Dopingkritiker und Kartellsünder Der gewagte Spagat des Sportfunktionärs Alfons Hörmann

Wer als Sportler verbotene Dopingmittel nimmt, verschafft sich damit Wettbewerbsvorteile zu Lasten anderer. Und wer als Unternehmer oder Manager verbotene Kartellabsprachen trifft, der macht dasselbe - bloß im Geschäftsleben statt im Stadion.

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Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes Quelle: dpa

Die Parallele zwischen sportlicher und wirtschaftlicher Wettberwerbs-Manipulation ist offensichtlich. Vielleicht klang Alfons Hörmanns Eingeständnis im Mai vergangenen Jahres deshalb so gewunden. "Ich habe mich wohl im Grenzbereich bewegt und muss bei selbstkritischer Betrachtung einen Fehler eingestehen", erklärte der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), als er sich nach sieben Jahren Rechtsstreit doch bereit erklärte, 150.000 Euro Kartell-Bußgeld plus rund 75.000 Euro Zinsen an die Staatskasse zu zahlen. Gleichzeitig aber stellte der ehrenamtliche Doping-Saubermann selbst-entlastend fest: "Ich bleibe dabei, dass es keine Kartellabsprache im eigentliche Sinne gegeben hat." Die Mischung von Eingeständnis und Rechtfertigung erinnert irgendwie an die Jan Ulrichs: selbst gestricktes Rechtsgefühl geht vor Fakten.

Aus der nüchternen Sicht des Bundeskartellamts ist Alfons Hörmann ein Kartellant - und kein kleiner Fisch.

Vor rund zehn Jahren ließen die Bonner Wettbewerbshüter das Kartell in der Tonziegelbranche hochgehen. Es ging dabei um Preisabsprachen unter insgesamt neun Baustoff-Firmen. Im Mittelpunkt: die Creaton AG im schwäbischen Wertingen. Vorstandschef dort von 1998 bis 2010: Alfons Hörmann - schon damals als Präsident des Deutschen Skiverbandes (DSV) einer der führenden Repräsentanten des deutschen Sports.

Laut Bundeskartellamt hatten sich die Unternehmen und zwölf ihrer Manager 2006 darauf verständigt, zum Ausgleich für gestiegene Energiekosten "einen entsprechenden Zuschlag auf ihre Preise für Tondachziegel vorzunehmen". Fünf der Kartell-Mitglieder vereinbarten zudem "eine Preiserhöhung bei Biberschwanzziegeln". Geschädigte waren die Endverbraucher: Familien, die Eigenheime bauten und Rentner, die ihre Doppelhaushälfte neu eindeckten. Dank der Kartellabsprachen von Alfons Hörmann & Kollegen zahlten sie überhöhte Preise.

Fünf der Unternehmen akzeptierten die 2008 und 2009 verhängten Bußgeldbescheide. Zwei Unternehmen entzogen sich der Strafe durch Umstrukturierung und Übernahme. Zwei andere stritten bis 2015, darunter Creaton. Nach Prüfung der Firmen-Bilanzen setzte das Oberlandesgericht Düsseldorf am 29. Mai vergangenen Jahres das Bußgeld für Creaton auf endgültig 39,9 Millionen Euro fest. Insgesamt und inklusive des Hörmann-Bußgelds kassierten die Bonner Wettbewerbshüter durch den Kartellfall Strafzahlungen in Höhe von 66 Millionen Euro.

Die spektakulärsten Kartellfälle
Verdacht verbotener Preisabsprachen im Großhandel mit Pflanzenschutzmitteln Quelle: dpa
Jemand fährt Fahrrad auf einem gepflasterten Weg Quelle: dpa/dpaweb
Magna Quelle: AP
Anna Kurnikova Quelle: dpa
U-Bahn Quelle: AP
Schriftzug von Villeroy und Boch Quelle: dpa
Bratwürste Quelle: dpa

Hörmann wollte eine Verhandlung über seine illegalen Preisabsprachen unbedingt vermeiden und erklärte dazu den DOSB-Mitgliedern in einem Brief: "Die zwischenzeitlichen Entwicklungen haben es für mich nun richtig erscheinen lassen, den Einspruch gegen den mich betreffenden Bußgeldbescheid zurückzunehmen." Er sei "erleichtert, dass das Verfahren damit für mich beendet ist, andererseits geht mir damit die Chance verloren, die damaligen Vorgänge unter meiner Mitwirkung gerichtlich klären zu lassen, was ich bedaure".

Es geht um die Ehre

Mit der außergerichtlichen Lösung könne er sich "nun weiter voll auf die Arbeit im DOSB und damit auf die Entwicklung der Olympiabewerbung konzentrieren", sagte Hörmann der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Als Grund für den Rückzug des Einspruchs gab er an, dass es einen DOSB-Präsidenten vor Gericht nicht geben werde.

Eine Frage der Ehre und der Würde des Amtes also.

Ermittlungen und Kartellverfehlung taten Hörmanns Karriere keinen Abbruch - weder in der Wirtschaft noch im Sport. Im November 2009 verlieh Bayerns damaliger Wirtschaftsminister Martin Zeil Alfons Hörmann die Staatsmedaille für besondere Verdienste um die bayerische Wirtschaft.

2010 wechselte der Allgäuer in die Geschäftsführung der nur zufällig gleichnamigen Hörmann Holding im bayrischen Kirchseeon. 2013 wurde er als Nachfolger von Thomas Bach zum Präsidenten des DOSB gewählt, nachdem Vorgänger Thomas Bach an die Spitze des Internationalen Olympischen Komitees gewechselt war. Auch sein Amt im Top-Gremium des Internationalen Skiverbandes, dem FIS-Council, behielt Alfons Hörmann bei.

Das Präsidium des Deutschen Olympischen Sportbundes hatte Hörmann vor seiner Wahl laut "Spiegel Online" "nach eingehender Prüfung" des Vorgangs den Rücken gestärkt und verkündet, das Kartellverfahren habe keinerlei Auswirkungen auf Hörmanns Kandidatur. Auch nach der faktischen Schuldanerkenntnis 2015 blieb Hörmann unantastbar, obwohl er vor seiner Wahl zum DOSB-Chef mehrfach öffentlich betont hatte, er sei an keinen illegalen Preisabsprachen bei Creaton beteiligt gewesen.

Die sechsstellig bebußte Verfehlung hinderte Hörmann nicht, in Sachen Doping ganz harte Töne anzuschlagen und die radikale Offenlegung und Beseitigung aller Missstände einzufordern. Dass den 55-Jährigen nun ausgerechnet sein Engagement als Ausmister des Sport-Augiasstalls seinen Hauptjob als Geschäftsführer der Hörmann Holding kosten soll, ist eine besondere Pointe.

Der verdiente und ebenfalls hoch dekorierte Unternehmer und Hörmann-Beiratschef Hans Hörmann hatte sich ja am Kartellproblem seines wichtigsten Angestellten auch nicht erkennbar gestört. Als der Seniorchef der Hörmann-Holding und Bundesverdienstkreuz-Träger aber den Eindruck bekam, dass sein schillernder Top-Manager das höchste deutsche Sport-Ehrenamt teilweise zu Lasten der Firma ausübte - was dieser vehement bestreitet - da setzte er seinen Geschäftsführer schonungslos vor die Tür.

Können sie sich die Ehrenmänner nicht einigen, steht Alfons Hörmann - was er als Kartellant unbedingt vermeiden wollte - am 23. Juni doch noch vor Gericht und muss kämpfen. Um seinen Job. Und um die Ehre.

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