Emirates-Chef Tim Clark und Richard Anderson, CEO von Delta Airlines aus den USA, werden wohl so schnell keine Freunde mehr. „Die Fluglinien vom Golf sind nicht nur hochsubventioniert“, keilte der US-Manager zuletzt in Richtung der arabischen Fluglinie. Und legte nochmal kräftig nach, indem er die Golfstaaten generell in die Nähe des Terrorismus rückte: „Es ist schon absurd, dass die Vereinigten Arabischen Emirate uns im Gegenzug den Schuldenabbau in unseren Insolvenzverfahren vorwerfen, als unsere Branche schockiert war über die Terroranschläge des 11. September 2001, die von Terroristen von der Arabischen Halbinsel verübt wurden. Die haben uns erst zu massiven Restrukturierungen gezwungen.“
Und obwohl sich Anderson für den Ausrutscher prompt entschuldigte, platzte Ende voriger Woche dem sonst eher gelassenen Briten Clark der Kragen. „Dies lässt nicht nur Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit als CEO eines an der US-Börse notierten Unternehmens zu, sondern auch an der Richtigkeit der Dokumente, die seine Fluggesellschaft bei den US-Behörden eingereicht hat“, schoss Clark unmittelbar zurück.
Bei dem selbst für die oft hemdsärmelige Flugbranche ungewöhnlich hitzigen Wortgefecht geht es um mehr als nur Politik. Andersons Ausrutscher zeigt, wie sehr nun auch die US-Linien unter den Attacken der arabischen Angreifer leiden. „Die hielten sich lange für immun, weil sie und die Golflinien nur wenige gemeinsame Strecken haben“, so ein hochrangiger Mitarbeiter der Lufthansa. „Nun merken sie, dass diese ihnen im Verkehr nach Indien und in die Golfregion kräftig zusetzen. Willkommen im Club.“
Emirates & Co zerlegen das Geschäft
Den Effekt der Golflinien und der ähnlich organisierten Turkish Airlines spüren Europas Langstreckenlinien Lufthansa, Air France-KLM und mehr noch die kleineren wie SAS oder Finnair schon länger. „Emirates & Co zerlegen das Asiengeschäft der Marktführer mit der Unerbittlichkeit eines Schraubstocks“, konstatierte bereits im Jahr 2006 eine Studie der Investmentbank UBS.
Der Grund hierfür sind jedoch keineswegs nur Subventionen und andere staatliche Hilfen der Regierungen. Das gesamte Geschäftsmodell ist deutlich überlegen. Mit niedrigen Preisen, einer optimale Flugplanung und starkem Service locken die Airlines die Reisenden. Eine unternehmensfreundliche Gesetzgebung in den Heimatländern und die verkehrsgünstige Lage der Golfflughäfen erleichtern den Flugbetrieb enorm:
Die fünf Erfolgsgeheimnisse der arabischen Airlines
Kern des Erfolgs sind die guten Preise. Möglich werden sie durch die im Vergleich zu europäischen Linien bis zu 30 Prozent niedrigeren Ausgaben. Dafür sorgt die Flotte, die dank Großbesteller-Rabatten und moderner Technik im Schnitt gut ein Zehntel günstiger fliegt als die Maschinen der Konkurrenz aus Übersee. Zweites Plus sind die Flughäfen der Golfstaaten. Großzügig gebaut und ohne Einschränkungen beim Nachtflug erlauben sie eine optimale Flugplanung ohne die überflüssigen Ruhezeiten für die teuren Maschinen. Und weil die Airports meist die gleichen Aufsichtsratschefs haben wie die Fluglinien, fördern sie die durch niedrige Gebühren, die nur rund ein Zehntel der in Europa fälligen Abgaben betragen.
Die unternehmensfreundliche Gesetzgebung sorgt für weitere Einsparungen. Dinge wie Steuern und Sozialabgaben sind ebenso unbekannt wie Sozialstandard oder Kündigungsschutz. Das spiegelt sich auch in der Unternehmenskultur wieder. Weil die Gehälter ohne die Abgaben relativ hoch sind und der Job viele Freiräume bietet, ziehen die Golflinien überdurchschnittlich viele hochmotivierte Mitarbeiter an. „Wir haben das Gefühl, die Vorgaben zu erreichen und wahrscheinlich sogar übertreffen können", so ein hochrangiger Mitarbeiter bei Emirates.
Die Flughäfen am Golf liegen verkehrsgünstig. Mit Ausnahme von Chile und Süd-Argentinien sind mit modernen Flugzeugen fast alle Orte der Welt erreichbar und bei den besonders stark beflogenen Routen von Europa nach Südostasien liegen die Golfstaaten quasi auf dem Weg.
Die Golflinien setzen auf Kundendienst. Während die Linien aus Europa und den USA bei Neuerungen wie modernen Flugzeugen, bequemen Sitzen, Betten in der Business Class oder einem persönlichen Unterhaltungsbildschirm in der Economy lange zu teuer waren und sie ihre Kunden bei jeder Gelegenheit mit Zuschlägen belasteten, setzen die Golfinien auf „alles inklusive.“
Fast ebenso viel wie in neue Technik stecken die Linien ins Marketing. Lufthansa etwa investiert eher zurückhaltend in Sportförderung oder aber in ungewöhnliche Dinge wie Events klassischer Musik. Besonders letztere sorgen – bei allem künstlerischen Wert – besonders bei jüngeren Reisenden außerhalb Europas für weniger Bekanntheit als die von den Golflinien bevorzugten Massensportarten wie Fußball oder Formel 1.
Die Grundidee für das Modell borgte sich das Emirates-Gründungsteam um Clark am Ende von Singapore Airlines. Die Linie des südostasiatischen Inselstaats zeigte als erste, wie ein Verbund aus einem Langstreckendrehkreuz, einem kundenfreundlichen Flughafen und der Rückendeckung der lokalen Regierung eine Weltmacht im Fliegen schafft – und daraus dann ein weltweit wichtiges Wirtschaftszentrum erwächst. Ein System, das nach den Golflinien im übrigen auch Island aufgenommen hat, mit Reykjavik als Minidrehkreuz zwischen Europa und Nordamerika.
Während sich Etihad, Qatar Airways und Emirates in ihrer Grundausrichtung ähneln, unterscheiden sie sich im Detail deutlich. Die Unternehmen verfolgen unterschiedliche Strategien und Visionen. Die Angreifer vom Golf im Überblick.
Emirates: Die Vorreiter
Die 1985 gegründete Linie aus Dubai ist die größte und erfolgreichste der Golflinien. Mit ihrem Erfolg hat sie letztlich die anderen inspiriert. Leider mit einer Ausnahme: der Transparenz. Denn außer Emirates veröffentlicht nur Turkish Airlines einen aussagekräftigen Geschäftsbericht.
Zahlen
Zu den vielen Superlativen von Emirates gehört ihr Rang als wertvollste Flugmarke. Kein Wunder. Denn die Linie ist nicht nur die größte mit 68.000 Beschäftigten, 230 Flugzeugen nebst mehr als 350 bestellten Maschinen, sowie 20 Milliarden Dollar Umsatz. Mit fast zwei Milliarden Dollar gehört Emirates zu den profitabelsten Langstreckenlinien. Die Airline hat das größte Streckennetz und die größte Kapazität im grenzüberschreitenden Verkehr.
Chef
Emirates-Chef Tim Clark ist eine Institution der Flugbranche. Der gebürtige Brite kennt alle Verästelungen des Geschäfts bis hin zu den kleinsten technischen Details und spricht darüber auch ohne Zurückhaltung. Das macht ihn zu einem harten Verhandlungspartner für Flugzeughersteller - und zu einer beliebten Quelle für Journalisten.
Strategie / Arbeitsweise
Emirates hat das klarste und simpelste Konzept: Sie betreibt nur Großraumflugzeuge in drei Größenklassen. Das verschafft ihr eine starke Stellung in ihren Märkten - besonders weil ihr die niedrigen Kosten erlauben, selbst ihre großen Airbus-Superjumbos A380 notfalls mit Rabatten zu füllen.
Produkt
Auch wenn Emirates als erste eine First-Class-Suite mit verschließbarer Tür hatte und das Image top ist: der Service ist über dem Schnitt, aber nicht der Beste der Branche. Der Grund ist am Ende eine harte Rechnung: In allem hervorragend zu sein, ist einfach zu teuer. Das gilt besonders bei der Einrichtung der Maschinen. Statt ihre Jets in langen Bodenzeiten mit neuem Gestühl komplett zu renovieren, rüstet die Airline nur unverzichtbare Dinge wie die neuesten Unterhaltungssysteme nach. Dafür stößt sie die Flieger dann einfach früher ab. Das führt dazu, dass Kunden bei vier Flügen auch vier verschiedene Einrichtungen vorfinden.
Aussichten
Emirates hat – trotz Krisen wie den Golfkriegen und dem arabischen Frühling - fast jedes Jahr 20 Prozent Wachstum geschafft. Und ein Ende ist nicht abzusehen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Linie wie ein Unternehmen geführt wird und keinen Platz für Abenteuer hat, die vor allem der Eitelkeit der Führung dienen. Denn spätestens seit der Finanzkrise ist der Eigentümer Dubai etwas knapp bei Kasse um Ausschweifungen zu finanzieren.
Etihad: Die Ehrgeizigen
Die Mutter von Air Berlin aus dem Öl-Emirat Abu Dhabi ist die jüngste unter den großen Golflinien. Weil im Gründungsjahr 2003 das Feld eigentlich schon verteilt war, brauchte sie deshalb etwas mehr Hilfe als Emirates. Genauer: die wohl größte Anschubfinanzierung im Fluggeschäft. Laut nicht bestätigten Dokumenten von damals beteiligten Beratern gab es gut drei Milliarden Dollar von der Herrscherfamilie. Hinzu kamen reichlich indirekte Hilfen, etwa weil dank der Rückendeckung der extrem solventen Al Nahyans die Banken mit günstigen Krediten Schlange standen.
Zahlen
Seit drei Jahren hat Etihad zwar einen Geschäftsbericht. Doch der bietet neben Strecken, Flottengröße (102) und vielen tollen Bildern gerade einmal sechs Finanzzahlen: Einnahmen, EBIT und Ergebnis nach Steuern jeweils für das aktuelle und das Vorjahr. Wofür die Linie Geld ausgibt? Fehlanzeige. So ist der Umsatz von gut sieben Milliarden Dollar glaubhaft, die 60 Millionen Gewinn sind es nicht. „Unseren Gesellschaftern und den Bankern reicht unsere Transparenz“, kommentierte Etihad-Chef James Hogan trocken.
Chef
James Hogan galt schon in seinen alten Jobs bei Gulf Air aus Bahrain und der australischen Ansett als schwierig. Unter dem Druck, in Rekordzeit eine – außer für Abu Dhabi und seine Wirtschaft – nicht zwingend notwendige weltweite Flugmarke aufzubauen, ist er kaum lockerer geworden. Er tritt extrem bullig auf und ist weitgehend humorfrei, besonders bei Zweifeln am Geschäftsmodell. Dabei soll er in privater Runde ganz umgänglich sein und selbst das Geschäftsmodell durchaus plausibel machen können.
Strategie / Arbeitsweise
In den ersten Jahren arbeitete der Airline-Nachkömmling laut ehemaligen Managern nach dem Prinzip: jedes Problem verschwindet, wenn man erst viel Geld, dann jede Menge Leute danach wirft und erst zum Schluss Fachleute fragt. Als legendär gilt die – nie bestätigte – Anekdote, einen Flug nach Nordamerika am späten Vormittag starten zu lassen. Erst als die wegen des vielen Sprits extrem schweren Flieger im Sommer in der heißen und dünnen Luft meist nur mit halber Passagierzahl und ohne Fracht in die Luft kamen, startete der Flieger in der Nacht.
Weil aber trotzdem der Abstand zu den Erzrivalen Qatar und Emirates kaum geringer wurde, änderte Unternehmens-Chef Hogan die Strategie. Statt organisch zu wachsen, beteiligte er sich mit viel Geld an meist defizitären Fluglinien in aller Welt wie Air Berlin, Alitalia, der indischen Jet Airways oder Air Serbia. Dazu bot sich Hogan auch der angeschlagenen Air France als Partner an. Der Erfolg: mit gut 400 Flugzielen gehört der Verbund rein rechnerisch zu den Großen.
Produkt
Wenn Geld nicht das wichtigste Kriterium ist, kann der Service gut sein. So setzt Etihad den Maßstab in der Branche mit der First Appartement genannten fliegenden Dreizimmerwohnung, auch wenn es die nur je einmal auf jedem ihrer irgendwann mal zehn A380 gibt. Weit über dem Schnitt sind auch die Lounges und in den anderen Klassen an Bord die Sitze. Die Bestnoten verpasst Etihad jedoch. Die Ausbildung des Personals ist vergleichsweise wechselhaft.
Aussichten
Zum Thema "Was kann fliegen?" haben Ingenieure eine einfache Antwort: Mit dem nötigen Schub und Auftrieb fliegt alles. Für Etihad heißt das: solange Abu Dhabis Herrscherfamilie den Expansionskurs und die teuren Zukäufe finanziert, wird das Unternehmen weiter wachsen. Lässt der Antrieb nach, kann die Linie nur weniger wachsen oder schrumpfen. Aber danach sieht es bis auf weiteres nicht aus. Im Gegenteil. Weil weltweit die Zahl der notleidenden Airlines eher wächst, kann Etihad das erprobte Modell fortsetzen.
Qatar Airways: Die Perfekten
Sie sind das heimliche Vorbild der ganzen Branche: Qatar Airways hat - dank der schier endlos tiefen Taschen des Erdgas-Emirats Qatar - nicht nur das nötige Geld. Die Airline bietet auch den besten Service. Und sie hat keine Scheu, neue Wege zu gehen. Als erste Golflinie trat sie einer Flugallianz bei und kaufte sich sogar bei der British-Airways-Mutter IAG ein.
Zahlen
Qatar drückt sich noch stärker als Etihad um die Veröffentlichung von Zahlen. Sie stellt nicht mal einen Geschäftsbericht auf ihre Internetseite. Nur Interviews von CEO Akbar Al Baker deuten auf gut zehn Milliarden Dollar Umsatz und einen Gewinn, dessen Höhe jeder raten kann. Trotzdem ist Qatar Airways mit 146 Zielen eine der größten Linien der Welt, wenn auch in Deutschland mit nur drei Zielorten im Schatten von Emirates und – dank der Air-Berlin-Beteiligung – Etihad. Doch das könnte sich ändern. Mit 146 Flugzeuge und dem dicken Bestellbuch mit 340 Fliegern für 70 Milliarden Euro wird sie ebenso für Aufmerksamkeit sorgen wie mit ihrer Rolle als Erstkunde des neuen Airbus-Großraumfliegers A350, den Qatar als erstes nach Deutschland geschickt hat.
Chefs
Dass jemand so zu einer Marke wird, dass jeder bereits bei der Nennung seines Vornamens ein klares Bild hat, gelingt Popstars wie Madonna oder Rihanna - und Akbar Al Baker. Das rührt daher, dass kein Airline-Chef es bei technischer Sachkenntnis, Ehrgeiz und Konfliktfreude mit ihm aufnehmen kann. Das spüren besonders die Chefs der großen Flugzeughersteller, die er gerne wie Schuljungen vorführt. Wie beim A350 - in letzter Minute und mitten in eine Investorenveranstaltung hinein ließ er die Auslieferung platzen, weil ihm Dinge wie Farben oder unsauber verlegte Teppichkanten nicht passten. Aber weil er nun mal zu den größten Bestellern zählt, nimmt das jeder hin.
Strategie
Qatar setzt auf Qualität statt Krawall und investiert trotz des Reichtums bevorzugt da, wo es passt. Obwohl die Linie Höchstnoten bei neutralen Marktforschern wie Skytrax erreicht, verzichtet sie in vielen Maschinen auf eine First Class und investiert lieber in fast fehlerfreie Dienstleistung in allen anderen Bereichen. Dazu muss die Linie nicht unbedingt nur die größten Flugzeuge haben, sondern fliegt selbst längere Strecken wie nach Deutschland mit eigentlich für Mittelstrecken gedachten Maschinen wie einem Airbus A320, bevor sie ihre Flieger mit Rabattschlachten füllt.
Produkt
Bis auf wenige Ausnahmen verzichtet Qatar auf Superlative und den Zwang, dass Flugbegleiterinnen möglichst wie Fotomodelle aussehen müssen. Stattdessen achtet die Fluglinie – nicht zuletzt dank des detailbesessenen Chefs Al Baker – auf die Kleinigkeiten, die Passagiere weniger sehen, sondern eher fühlen.
Erfolg
So lange die Kunden die Qualität bezahlen und den Eigentümern hohe Umsatzrenditen egal sind, wird der Aufschwung von Qatar weitergehen. Denn selbst die Kritik an den Umständen der Bewerbung für die Fußball-WM im Jahr 2022, den Sozialstandards im Land und bei der Airline selbst konnten dem Aufschwung bislang wenig anhaben.