann kam der Streit mit DeSantis.

Nachdem Ex-CEO Chapek auf Druck seiner Belegschaft die Politik des Gouverneurs kritisiert und angekündigt hatte, vorerst keine politischen Spenden mehr vorzunehmen, knöpfte dieser sich Disney vor. Ein natürlicher Gegner war der Politiker dabei eigentlich nicht. DeSantis hatte in Disney World geheiratet, hatte über die Jahre rund 100.000 Dollar an Zuwendungen von Disneys Spendenvehikel erhalten. Doch der Streit mit dem Konzern kam ihm politisch zu pass. In seinem Buch beschreibt er den Kampf mit dem Konzern in einem Kapitel mit der Überschrift: „Das magische Königreich des woken Korporatismus“.

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Der Konzern schien cleverer zu sein als der Gouverneur

Zunächst plante DeSantis, als Strafe für Disneys politische Positionierung den Reedy-Creek-Distrikt vollständig aufzulösen. Doch dagegen regte sich schnell Kritik. Schließlich ist der Bezirk verschuldet. Hätten die umliegenden Landkreise ihn in sich aufgenommen, hätten die Grundsteuern für deren Bewohner in die Höhe gehen können – politisch kein Gewinner. Also entschied sich DeSantis für eine andere Strategie. Er setzte ein neues Aufsichtsgremium durch, dass die Politik des mittlerweile in Central Florida Tourism Oversight District umbenannten Bezirks steuern sollte und besetzte es mit konservativen Verbündeten. Diese sollten Disney auf Linie bringen. Doch der Konzern war cleverer.

Noch am 8. Februar, also Wochen bevor das neue Gesetz in Kraft treten sollte, kam das alte Aufsichtsgremium zu einer routinemäßigen öffentlichen Sitzung zusammen. Dort hatte das Gremium beschlossen, einen Großteil seiner Kompetenzen direkt auf Disney zu übertragen, sich also selbst weitgehend zu entmachten. Das neue, von DeSantis eingesetzte Gremium bemerkte den bürokratischen Coup selbst erst in seiner zweiten Sitzung. Viel mehr als die Straßen in Schuss zu halten könne man nun nicht mehr tun, teilte ein Mitglied mit. Die vom alten Board beschlossenen Regeln sind auf Dauer angelegt. Da das US-Recht Ewigkeitsklauseln verbietet, fand das Gremium eine andere Formulierung, um seinen Schritt langfristig abzusichern. Die Regelung erlösche erst 21 Jahre nach dem Tod des letzten Nachfahren von König Charles III., heißt es in dem Dokument.

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Es schien so, als habe Disney den Gouverneur ausmanövriert. Das neue Gremium erklärte diesen Schritt am Mittwoch jedoch für rechtswidrig. Die nächste Runde in der Dauerfehde findet nun vor Gericht statt. Wer am Ende die Oberhand behalten wird, muss sich erst zeigen – ein US-Präsident DeSantis jedoch wäre für Disney sicherlich keine gute Nachricht.

Hinweis: Dieser Text wurde erstmals am 3. April 2023 veröffentlich und nun aktualisiert.

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