Bilfinger-Vorstandschef Roland Koch konnte seit seinem Amtsantritt vor bald zwei Jahren in Ruhe und unauffällig die Akquise weiterer Dienstleistungsunternehmen voran treiben. Der M-Dax-Konzern investiert entschlossen in Kraftwerksservice, Industrieservice und Gebäudetechnik. Aus der langen Liste von mittelständischen Unternehmen, die seit zwölf Jahren den früheren Baukonzern Bilfinger Berger in den heutigen Dienstleistungskonzern Bilfinger verwandeln wurde, geht inzwischen ein halbes Dutzend auf Kochs Konto.
Den im Januar verkündeten Zukauf Johnson Screens nannte der Ex-Ministerpräsident bei der Bilanzpressekonferenz am heutigen Mittwoch eine "für unsere Verhältnisse große Investition". Der US-Wassertechnikspezialist erbringt mit rund 1.200 Mitarbeitern eine Jahresleistung von rund 160 Millionen Euro.
Bilfinger auf Einkaufstour
Übernahme: 2012
Sparte: Industrieservice - Rohrleitungsbau, Stahlbau, Anlagenmontage
Umsatz: 150 Millionen Euro
Mitarbeiter: 1000
Übernahme: 2012
Branche: Kraftwerksplanung - Power Services
Umsatz 2010: 30 Millionen Euro
Mitarbeiter: 230
Übernahme: 2002
Sparte: Industriedienstleistungen
Umsatz: 8.500 Mio. Euro
Mitarbeiter: 732
Übernahme: 2002
Sparte: Gebäudemanagement
Umsatz: 175 Mio. Euro
Mitarbeiter 1.950
Übernahme: 2005
Sparte: Kraftwerkdienstleistungen
Umsatz: 350 Mio. Euro
Mitarbeiter: 2.700
Übernahme: 2006
Sparte: Kraftwerkdienstleistungen
Umsatz: 160 Mio. Euro
Mitarbeiter: 800
Übernahme: 2008
Sparte: Gebäudemanagement
Umsatz: 500 Mio. Euro
Mitarbeiter: 4.300
Übernahme: 2008
Sparte: Industriedienstleistungen
Umsatz: 250 Mio. Euro
Mitarbeiter: 2.200
Übernahme: 2008
Sparte: Industriedienstleistungen
Umsatz: 180 Mio. Euro
Mitarbeiter: 1.100
Übernahme: 2009
Sparte: Kraftwerk- sowie Industriedienstleistungen
Umsatz: 900
Mitarbeiter: 6.500
Übernahme: 2011
Sparte: Industriedienstleistungen
Umsatz: 60 Mio. Euro
Mitarbeiter: 1.600
Übernahme: 2011
Sparte: Gebäudemanagement
Umsatz: 40 Mio. Euro
Mitarbeiter: 110
Übernahme: 2011
Sparte: Kraftwerkdienstleistungen
Umsatz: 25 Mio. Euro
Mitarbeiter: 270
Übernahme: 2012
Sparte: Industriedienstleistungen
Umsatz: 225 Mio. Euro
Mitarbeiter: 3.200
Übernahme: Dezember 2012
Sparte: Technisches Gebäudemanagement
Umsatz: 50 Mio Euro
Mitarbeiter: 220
Übernahme: Dezember 2012
Sparte: Kraftwerks-Service
Umsatz: 60 Mio Euro
Mitarbeiter: 460
Übernahme: Januar 2013
Sparte: Wassertechnik
Umsatz: 160 Mio Euro
Mitarbeiter: 1200
Doch Koch könnte bald einen viel größeren Brocken schlucken - und muss es womöglich. Denn Hochtief-Vorstandschef Marcelino Fernandez überraschte Ende Februar mit der Ankündigung, die gesamte Hochtief-Servicesparte mit rund 5.700 Mitarbeitern und 700 Millionen Euro Jahresumsatz zu verkaufen. 170 Millionen Euro kann Hochtief dafür voraussichtlich erlösen. Für Bilfinger kein Problem. Anfang des Jahres hatte Bilfinger immer noch eine Milliarde Euro für Zukäufe in der Kasse. Davon ist erst ein Bruchteil ausgegeben.
Jetzt zuzuschlagen oder nicht - beides birgt Gefahren
Für deutsche Familienunternehmen wie Dussmann, Klüh oder Piepenbrock dürfte das zuviel sein. Der österreichische Baukonzern Strabag aber hat bereits Interesse angemeldet: Es gebe "vermutlich eine perfekte strategische Passung zwischen unserem und Hochtiefs Dienstleistungsgeschäft". Strabag will im Rahmen eines Bieterverfahrens in die Bücher des Hochtief-Bereichs werfen, um festzustellen, „was das Unternehmen tatsächlich wert ist". Ausländische Anbieter sind bereit, einen "strategischen Aufpreis" zu zahlen, sagt ein Hochtief-Manager. Dazu zählen offenbar auch der finnische Baukonzern YIT, die dänische ISS-Gruppe, der französische Baukonzern Vinci und der Dienstleister Cofely, der zum französischen Energieriesen GDF Suez gehört.
Lässt Koch sie zum Zuge kommen, wird einer dieser Konkurrenten Bilfinger im Gebäudemanagement-Branchenranking von der Spitze verdrängen oder zumindest gleich ziehen. Das ist in Mannheim sicher nicht erwünscht. Andererseits ist der Margendruck im Dienstleistungsbereich, den auch Bilfinger längst spürt, im Gebäudemanagement besonders groß. Bilfinger wolle seine Marge von 4,5 bis fünf Prozent im Facility-Management "nicht gefährden", sagte Koch dazu bei der Bilanz-Pressekonferenz. Ein diskreter Hinweis darauf, dass die Umsatzrendite der Hochtief-Sparte nur bei knapp drei Prozent liegt und Fernandez Angebot zur Unzeit kommt.
Die Hochtief-Service-Sparte würde "prinzipiell gut zu Bilfinger passen", sagt Jörg Hossenfelder von der Marktforschungs- und Beratungsgesellschaft Lünendonk. Koch gibt sich cool: "Das Thema schauen wir uns mit einer sichtbaren Entspanntheit an", sagte er heute in Mannheim - die Botschaft "wir wollen das unbedingt haben, wäre falsch". Klar - es würde die Verhandlungsposition schwächen. Aber tatsächlich beschäftigt die Kauf-Option Koch intensiver als er zugibt. Jetzt zuzuschlagen oder es nicht zu tun - beides kann falsch sein und birgt Gefahren für die bisher glatte Manager-Karriere des Ex-Politikers Koch.