
Dienstliche Mittagessen gehören für hochrangige Diplomaten der Europäischen Union zu den angenehmeren Terminen. Doch das siebengängige Menü zu Ehren des chinesischen Botschafters Wu Hailong am Freitag vergangener Woche war etwas anderes. Denn der neue Vertreter der Volksrepublik kündigte an, Flugzeuge für die staatlichen Fluglinien künftig beim US-Hersteller Boeing zu bestellen – statt wie geplant beim europäischen Luftfahrtkonzern Airbus.
Auslöser des Affronts ist der von der EU verordnete Handel mit CO2-Emissionsrechten für den Luftverkehr, die jede Airline kaufen und nachweisen muss, wenn sie seit Jahresbeginn in einem der 27 EU-Mitgliedstaaten sowie Island, Liechtenstein und Norwegen starten oder landen will. „Wenn die EU darauf besteht, dass auch unsere Fluglinien daran teilnehmen“, so Wu, „macht es Sinn, wenn die sich eher bei Boeing umsehen.“
Handelskrieg mit dem Rest der Welt
Die Eskalation zeigt: Die gut gemeinte Aktion der EU zur Rettung des Weltklimas wird zu einem offenen Handelskonflikt mit dem Rest der Welt und zu dem wohl größten außenpolitischen Konflikt in der Geschichte der Wirtschaftsunion. „Aus der Lage kommen die nicht ohne Gesichtsverlust heraus“, sagt der Chef einer US-Fluglinie. „Sie müssen entweder nachgeben oder einen Handelskrieg mit dem Rest der Welt führen, den sie nur verlieren können.“
Denn so lobenswert der Versuch auch sein mag, über die Abgabe die Fluglinien zu mehr Umweltfreundlichkeit zu erziehen: Mit der Art, wie die EU den Emissionshandel aufgesetzt hat, spielt sie ihren Gegnern in die Hände und macht selbst Befürwortern strengerer Umweltauflagen für Fluglinien die Zustimmung schwer.

Deutlich mehr Zertifikate müssen gekauft werden
So müssen die europäischen Länder die Erlöse aus der neuen Abgabe für das Kohlendioxid keineswegs für den Umweltschutz ausgeben, sondern dürfen damit Haushaltslöcher stopfen. Dazu wirkt sich die Abgabe gravierender aus, als die EU-Kommission behauptet. Airlines wie Lufthansa müssen nicht für 15 Prozent ihres CO2-Ausstoßes Zertifikate kaufen, wie es die Kommission angibt, sondern für deutlich höhere und zudem steigende Anteile.
Grund: Bei ihrer Berechnung legt die Kommission den durchschnittlichen Spritverbrauch der Jahre 2004 bis 2006 zugrunde. Doch weil die Lufthansa seitdem deutlich mehr Flüge macht, summiert sich der nötige Zertifikate-Zukauf 2012 auf 35 Prozent ihres CO2-Ausstoßes und 2013 auf fast 40 Prozent. Zudem schwankt der Preis der Zertifikate unkalkulierbar zwischen ein paar Cent und knapp 30 Euro. „Das bedeutet mittelfristig im Industriedurchschnitt einen Gewinnrückgang von mindestens einem Drittel“, glaubt Jürgen Ringbeck, weltweiter Leiter des Transportgeschäfts der Strategieberatung Booz & Company. „Damit fehlt vielen gesunden Airlines das Geld für neue umweltfreundliche Flugzeuge, und für viele schwächere Fluglinien könnte es das Aus bedeuten.“