Erstaunliches Zugeständnis Lufthansa verzichtet auf die neue Billiglinie

Flugzeuge der Fluggesellschaft Lufthansa stehen am Rand des Rollfeldes nebeneinander. Quelle: dpa

Im Tarifstreit mit der Vereinigung Cockpit kommt die Lufthansa der Pilotengewerkschaft überraschend einen großen Schritt entgegen.

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Als beim Lufthansa-Billigflieger Eurowings Mitte Oktober die Piloten zum zweiten Mal in einem Monat streikten, schien das Verhältnis der beiden Seiten wieder auf einem Tiefpunkt. Eurowings-Geschäftsführer für Personal und Finanzen Kai Duve nannte den Ausstand „unverhältnismäßig und unverantwortlich“. Dann kündigte er an, Kompromissangebote zurückzuziehen und stattdessen Jobs bei ausländischen Töchtern zu schaffen.

Tatsächlich blieb das Verhältnis der beiden Seiten hinter den Kulissen offenbar konstruktiver denn je. Denn in den laufenden Verhandlungen ist die Lufthansa ihren Flugzeugführern in zwei wichtigen Streitpunkte entscheidend entgegengekommen. Laut einer internen Mitteilung, die der Wirtschaftswoche vorliegt, verzichtet sie erstmal auf den Aufbau der geplanten neue Billiglinie mit dem interne Arbeitstitel CityLine2. Gleichzeitig bietet sie der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) Verhandlungen an über einen Tarifvertrag bei der neuen Urlaubslinie Eurowings Discover und eine Wechselmöglichkeit zwischen den einzelnen Airlines des Konzerns. „Das lag im Sommer alles noch im Giftschrank“, verrät ein Insider des Konzerns. 

Dabei bekennt sich die Airline klar zu einem vertrauensvollen Dialog, wie ihn der oberste Tarifpolitiker der VC Marcel Gröls in einem Beitrag für die Wirtschaftswoche vorgeschlagen hat. „Diese Entscheidungen stehen für unseren klaren Willen, die offenen Themen anzugehen und zu lösen“, beschließen die beiden Verhandlungsführer der Lufthansa Karl Brandes und Marc Schwabe die Mitteilung. Um die Einigung zu ermöglichen, hatten sich beide Seiten im September geeinigt, bis zum kommenden Sommer auf Streiks sowie betriebliche Veränderungen zu verzichten.

Den Schritt begründet die Linie den Piloten gegenüber zwar großzügig mit dem Ziel, „Ihnen auch in Zukunft einen attraktiven Arbeitsplatz zu bieten“. Doch das tut die Fluglinie nicht ganz freiwillig. Denn ihr fehlen derzeit Piloten, um wie geplant zu wachsen und ausreichend Personal für die neuen Flugzeugtypen wie Airbus A350 sowie Boeings 787 Dreamliner oder 777X zu schulen. Die Linie hatte noch bis Anfang des Jahres mit Abfindungen und indirektem Druck Cockpitpersonal abgebaut. Doch dann hatte sie nicht genug Leute, als der Flugverkehr im Sommer stärker als erwartet anzog von rund 20 Prozent des Vorkrisenniveaus an Ostern auf 80 Prozent im August. Um die Lücken zu stopfen, musste sie von anderen Gesellschaften wie Finnair Flugzeuge samt Personal anmieten.

Und der Mangel wird kaum besser. Weil auch viele andere Airlines Cockpitmitarbeiter abgebaut haben, sind diese in den USA bereits Mangelware. Und Ähnliches droht auch in Europa. „Um da genug Personal zu finden, das zudem unsere hohen Ansprüche erfüllt, mussten wir statt der bisherigen eher harten Linie nun auf bessere Angebot setzen“, weiß ein Konzerninsider.

Wohl auch darum wirken die Fortschritte zwischen den Parteien in den ersten sechs Wochen recht konkret. So habe man „die Redaktionsphase zur Tarifeinigung erfolgreich abgeschlossen. Damit steht der Rahmen für die Verhandlungen“, heißt es in der Mitteilung, und: man wolle die 2021 von der Lufthansa gekündigte Perspektivvereinbarung „PPV als zukunftsfähigen Rahmen erneuern.“ Die hatte die Lufthansa 2021 gekündigt, um mehr Flugzeuge verlegen zu können von der Marke Lufthansa mit ihren relativ hohen Arbeitskosten hin zu in dem Bereich günstigeren Fluglinien im Konzern. Das ist nun offenbar vorbei.

„Damit die Friedensphase nicht als einseitig empfunden werde“, sagten die Verhandlungsführer der Fluglinie mehrere Dinge zu. Zum einen wolle sie bis zum 30. Juni „bei der ‚CityLine 2‘ kein Cockpit-Personal für Linienverkehre einstellen oder schulen.“ Zwar wolle man bei der bisher als tariffreier Raum gedachten Betriebsgesellschaft „die Meilensteine für den formalen Aufbau“ weiterführen. Doch die Nutzung der Linie „gilt es mit der VC zu besprechen.“ Damit gilt das Projekt als beerdigt.

Von Montag bis Mittwoch streikten die Piloten von Eurowings Deutschland für eine geringere Arbeitsbelastung. Ein Co-Pilot der Airline schildert, wie groß die Arbeitsbelastung ist. Ein Protokoll.

Dann verspricht die Mitteilung einen Bruch mit der bisherigen Strategie der Lufthansa, immer neue tariffreie Töchter aufzulegen. Man wolle „keinen dauerhaften Aufbau einer weiteren Plattform vornehmen“ und „keine strategischen Entscheidungen treffen, die zu dauerhaften Personalüberhängen“ bei der Marke Lufthansa und im Frachtgeschäft führen. Zu guter Letzt bekräftigen die Verhandlungsführer, dass alle Flüge, die der Konzern derzeit aus Mangel an Personal und Flugzeugen von anderen Airlines erledigen lässt „wieder von der Lufthansa Passage aufgenommen werden“, sobald es genug Crews gibt.

Am Ende des Schreibens verkünden die Verhandlungsführer noch einen überfälligen Schritt. Bei der vor gut einem Jahr gegründeten Ferienlinie Eurowings Discover soll es jetzt einen Tarifvertrag geben. Das hatte der Konzern lange verschleppt. Nun heißt es etwas ungelenk, die intern „Eurodisco“ genannte Tochter habe „ein Schreiben an den Präsidenten der Vereinigung Cockpit gesendet, verbunden mit der Bereitschaft ergebnisoffen sowohl Verhandlungen über tarifliche Arbeitsbedingungen als auch über eine Einbeziehung in eine mögliche Konzernwechselrichtlinie aufzunehmen.“ Die Möglichkeit etwa von Eurowings zur Hauptlinie oder auch zur Swiss nach Zürich zu wechseln, sollen künftig alle Piloten haben.

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Ob das Entgegenkommen nun schon die Lösung des Tarifkonflikts ist, bleibt abzuwarten. Doch die Aussichten sind gut. „Ohne eine wirklich triftigen Grund kann die Lufthansa das nun nicht mehr einkassieren“ so ein Insider, „Und hinter ihr ‚an den Piloten wird es nicht scheitern‘ kann auch die VC nicht zurück.“

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