Und Iger überraschte die Branche auch weiter: 2009 steckte er vier Milliarden Dollar in den Kauf ausgerechnet des Comicbuch-Verlags Marvel. Er hatte erkannt, wie viele Comic-Charaktere und damit potenzielle Medienmarken in dem Unternehmen steckten. Dazu kam ein weiteres: Iger vertraute auf den Marvel-Manager Kevin Feige, der für die Verfilmung der Comics verantwortlich war. Feige hatte einen langfristigen wie weitsichtigen Auswertungsplan aufgestellt für „Captain America“, „Iron Man“ und die anderen schrägen Figuren des Marvel-Universums. Bis ins Detail plante er auf Jahre voraus die Streifen und möglichen Kombinationen der Superhelden in gemeinsamen Film – ein Traum für Disney, denn an den Filmen hängen bis heute umfangreiche Merchandising-Deals – wie aus dem Lehrbuch von Gründervater Walt.
Ähnlich clever auch Igers Zug, kurz darauf auch noch Star Wars-Erfinder George Lucas ein Angebot zu machen, das er nicht ablehnen konnte. So kam 2012 das Sternen-Imperium samt Luke Skywalker und Prinzessin Lea unters Disney-Dach.
Hinter der Milliarden-teuren Einkaufstour steckte die Einsicht, dass es unabhängig von den sich verändernden Distributionswegen vor allem starke Medienmarken sein würden, die dem Disney-Konzern einen Vorteil im beinharten Geschäft verschaffen würden. Tatsächlich scheint Igers Kalkül aufzugehen: Dank Pixar gewann Disney neue Charaktere und Kreativität hinzu. Mit Marvel erschloss sich der Konzern, der bis dato vor allem für Familienprogramm und Kinderfilme stand, die neue Zielgruppe der Jungs und jungen Männer. Die tauchen seitdem in Scharen in ein komplettes Universum aufeinander verweisender Superhelden-Filme ab, das seitdem maßgeblich zur um sich greifenden Langeweile in den Kinoprogrammen beiträgt.
Schließlich erschloss sich Disney dank Star Wars eine weitere vollständige Themenwelt samt einer treuen Anhängerschaft. Die wird nun nach der Marvel-Methode mit strategisch geplanten neuen Streifen versorgt, mit Ablegern und Ablegern von Ablegern, in denen auch noch die Geschichten von früheren Nebenfiguren erzählt werden; dazu füttert Disneys über Jahrzehnte perfekt choreographierte Merchandising- und Spielzeugsparte die Fans mit Spielfigürchen und sonstigem Tinnef.
Die Medienmarken von Rupert Murdoch fügen sich ins Bild. Denn Disney spürt etwa bei seinem Sportsender ESPN zu spüren bekommen, wie sehr sich die Sehgewohnheiten der TV-Konsumenten ändern. Immer mehr von ihnen verabschieden sich im Heimatmarkt USA von teuren Kabelverträgen. Stattdessen schließen sie preiswerte Abos bei Netflix oder Amazon ab, die sie mit einem wachsenden Angebot an Filmen, Serien, Comedy locken.
Hier nun schickt Disney+ ins Rennen. Mit dem Start in Nordamerika an diesem Dienstag zeiht Iger vor allem gegen Netflix in die Schlacht, das jahrelang auch gern Disney-Serien und Filme zeigte. Die laufen bald nur noch auf den Disney-eigenen Portalen. Seit der 20 Century-Übernahme gilt das auch für Erfolgsstreifen wie 'Titanic' und 'X-Men'.
Iger steigert damit den Druck vor allem auf Netflix. Der Disney-Lenker verzichtet bewusst auf Einnahmen, die ihm die Lizensierung von Inhalten bislang brachte. Damit zwang er bereits Netflix dazu, den Einsatz noch einmal massiv zu erhöhen. Der Streaming-Pionier muss einerseits noch viel mehr Geld in Eigenproduktionen investieren. Das treibt die Verschuldung in immer neue Höhen. Andererseits gehen Netflix schlicht in Zukunft viele attraktive Programme verloren. Zuschauer, die nicht per se eher auf „Stranger Things“ stehen und Netflix‘ sehr eigenen Stil dem am Mainstream orientierten Disney-Angebot vorziehen, werden ihr Abo in Zukunft wohl eher bei Disney+ abschließen – zumal der Mauskonzern mit einem Kampfpreis an den Start geht. Kunden des US-Mobil-Anbieters Verizon bekommen das Disney-Abo ein Jahr lang sogar gratis.
Und Bob, der Baumeister? Könnte, wenn beim Maus-Konzern alles so läuft, wie er und seine Strategen sich das ausgedacht haben, nach dann 16 Jahren an der Spitze den Chefsessel 2021 frei machen.