Easyjet Carolyn McCall – die Bändigerin

Easyjet-Chefin Carolyn McCall stellt die mächtigsten Männer ihrer Branche in den Schatten. Während Lufthansa oder Air Berlin noch ihre neue Rolle in der Luftfahrt suchen, bricht sie mit Konventionen und hält selbst schwierige Aktionäre in Schach. Wie nachhaltig ist ihr Erfolg?

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Es sind noch 20 Minuten bis Mitternacht, als sich Carolyn McCall im Easyjet-Flug EZY2164 aus Amsterdam zum Londoner Flughafen Luton einen orangefarbenen Müllsack greift, durch den Mittelgang geht und jeden Passagier fragt: „Haben Sie noch Abfall, den Sie loswerden wollen?“ Dabei ist die 53-Jährige keine Hilfskraft der Lüfte, sondern Vorstandsvorsitzende von Easyjet, der mit 5,8 Milliarden Euro umsatzstärksten Billigfluggesellschaft Europas.

Ein Pappbecher in den Müllsack, ein freundliches Wort für den Passagier, für McCall sind die Niederungen Teil ihres Jobs. „So sehe ich, wer unsere Kunden sind“, sagt sie. „Manche erkennen mich und werden gleich eine Beschwerde los.“ Andere staunen über das etwas andere Crew-Mitglied in Killer Heels, den Schuhen mit den ultrahohen Absätzen.

Es ist nun fünf Jahre her, dass die Managerin mit dem dunklen Bob und der Schwäche für teure Designermode die Leitung von Easyjet übernahm. „SleazyJet“ (Schleimiger Jet) spotteten viele damals über die notorisch unpünktliche Airline, fast die Hälfte der Flüge erreichte ihr Ziel mit größerer Verspätung. Wie anders die Fluglinie heute dasteht. Das Unternehmen hat unter McCall den Gewinn verzehnfacht, den Aktienkurs um fast 300 Prozent gesteigert und beglückt seine Eigentümer mit dicken Ausschüttungen. Easyjet hat die Deutsche Lufthansa beim Börsenwert abgehängt, ist profitabler und setzt einstigen Staatskonzernen wie British Airways und Air France mächtig zu. Analysten der Credit Suisse zeigen sich „von der finanziellen Performance wirklich beeindruckt“. Als eine der wenigen Frauen an der Spitze eines Unternehmens in der Luftfahrt sowie im Leitindex Footsie der Londoner Börse ist McCall eine Ausnahmeerscheinung. Weswegen sich eine Frage aufdrängt: Wie macht sie das?

Kalkulierte Empathie

Eine Kostprobe ihres Managementstils – kühl, freundlich, bestimmt – gab McCall wieder einmal Anfang März. Alles ist an diesem Tag am Amsterdamer Flughafen in Orange, der Farbe von Easyjet, gehalten; von den Tulpen bis zu den Papierservietten. Ein heikler Termin, eine Woche nach dem tragischen Absturz der Maschine der Germanwings in den französischen Alpen muss die Britin Freudiges verkünden: die Eröffnung der 26. Easyjet-Basis, am Flughafen Schiphol bei Amsterdam. Offiziell erwähnt McCall die Tragödie mit keinem Wort. Erst im privaten Gespräch im Anschluss sagt sie, es stehe nicht zur Debatte, dass Easyjet etwa als Reaktion auf das Unglück die psychische Verfassung aktiver Piloten künftig häufiger testen würden: „Von Schnellschüssen halte ich nichts.“

Kampf der Billigflieger

Ansonsten widmet sich McCall in dem schlauchartigen Raum für die Crew ihren Angestellten, die dicht gedrängt die Hälse nach ihr recken. „Sie hat Charisma, einfach die richtige Mischung aus Wärme und gutem Geschäftssinn“, schwärmt Emmy Radelaar, eine Mitarbeiterin der Easyjet-Personalabteilung.

McCall gilt bei Weggefährten als unprätentiös. Geboren als Tochter eines schottischen Textilmanagers im indischen Bangalore, besuchte sie Schulen in Indien, Singapur und England. Ihre berufliche Laufbahn begann als Lehrerin an einer Gesamtschule in London. Danach wechselte sie zu einer Baufirma und dann als 25-Jährige in den Verlag der britischen Tageszeitung „Guardian“, wo sie von der Assistentin in der Anzeigenabteilung bis zur Verlagschefin aufstieg.

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