Die Vorbereitungen am Köln-Bonner Flughafen laufen auf Hochtouren: Draußen werden zehn bis zwölf Antennen aufgestellt, drinnen wohl bis zu 30 angebracht. Schon jetzt funken sie sich gegenseitig an – auf einem Areal von zehn Quadratkilometern, das entspricht 1400 Fußballfeldern. Auf dem Flughafen entsteht damit das derzeit größte 5G-OpenRAN-Netzwerk in Deutschland. Es ist ein privates Campusnetz, das der Flughafen selbst aufbaut und betreibt.
Es handelt sich dabei um das erste eigenständige Mobilfunknetzwerk in Deutschland, das nicht von den klassischen Ausrüstern wie Ericsson oder Nokia aus einer Hand bestückt wurde, sondern kunterbunt gemischt wird mit Standardhardware von Anbietern wie Cisco oder IBM. Der Standard OpenRAN, kurz für Open Radio Access Network, ist offen für alle Entwickler, ähnlich wie das Handy-Betriebssystem Android. So soll sich das Innovationstempo beschleunigen.
Der Köln-Bonner Flughafen arbeitet für sein OpenRAN-Netzwerk mit dem japanischen Konzern NTT zusammen. Japan ist weltweit führend in der OpenRAN-Technologie. Der NTT-Konkurrent Rakuten hat dort als erster Anbieter ein flächendeckendes OpenRAN-5G-Netz ans Laufen gebracht, das mindestens genauso leistungsfähig ist wie herkömmliche 5G-Netze.
Es ist vergleichsweise einfach, bei OpenRAN hierzulande die Nase vorn zu haben. Mehr als Versuchsanlagen gibt es nämlich bislang nicht. Die Deutsche Telekom betreibt in der „O-Ran Town“ in Neubrandenburg bislang nur einige erste von insgesamt 25 geplanten Antennen.
Rakuten baut derweil für den deutschen Telekommunikationskonzern United Internet ein großangelegtes OpenRAN-Netz. Aktuell aber mehren sich Zweifel, ob es Gründer Ralph Dommermuth schaffen kann, bis zum vom Regulator festgelegten Stichtag Ende 2022 die vereinbarten 1000 Antennentürme ans Funken zu kriegen. Das wurde als Auflage bei der Vergabe der Frequenzen festgelegt.
Mehr Komplexität, weniger Kosten
Weil bei OpenRAN so viele verschiedene Komponenten verschiedener Hersteller miteinander kommunizieren müssen, ist die Komplexität deutlich höher als bei klassischen Mobilfunknetzen aus einer Hand. Aber es gibt viel zu gewinnen: Die für OpenRAN-Netzwerke verwendete Standardhardware ist deutlich billiger als das bei klassischen 5G-Netzwerken eingesetzte Equipment von Ericsson und Co. Zumal bei der Nutzung von OpenRan auch rund 30 Prozent weniger Strom verbraucht werden soll. Dazu kann es von allen Betreibern weiterentwickelt werden.
David Preuß, IT-Chef des Flughafens Köln-Bonn, ist selbst überrascht, wie leicht es war, ein Campusnetz zu planen und zu bauen – Projektstart war vor elf Monaten: „Wir haben uns angesichts der Neuheit der Technologie einen offenen Zeitrahmen gegeben, kommen aber wesentlich schneller voran als wir erwartet hätten.“ Gerade der Kauf des Mobilfunk-Spektrums, auf dem der Flughafen sein privates Netz betreiben wird, sei bei der Bundesnetzagentur sehr einfach und auch sehr günstig gewesen. Kai Grunwitz, CEO von NTT Germany, bestätigt: „Ein 5G-Netz muss nicht mehr als ein paar hunderttausend Euro kosten. Das ist auch für den Mittelstand absolut darstellbar.“
Campusnetze gewinnen in Deutschland gerade rasant an Beliebtheit: Bei der Bundesnetzagentur liegen 170 Anträge für Frequenzen vor, 20 davon trudelten allein in den vergangenen drei Wochen ein.
Wenn das Netz in Köln-Bonn fertig ist, können Flugzeuge nach der Landung Daten über ihren Wartungszustand direkt zu den Herstellern funken. Die jetzigen LTE-Netze brechen unter der Last der gesendeten Daten immer wieder zusammen. Auch soll 5G dabei helfen, den Flughafen so effizient wie möglich zu betreiben: Köln-Bonn rangiert in den Top-Ten der europäischen Frachtflughäfen. Mit Hilfe des neuen Netzes sollen künftig Pakete automatisch auf festgelegten Routen über das Flughafengelände transportiert werden können.
Die allerersten Anwendungen sind allerdings recht bodenständig: Der Flughafen betreibt ein riesiges Stromnetz. Zunächst sollen mithilfe des neuen Netzes etwa Zählerstände automatisch gefunkt werden. Auch Wasserzähler werden eingebunden, so dass in der Zentrale schnell erkannt werden kann, ob irgendwo Wasser ausläuft. Ebenso sollen selbstfahrende Autos an den Zäunen des Geländes Schäden erkennen und Informationen darüber senden können.
IT-Chef Preuß sagt, er habe sich Modelle für Netze von allen großen Anbietern zeigen lassen: „NTT hatte mit Abstand die progressivste Vision“. Andere hätten ihm nur eine „Slice“ von ihrem öffentlichen Netzwerk verkaufen wollen, ein kleines Stück also. Er aber wollte die komplette Kontrolle über das Netz, um auch dessen Sicherheit selbst zu managen: „Wir lassen uns im IT-Bereich immer mehr Services verkaufen und verlieren wichtige Skills, um überhaupt die Qualität dieser Leistungen zu beurteilen. Es ist Zeit, das wieder selbst in die Hand zu nehmen.“
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