Dropbox-Rivale Warum der Box-Gründer Paranoia hat, disruptiert zu werden

Aaron Levie Quelle: imago images

Vor zwölf Jahren ging der Cloud-Speicher Box an den Start - das Kapital kam von einer Pokerpartie. CEO Aaron Levie erklärt, warum das heute nicht mehr möglich ist und warum wir viele Innovationen erst spät erkennen.

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WirtschaftsWoche: Beim Start von Box gab es viele Skeptiker, die nicht glaubten, dass ihr Start-up es mit Schwergewichten wie Microsoft, Google oder Amazon aufnehmen könnte.
Aaron Levie: Wir waren auch sehr skeptisch (lacht). Im Ernst, Gründen ist riskant. Für uns heißt das bei solch namhafter Konkurrenz, dass wir immer einen Schritt voraus sein müssen, bessere und tiefergehende Produkte bieten, rascher die Bedürfnisse unserer Kunden bedienen. Um es auf den Punkt zu bringen: Wir müssen stets mehr Risiken eingehen.

Aber gelingt das? Selbst eine gravierende Fehlentscheidung wird einen Konzern wie Microsoft nicht gleich ruinieren – im Gegensatz zu Ihrem Jungunternehmen.
Ja, deshalb sind Start-ups so herausfordernd. Man ist gezwungen, große Wetten einzugehen. Aber es ist viel härter, sie auszuführen.

Was ist momentan ihre riskanteste Wette?
Eigentlich fühle ich mich bei allen gut. Wir investieren in unser internationales Wachstum, gehen stärker in Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen. Außerdem kooperieren wir intensiver mit Amazon und Microsoft.

Die sind gleichzeitig ihre wichtigsten Wettbewerber. Warum arbeiten Sie ausgerechnet mit denen zusammen?
Wir wollen nicht selber Cloud-Computing-Infrastruktur aufbauen. Unsere Datenzentren immer weiter auszuweiten ist einfach nicht unsere Stärke. Allerdings vermögen wir auf die Infrastruktur der wichtigsten Anbieter aufzusetzen - ganz im Sinne unserer Kunden, die sich nicht an einen Infrastrukturanbieter und eine Lösung binden wollen.

Box betreibt derzeit eigene Datenzentren. Werden die abgeschafft?
Momentan nicht, langfristig schon. Bei unserer internationalen Expansion arbeiten wir bereits stark mit Partnern zusammen, beispielsweise in Deutschland mit Amazons Web Service.

Jeder redet momentan von Künstlicher Intelligenz. Man hat den Eindruck, dass es das neue „Big Data“ ist. Steckt da nicht schon wieder zu viel Hype dahinter?
Bill Gates zitiert gern eine interessante Beobachtung. Ich glaube, sie ist nicht von ihm direkt, aber trotzdem sehr treffend. „Wir überschätzen immer, was in den nächsten zwei Jahren passieren wird und unterschätzen, was übers ganze Jahrzehnt geschieht. Mit anderen Worten, am Anfang dauert es etwas länger. Das enttäuscht einige und schnell taucht dann der Vorwurf des Hypes auf. Aber dann fließen all diese Veränderungen zusammen und schaffen Fortschritt, den wir heute noch nicht einmal erahnen.

Zum Beispiel?
Selbstfahrende Autos. Man kann sich heute sehr gut vorstellen, wie es das Fahren an sich verändert sowie den Besitz und das Versichern von Autos. Aber wie wird es das Stadtbild verändern, die Architektur, den Handel oder die gesamte Reisebranche? Welche neuen Unternehmen werden dabei entstehen, welche Probleme? Ich glaube nicht, dass wir diese ganzen Auswirkungen derzeit wirklich verstehen.

Bei Künstlicher Intelligenz konkurrieren die Marktgrößen heftig miteinander. Haben wir künftig verschiedene Ausprägungen Künstlicher Intelligenz im Stil von Microsoft, Amazon, Apple oder Google?
Bei den grundlegenden Sachen nicht, aber schon bei der konkreten Anwendung. Für uns bei Box ist das prima. Keiner unserer Kunden will bei einem so wichtigen Thema wie AI auf einen Anbieter wetten, sei es nun Microsoft oder Amazon, um dann später festzustellen, dass man falsch lag. Wir wollen eine Art neutrale Instanz sein, die die besten Lösungen identifiziert und die unsere Kunden dann auf ihre gespeicherten Daten anwenden können. Wir arbeiten bereits mit Google zusammen, um deren Technologie beim Auswerten von Bildern zu nutzen, beispielsweise das automatische Erkennen von Objekten. So kooperieren wir auch mit Microsoft, das große Stärken beim Analysieren von Videomaterial hat.

Heute braucht man mindestens zehn Millionen Dollar

Stimmt es eigentlich, dass Sie Box mit dem Pokerspielgewinnen ihres Mitgründers Dylan Smith gestartet haben?
Ja, Dylan ist ein wirklich guter Pokerspieler. Es waren so 12.000 oder 13.000 Dollar, zusätzlich mit ein paar Ersparnissen konnten wir so Box starten. Das geht heute nicht mehr. Es scheint so, als ob man mit weniger als zehn Millionen Dollar erst gar nicht loslegen sollte.

Das nötige Kapital vorausgesetzt, könnten Sie ein Unternehmen wie Box heute noch hochziehen?
Einerseits sind die Infrastrukturkosten im Geschäft mit Unternehmenssoftware viel niedriger. Man muss kein eigenes Datenzentrum aufbauen, kann sofort loslegen, auch international. Andererseits gibt es genau deswegen eine Menge Wettbewerb. Als wir 2005 starteten, hatten wir mit unserer Idee eigentlich keine Konkurrenz. Heute gibt es bei Unternehmenssoftware in jedem Segment gefühlt mindestens fünf Wettbewerber.

Box ist bereits 12 Jahre alt. Zeit, um selber „disrupted“ zu werden?
Die Gefahr ist immer da. Weil wir selber eine Branche verändert haben wissen wir, wie schnell das geschehen kann, manchmal innerhalb von ein paar Monaten. Wir sind da sehr paranoid und ruhen uns nicht auf unseren Erfolgen aus.

Sind Unternehmen wie Google, Facebook oder Amazon bereits zu mächtig im Internet und behindern so Innovation?
Keine Frage, der Wettbewerb wird immer schwieriger. Nicht nur um Talente und Ideen. Sondern auch um den Kunden, dessen Budget für Aufmerksamkeit und Zeit beschränkt ist.

Ist das Silicon Valley dann noch ein guter Ort, um ein Unternehmen zu starten?
Der Kampf um die besten Köpfe ist hier besonders hart, die haben viele Alternativen. Andererseits kommen die Talente genau deswegen hierher, was Unternehmern wiederum eine große Auswahl ermöglicht. Es zwingt uns, eine gute Unternehmenskultur zu pflegen und diese gleichzeitig so transparent zu gestalten, dass sich alle entfalten können und nicht nur gern kommen, sondern auch bleiben. Das ist ein immenser Vorteil, wie wir gerade sehen.

Sie haben ihre Mitarbeiter im Silicon Valley an einem Ort zusammengezogen, hier in dem Bürohochhaus in der Innenstadt von Redwood City, in dem wir gerade sitzen. Dabei bietet Box Werkzeuge an, mit denen man von überall her auf Daten zugreifen kann. Ist das nicht ein Widerspruch?
Ich bin überzeugt, dass man Probleme am schnellsten angehen, definieren und lösen kann, wenn man die richtigen Leute miteinander in einen Raum bringt. Ich glaube auch nicht, dass die Cloud das ändern wird. Klar, das hat schon eine gewisse Ironie. Anderseits erlauben unsere Produkte, dass man Informationen effektiver austauschen und dabei auch Mitarbeiter in Außenbüros oder Partner besser einbinden kann.

Wie unterscheidet sich Ihr internationales Geschäft von dem in den USA?
Unsere Lösungen sind in den USA verbreiteter. Aber wir sehen wachsenden Bedarf und Interesse in Europa. Wir haben schon viele internationale Kunden, die mit deutschen Unternehmen arbeiten.

Sie sind einer der wenigen Silicon-Valley-CEOs, die sich öffentlich kritisch über Präsident Trump äußern. Hat sich nach fast einem Jahr mit Trump im Weißen Haus die Lage etwas normalisiert?
Von Normalität kann keine Rede sein. Im Gegenteil: Es wird jeden Tag seltsamer. Weil das so ist, nimmt man das fast schon als Normalität wahr. Das ist gefährlich. Wir sollten uns nicht daran gewöhnen. Die US-Politik war schon vor Trump dysfunktional genug. Dabei gibt es so viele Probleme, die wir lösen müssten.

Hat die Politik von Trump das Silicon Valley weniger attraktiv gemacht?
Sagen wir es mal so: Der internationale Wettbewerb ist bereits hart genug. Da müssen wir nicht noch Zweifel säen, ob ausländische Talente bei uns noch willkommen sind.

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