Elektrische Tretroller Bundesrat erlaubt E-Scooter, doch Kampf hinter Kulissen tobt längst

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Wer setzt sich durch?

Dafür müssen die Roller nur noch entsprechend genutzt werden. Unternehmen wie Bird stehen immer wieder in der Kritik, da sie mit ihren Scootern die Städte überfluten würden. Patrick Studener von Bird will dieser Kritik entgegnen: „Normalerweise fangen wir in jeder Stadt mit ungefähr 100 E-Scootern an und vergrößern diese Flotte auch nur, wenn die Roller gut angenommen werden und mehrmals am Tag gefahren werden.“ Bislang habe das in jeder Stadt gut funktioniert. Zudem könne die Zahl der Scooter dynamisch angepasst werden: „Im Winter ist es zum Beispiel sinnvoll, die Anzahl der Scooter zu reduzieren.“ Konkurrent Lime ist in Wien sogar mit 250 Rollern gestartet und vermietet momentan schon 1000 Scooter in der österreichischen Metropole.

Wie gut die Scooter in Deutschland ankommen werden, kann weder Bird, noch Lime genau sagen. Da nützt die Erfahrung aus den verschiedenen Städten aus allen Teilen der Welt nicht allzu viel – sie starten auf einem komplett neuen Markt. „Natürlich werden nicht 100 Menschen ihr Auto an dem Tag verkaufen, an dem wir 100 Birds in eine Stadt bringen.“ Dennoch erkennt Studener einen „generationsbedingten Wandel“, der seinem Unternehmen auch in Deutschland zum Erfolg verhelfen könnte: „Vor einigen Jahren haben junge Leute mit 17 Jahren einen Führerschein gemacht, um mit 18 dann sofort Auto fahren zu können. Gerade in der Stadt ist das dank der vielen Alternativen heutzutage nicht nötig“, sagt Studener. Er habe mit seinen 33 Jahren noch nie ein Auto besessen. „Es gibt für mich einfach keinen Grund dafür. Mit dieser Meinung bin ich sicherlich nicht allein.“ Für Menschen wie Studener könnten die E-Scooter tatsächlich eine interessante Alternative sein.

Es muss nicht immer Berlin sein

Um sich schon einmal in Deutschland auszuprobieren, hat Bird gemeinsam mit den Stadtwerken Bamberg eine Sondergenehmigung erhalten. Schon zu Beginn des Jahres haben das amerikanische Start-up und die Stadtwerke Testfahrern 15 Bird-Scooter zur Verfügung gestellt. Wer volljährig ist, einen Führerschein der Klasse B besitzt und einen Helm trägt, durfte die auf 20km/h gedrosselten Scooter in Bamberg fahren.

Wie alltagstauglich sind die neuen Tretroller?

Doch kann das in einer solchen Stadt wirtschaftlich sinnvoll sein? Gerade das Laden von ein paar wenigen Rollern ist (finanziell) aufwändig, die Kosten sinken erst bei größeren Stückzahlen. Und genau deshalb ist es fraglich, wie gut die Scooter in Städten wie etwa Bamberg oder auch Herne, wo das Start-up Flash starten möchte, tatsächlich Teil der Mobilität werden könnten. Und Bamberg klingt erst einmal so gar nicht nach einer Stadt, die man in der Liste der hippen Bird-Standorte neben Paris, Madrid oder Miami vermuten würde. Doch glaubt man Studener, geht es genau darum: „Ich habe keine Ahnung, warum internationale Tech-Firmen immer als erstes nach Berlin wollen. Frankfurt, Düsseldorf oder München sind für uns als Standorte genauso interessant.“ Prinzipiell seien alle Städte relevant, die Emissionen senken wollen – unabhängig von der Größe.

Doch letzten Endes lässt sich der potenzielle Erfolg der Scooter dann eben doch am ehesten in Metropolen wie Berlin abschätzen, wo es eine Menge potenzieller Kunden, einen hohen Bedarf an Parkraum und anderen Mobilitätsformen aufgrund von vollen Straßen gibt. Und eine Studie des Beratungsunternehmens Evenson setzt deshalb genau dort an – in der Bundeshauptstadt: Gemeinsam mit seinem Team hat sich der Chef und Gründer Dirk Evenson den Erfolg der Mikromobilität an den beiden Standorten seines Unternehmens genauer angeguckt: in San Diego und Berlin.

Konkurrenz belebt das Geschäft?

Den E-Scootern traut Evenson auch in Deutschland Erfolg zu, das würden andere Mobilitätsformen bereits zeigen: „In Deutschland haben wir keine Motorroller-Kultur, wie es sie zum Beispiel in Italien gibt. Deshalb war auch die Einführung von verleihbaren E-Motorrollern wie denen von Emmy etwas Neues. Diese Roller haben sich mittlerweile im Stadtbild vieler deutscher Großstädte etabliert. Aufgrund ähnlicher Startvoraussetzungen traue ich den E-Scootern in Deutschland einen vergleichbaren Erfolg zu.“

Und das könnten Städte wie Berlin sogar noch unterstützen: Zurzeit würden Stadtverwaltungen noch sehr stark in den Kategorien Regulierungen und Infrastruktur denken, sagt Evenson. Was außer Acht gelassen werde, seien psychologische Aspekte: „Unsere Erfahrung zeigt, dass es in Berlin zwar bereits viele Radwege gibt, diese allerdings vielen potenziellen Radfahrern zu gefährlich erscheinen. Sei es, weil die Radwege überfüllt, zu schmal, zu nah an Fußgängern, marode oder von Autos zugeparkt sind.“ Es gehe laut Evenson also nicht darum, wie viele Radwege eine Stadt bereitstelle, sondern darum, wie gut und sicher diese seien. „Zufriedenstellende, unterbrechungsfreie Fahrradwege würden mehr Leute zum Umsteigen bewegen.“

Nun sind also die Städte am Zug. Die Unternehmen sind seit Monaten bereits drauf und dran, ihre Roller den Städten schmackhaft zu machen. Den damit einhergehenden Konkurrenzkampf bewerten die Anbieter übrigens positiv, wie sollte es auch anders sein: „Die starke Konkurrenz ist ein Merkmal dafür, dass dieser Markt sehr viel Zukunftspotenzial hat“, sagt zum Beispiel Fabian Ladda von Lime. Dabei gibt es seit Monaten Gerüchte um Übernahmen. Und auch Voi-CEO Hjelm geht von einer zunehmenden Konsolidierung des Marktes aus: „Es wird Übernahmen geben“, sagt der schwedische Gründer. Die Versöhnung der Unternehmen dürfte nur die Ruhe vor dem Sturm auf den deutschen Fahrradwegen und Straßen sein.

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